RS Vfgh 2003/10/10 G212/02

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 10.10.2003
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z8
B-VG Art140 Abs1 / Allg
BVG Umweltschutz
GewO 1994 §77a Abs1 Z2
Richtlinie des Rates 96/61/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IPPC-Richtlinie)

Leitsatz

Zulässigkeit eines Drittelantrags von Nationalratsabgeordneten auf Aufhebung einer Bestimmung der Gewerbeordnung 1994; Kompetenzwidrigkeit des Gebotes der effizienten Verwendung von Energie für bestimmte Betriebsanlagen auch angesichts der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung

Rechtssatz

Zulässigkeit eines so genannten "Drittelantrags" von Abgeordneten, eingebracht von mehr als einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates, auf Aufhebung des §77a Abs1 Z2 GewO 1994 trotz zwischenzeitig stattgefundener Nationalratswahlen.

Die Prüfung der Legitimation in einem derartigen Verfahren sui generis hat sich auf den Zeitpunkt der Antragstellung zu beziehen (vgl VfSlg 8644/1979).

Aufhebung des §77a Abs1 Z2 GewO 1994 idF BGBl I 88/2000.

Im Lichte des Erkenntnisses VfSlg 10831/1986 ist die durch §77a Abs1 Z2 GewO 1994 idF BGBl I 88/2000 geschaffene Verpflichtung, bestimmte gewerbliche Betriebsanlagen nur dann zu genehmigen, wenn dadurch gleichzeitig sichergestellt wird, dass bei der Errichtung, dem Betrieb und der Auflassung der Betriebsanlagen "Energie effizient verwendet wird", verfassungswidrig, weil weder der Kompetenztatbestand des Art10 Abs1 Z8 B-VG "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" noch ein anderer Kompetenztatbestand den Bundesgesetzgeber ermächtigt, eine entsprechende Verpflichtung zu erlassen.

Dem BVG über den umfassenden Umweltschutz, BGBl 491/1984, ist keine die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern ändernde rechtliche Wirkung beizumessen.

Das Gebot eines effizienten Energieeinsatzes bei den in der Anlage 3 zur GewO 1994 aufgelisteten Betriebsanlagen wurde vom Gesetzgeber nicht als Maßnahme vorsorgenden Umweltschutzes verstanden.

Das Gebot ist verfassungsrechtlich nicht der gewerbepolizeilichen Gefahrenabwehr, sondern dem rechtspolitischen Anliegen einer Beschränkung des Energieeinsatzes zuzuordnen, die über eine spezifisch gewerbepolizeiliche Ordnungs- und Sicherungsfunktion eindeutig hinausgeht.

Keine Änderung infolge gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie des Rates 96/61/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IPPC-Richtlinie).

Doppelte Bindung des Gesetzgebers bei der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht.

Welcher Gesetzgeber zuständig ist, eine Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, bestimmt sich ausschließlich auf Grund der nationalen Verfassungsrechtsordnung.

Die Annahme, dass ein allenfalls bestehendes gemeinschaftsrechtliches Gebot zu einem einheitlichen Verfahren Kompetenzvorschriften kraft Anwendungsvorrangs verdrängen könnte, würde das System der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung grundlegend verkennen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

EU-Recht Richtlinie, Gewerberecht, Betriebsanlagen, Kompetenz Bund - Länder Gewerbe und Industrie, Umweltschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G212.2002

Dokumentnummer

JFR_09968990_02G00212_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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