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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Teilweise Zulässigkeit der Individualanträge von Buschenschankbetreibern auf Aufhebung von Bestimmungen des Nö Buschenschankgesetzes betreffend die Verabreichungsbefugnis bezüglich bestimmter Speisen; Kompetenz des Landesgesetzgebers zu einer solchen Regelung im Rahmen des Buschenschankwesens; kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz und die Erwerbsausübungsfreiheit; Ausschluss der Verabreichung warmer Speisen kompetenzrechtlich geboten; Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl zur Verabreichung gestatteter Mehlspeisen nicht überschritten; keine InländerdiskriminierungRechtssatz
Zulässigkeit des Individualantrags auf teilweise Aufhebung des §11 Nö BuschenschankG, LGBl 7045-2.
§11 Nö BuschenschankG bewirkt (im angefochtenen Umfang), dass den Antragstellern im Rahmen ihrer Buschenschankbetriebe nur die Verabreichung kalter und bestimmter in §11 letzter Satz Nö BuschenschankG aufgezählter (Mehl-)Speisen gestattet, die Verabreichung anderer Speisen im Rahmen ihres Buschenschankbetriebes jedoch verboten ist. Ein Zuwiderhandeln gegen diese Bestimmung ist gemäß §13 Abs1 leg cit unter Strafsanktion gestellt und in der Folge gemäß §13 Abs2 leg cit mit der Untersagung der Ausübung des Buschenschankes bedroht. §11 leg cit greift sohin in die Rechtssphäre der Antragsteller, die als Betreiber von Buschenschanken beabsichtigen, auch warme Speisen bzw andere als nach §11 zulässige Mehlspeisen zu verabreichen, unmittelbar ein.
§11 Nö BuschenschankG im angefochtenen Umfang wurde weder durch die
3. (LGBl 7045-3) noch durch die 4. Novelle (LGBl 7045-4) zum Nö BuschenschankG geändert und entfaltet somit weiterhin - in der Fassung der 2. Novelle, LGBl 7045-2 - für die Antragsteller Wirksamkeit.
Die Einschreiter konkretisierten ihre Anträge mit Hinweis auf "LGBl. 146/1974 (7045-2) ... in der geltenden Fassung der 2. Novelle 37/97" (unter Angabe des jeweiligen Stücks des Niederösterreichischen Landesgesetzblattes und dessen Ausgabejahr sowie der für Niederösterreich gebräuchlichen Zitierung - "7045-2"). Diese Bezeichnung genügt den gesetzlichen Erfordernissen.
Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung des §13 Abs2 Nö BuschenschankG, LGBl 7045-2.
Die Antragsteller sind durch die Untersagungsermächtigung des §13 Abs2 Nö BuschenschankG nicht unmittelbar in ihren Rechten betroffen. Bei der Vorschrift handelt es sich schon ihrem Wesen nach um eine gesetzliche Bestimmung, mit der die Behörde zu einem selbständigen Verfahren mit der Rechtsfolge der Untersagung der Ausübung des Buschenschankes ermächtigt wird. Nicht die gesetzliche Ermächtigung zur Untersagung, sondern erst die bei Wiederholungsgefahr vorgesehene Untersagung selbst greift in die Rechte des Buschenschänkers ein.
Das Buschenschankwesen verbleibt mangels Aufzählung in Art10 bis Art12 B-VG gemäß Art15 Abs1 B-VG im selbständigen Wirkungsbereich der Länder.
Der Umfang des nicht den "Angelegenheiten des Gewerbes" iSd Art10 Abs1 Z8 B-VG zuzuzählenden Buschenschankwesens (vgl ArtV lita des Kundmachungspatentes zur Gewerbeordnung 1859) sollte den Ausschank selbsterzeugter Getränke umfassen. Kraft einem "Erlaß des Ministers des Innern" vom 18.12.1899 wurde allerdings den Buschenschänkern "aus Billigkeitsrücksichten die Verabreichung von Brot, sowie von Sodawasser und anderen Säuerlingen" zugestanden. Die Zulässigkeit der Verabreichung selbsterzeugter kalter Speisen durch Inhaber einer Buschenschank kann somit als im Rahmen des Herkommens zulässige Neuregelung betrachtet werden, die ihrer Art nach dem Typus der Buschenschank entspricht.
Aus der historischen Konzeption des Buschenschankwesens lässt sich sohin typologisch erkennen, dass als Buschenschank im eigentlichen Sinn der Ausschank von Wein und Obstwein, von Trauben- und Obstmost und von Trauben- und Obstsaft durch Besitzer von Wein- und Obstgärten, soweit es sich um deren eigene Erzeugnisse handelt, zu verstehen ist; dass aber weiters als damit verbundene Nebenbefugnisse auch die Verabreichung kalter Speisen und der Ausschank von Mineralwasser und von kohlesäurehältigen Getränken den Buschenschankberechtigten unter der Voraussetzung zustehen, dass diese Tätigkeiten herkömmlich dem Typus der Buschenschank im betreffenden Bundesland entsprechen und in landesrechtlichen Buschenschankvorschriften festgehalten sind.
Der angeführten Rechtsentwicklung ist für die dem Landesgesetzgeber zustehende Regelung des Buschenschankwesens zu entnehmen, dass in Abgrenzung zur Gastgewerbeberechtigung dem Buschenschankwesen von jeher Grenzen gesetzt waren.
Abweisung der Anträge auf Aufhebung des Wortes "kalten" und der Wortfolge "mit Ausnahme von Süßwaren" im zweiten Satz und des dritten Satzes des §11 Nö BuschenschankG, LGBl 7045-2.
Wenn neben dem den eigentlichen Buschenschank betreffenden Ausschank von Wein und anderen Getränken durch Besitzer von Wein- und Obstgärten "aus eigener Fechsung" (§1 Nö BuschenschankG) vom Gesetzgeber in §11 leg cit die Verabreichung bestimmter Speisen gestattet wird, so stellt dies eine verfassungs-(kompetenz-)rechtlich zulässige Einräumung einer Nebenbefugnis zur Ausübung des Buschenschankes dar, die jedoch in Anbetracht des mit dem Buschenschankwesen verbundenen Herkommens zu begrenzen ist.
Angesichts des auch verfassungs-(kompetenz-)rechtlich fundierten Gewerberechtsvorbehaltes für die Verabreichung warmer Speisen (vgl nunmehr §2 Abs9 letzter Satz GewO 1994) ist es von vornherein nicht nur gerechtfertigt, sondern vielmehr geboten, warme Speisen von den zulässigerweise bei Ausübung der Buschenschank zu verabreichenden Speisen auszuschließen. Desgleichen ist dem Landesgesetzgeber unter dem Aspekt der sachlichen Rechtfertigung nicht entgegenzutreten, wenn er - gestützt auf das Herkommen - lediglich einzelne, für bäuerliche Betriebe typische Mehlspeisen zur Verabreichung in Buschenschanken zulässt.
Mag auch das Verbot der Verabreichung warmer Speisen sowie anderer als der ausdrücklich in §11 dritter Satz aufgezählten Mehlspeisen sowohl in die Privatautonomie als auch in das Grundrecht auf Erwerbsausübungsfreiheit eingreifen, so liegt gleichwohl kein unverhältnismäßiger Eingriff vor, der das Verbot verfassungswidrig machen würde. Darüber hinaus kann von einer besonderen Schwere des gesetzlichen Eingriffs schon deswegen keine Rede sein, weil durch zusätzlichen Erwerb einer entsprechenden Gastgewerbeberechtigung (etwa für ein "Heurigenbuffet", vgl VwSlg 6052 A/1963) auch die Berechtigung zur Verabreichung beliebiger warmer und kalter Speisen einschließlich der Süßspeisen erlangt werden kann.
Da jeder, auch ausländische Besitzer von Wein- und Obstgärten gemäß §1 Nö BuschenschankG zur Ausübung des Buschenschankes berechtigt ist, sind die gemeinschaftsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das Niederlassungsrecht gemäß Art43 EG unbegründet; damit liegt auch in weiterer Folge die von den Antragstellern befürchtete Inländerdiskriminierung nicht vor.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Buschenschank, Erwerbsausübungsfreiheit, EU-Recht, Gewerberecht, Gewerbeberechtigung, Gastgewerbe, Kompetenz Bund - Länder, Versteinerungstheorie, Kompetenz Bund - Länder Gewerbe und Industrie, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:G9.2002Dokumentnummer
JFR_09968996_02G00009_01