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16 MedienrechtNorm
B-VG Art137 / ord RechtswegLeitsatz
Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über einen aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleiteten Staatshaftungsanspruch wegen fehlgeschlagener Investitionen zur Errichtung eines Privatfernsehsenders infolge Untätigkeit des Gesetzgebers; hingegen Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über den durch die Nichterteilung einer Fernsehlizenz durch die Rundfunkbehörde entstandenen Schaden; keine materielle Berechtigung der Klage mangels hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht iSd Rechtsprechung des EuGH; Zulässigkeit eines Fernsehmonopols aus im öffentlichen Interesse liegenden Gründen nichtwirtschaftlicher Art; keine diskriminatorische Ausgestaltung dieses Monopols, keine Verletzung der Fernseh-RichtlinieRechtssatz
Durchsetzung gemäß nationalem Haftungsrecht, das Staatshaftungsansprüche nicht ungünstiger behandeln darf als nationales Recht betreffende Klagen, und die Erlangung einer Entschädigung nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren darf (siehe dazu die in der Entscheidung zitierte Rechtsprechung des EuGH). Keine ausdrückliche Regelung im österreichischen Recht.
Zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über Staatshaftungsansprüche und zu deren Rechtsnatur (keine privatrechtlichen Ansprüche) siehe auch E v 10.10.03, A36/00.
Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ist in diesen Fällen allerdings auch dann gegeben, wenn der Schadenersatzanspruch nicht auf einem privatrechtlichen Titel beruht.
Allerdings kommt hier dem Verfassungsgerichtshof eine Zuständigkeit zu, wenn der Akt, der die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung auslöst, unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen ist (siehe hiezu VfSlg 16107/2001).
Der Kläger führt seinen Schaden darauf zurück, daß er im Vertrauen auf die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht Investitionen für ein Projekt getätigt hat, das sich seinen Angaben zufolge durch die Untätigkeit des Gesetzgebers, den Fernsehmarkt auch für andere Programmanbieter als den ORF zu öffnen - eine Haltung, die nach Auffassung des Klägers auch im bereits erwähnten Ministerialentwurf zum "Kabel-Rundfunkgesetz" zum Ausdruck kam - nicht verwirklichen ließ. Diese Untätigkeit ist iS der genannten Entscheidung des Gerichtshofes VfSlg 16107/2001 unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen, denn eine Ermächtigung eines Vollzugsorganes, nach Durchführung eines Lizenzverfahrens eine Fernsehlizenz auszustellen, um der - behaupteten - Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des zum Zeitpunkt des Schadenseintritts bestandenen ORF-Monopols zu begegnen, war zu diesem Zeitpunkt mangels Rechtsgrundlage nicht vorhanden.
Hingegen Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über den durch die Nichterteilung einer Fernsehlizenz durch die Rundfunkbehörde entstandenen Schaden.
Keine materielle Berechtigung der Klage.
Geltung des Rundfunkmonopols in Österreich zur Zeit des Schadenseintrittes (siehe ArtI Abs2 BVG-Rundfunk).
Kein Verstoß gegen den freien Dienstleistungsverkehr.
Es besteht kein Zweifel, daß das den ORF als einziges Rundfunkunternehmen einrichtende RundfunkG im öffentlichen Interesse liegende Gründe nichtwirtschaftlicher Art verfolgte. Gemäß §2 RundfunkG soll vor allem die Berichterstattung objektiv und unparteiisch sein, berücksichtigt werden muß besonders die Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen, auszuwägen sind vornehmlich die vom ORF selbst verantworteten Programme.
Auch war das österreichische Fernsehmonopol (zumindest für den hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt) nicht diskriminatorisch ausgestaltet, weil der ORF bereits im Wege der Rundfunkgesetz-Novelle 1993 (§2b, §2c RundfunkG) durch Übernahme des Art4 Abs1 und Abs2 und des Art5 der Richtlinie des Rates vom 03.10.89 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (89/552/EWG), ABl Nr L 298, S 23 (im folgenden: Fernseh-Richtlinie) verpflichtet wurde, "im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln dafür Sorge zu tragen, daß er den Hauptanteil seiner Sendezeit, der nicht aus Nachrichten, Sportberichten, Spielshows oder Werbe- und Textleistungen besteht, der Sendung von europäischen Werken vorzubehalten" hat.
Aus einer Norm der Europäischen Menschenrechtskonvention (zB Art10 EMRK) ist ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch als solcher nicht unmittelbar abzuleiten.
Die Fernseh-Richtlinie (in der hier maßgeblichen Stammfassung) regelt neben der Harmonisierung der Pflichten von Fernsehunternehmen nur das notwendige Mindestmaß, um den freien Sendeverkehr von Fernsehprogrammen zu verwirklichen. Sie läßt jedoch - so ausdrücklich die 13. Erwägung ihrer Begründung - insbesondere "die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten und ihrer Untergliederung für die Organisation - einschließlich der gesetzlichen oder behördlichen Zulassungen oder der Besteuerung - und die Finanzierung der Sendungen sowie die Programminhalte" unberührt.
Das Erfordernis einer (hinreichend qualifizierten) Gemeinschaftsrechtswidrigkeit liegt daher nicht vor.
Schlagworte
Amtshaftung, EU-Recht, Meinungsäußerungsfreiheit, Rundfunk, Kabelrundfunk, Privatfernsehen, VfGH / Klagen, VfGH / Zuständigkeit, Zivilrecht, Schadenersatz, EU-Recht RichtlinieEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:A11.2001Dokumentnummer
JFR_09968993_01A00011_2_01