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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art144 Abs1 / BescheidLeitsatz
Bescheidqualität eines Schreibens der Österreichischen Botschaft in Kiew betreffend Nichterteilung von Einreisevisa wegen Unwahrscheinlichkeit einer Asylgewährung; Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander infolge grober Missachtung der Verfahrensvorschriften für österreichische Vertretungsbehörden im AuslandRechtssatz
Wenngleich das AsylG keine ausdrückliche Anordnung trifft, ist davon auszugehen, dass auch für die Erteilung eines Einreisevisums gem. §16 AsylG 1997 die vom AVG abweichenden Bestimmungen über das Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden nach §93 FremdenG 1997 zur Anwendung kommen.
Der Antrag der Beschwerdeführerinnen auf Asylerstreckung und Erteilung von Einreisevisa wurde an das Bundesasylamt weitergeleitet; nach dessen Mitteilung der Unwahrscheinlichkeit einer Asylgewährung tat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Schreiben gegenüber den Beschwerdeführerinnen unter Hinweis auf diese Mitteilung dar, dass die Einreisevisa nicht erteilt werden könnten. Damit hat die belangte Behörde diese Verwaltungssache - in einer für die Beschwerdeführerinnen negativen Weise - abgeschlossen. Das von der belangten Behörde als bloßes Informationsschreiben bezeichnete Schreiben ist daher als Bescheid zu werten. Der Bescheid wurde - entgegen §93 Abs3 letzter Satz FremdenG 1997 - im Wege elektronischer Datenverarbeitung zugestellt. Dennoch ist die Zustellung wirksam geworden (vgl VwSlg 13760 A/1992).
Der Instanzenzug gem. §94 Abs2 FremdenG 1997 ist erschöpft.
Keine Bedenken gegen §16 Abs3 AsylG 1997 und §93 Abs2 FremdenG 1997.
In einem Verfahren nach §16 AsylG 1997 wird bloß über die Erteilung eines Visums, nicht aber über den Asylerstreckungsantrag abgesprochen. Der Stellung eines neuen Asylerstreckungsantrages direkt bei der Asylbehörde (postalisch oder durch einen Vertreter im Inland) steht die Erledigung, der keine res iudicata-Wirkung zukommt, ebensowenig entgegen, wie der Umstand, dass die Beschwerdeführerinnen sich im Ausland befinden.
Das Erfordernis des Aufenthaltes im Inland (§2 AsylG 1997) kann sich schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht auf die im Ausland befindlichen Angehörigen eines Asylberechtigten beziehen, da diese bei Abweisung eines Antrages nach §16 AsylG 1997 nie in die Lage kämen, dass über ihren Asylerstreckungsantrag nicht bloß nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen, sondern in einem rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren, in dem sie alle Argumente, auch jene, die sie aus Art8 EMRK ableiten, vortragen können, in rechtsstaatlich einwandfreier Weise entschieden wird.
Hinsichtlich §93 Abs2 FremdenG 1997 Verweis auf VfSlg 13723/1994 zur gleichlautenden Vorgängerbestimmmung des §69 Abs2 FremdenG idF BGBl 838/1992.
§93 FremdenG 1997 sieht für österreichische Vertretungsbehörden im Ausland besondere Verfahrensvorschriften vor. Nur dann, wenn wenigstens diese Minimalanforderungen eingehalten werden, entspricht das Verfahren den Voraussetzungen, die die Bundesverfassung aus rechtsstaatlicher Sicht postuliert (vgl VfSlg 13723/1994).
Im vorliegenden Fall hat die Behörde die Verfahrensvorschriften schon allein deshalb grob missachtet, weil sie nicht einmal die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen angegeben und somit den rechtsstaatlichen Mindeststandard verletzt hat.
Schlagworte
Asylrecht, Auslegung verfassungskonforme, Bescheidbegriff, Bescheidbegründung, Fremdenrecht, Privat- und Familienleben, Rechtsstaatsprinzip, Verwaltungsverfahren, ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B1701.2002Dokumentnummer
JFR_09968876_02B01701_01