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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art121 Abs4Leitsatz
Feststellung der Befugnis des Rechnungshofes zur Einsichtnahme in Unterlagen betreffend Bezüge und Ruhebezüge im Bereich des ORF, der Wirtschaftskammer Steiermark und des Landes Niederösterreich zum Zweck der allgemeinen Gebarungsprüfung; keine Befugnis zur Einsichtnahme in sämtliche Unterlagen zum Zweck der namentlichen Einkommensberichterstattung gemäß dem BVG-Bezügebegrenzung 1997; Veröffentlichung der Bezüge unter Namensnennung nicht notwendig und angemessen im Sinne der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im Vorabentscheidungsverfahren; Vorrang der unmittelbar anzuwendenden Datenschutz-RichtlinieRechtssatz
Zulässigkeit des Antrags des Rechnungshofes auf Feststellung der Befugnis zur Einsichtnahme in sämtliche Unterlagen des ORF betreffend Bezüge und Ruhebezüge zum Zwecke der namentlichen Einkommensberichterstattung gemäß §8 Abs1 bis Abs3 BVG-Bezügebegrenzung 1997 (Verweis auf die Ausführungen im Vorlagebeschluss VfSlg 16050/2000:
Es besteht kein Anlass, §36a VfGG in dem Sinne als abschließend zu verstehen, daß er die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofs ausschließt, auch über andere Meinungsverschiedenheiten iSd Art126a B-VG zu entscheiden. Bei einem solchen Verständnis wäre die Bestimmung nämlich verfassungswidrig und im Zweifel darf nach den Grundsätzen der verfassungskonformen Interpretation einer gesetzlichen Regelung ein verfassungswidriger Inhalt nicht unterstellt werden. Da §36a VfGG auf Meinungsverschiedenheiten über die Zuständigkeit des Rechnungshofs zur Einschau nach §8 BVG-Bezügebegrenzung 1997 nicht anzuwenden ist, was sich nicht nur aus dem Wortlaut sondern auch aus einer systematischen Interpretation ergibt, ist die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs zur Entscheidung der hier aufgeworfenen Meinungsverschiedenheiten unmittelbar aus Art126a B-VG abzuleiten).
(ebenso KR2/00 betr die Wirtschaftskammer Steiermark und KR4/00 betr das Land Niederösterreich, beide E v 28.11.03).
Zulässigkeit des Antrags auch, soweit er sich auf die Befugnis des Rechnungshofes zur Gebarungsprüfung des ORF bezieht.
Es ist zwar richtig, dass der ORF mehrere Male die Befugnis des Rechnungshofes gemäß §31a RundfunkG (im Gebarungsprüfungszeitraum galt diese Bestimmung des nunmehrigen ORF-G noch als Bestimmung des RundfunkG) zur Gebarungsprüfung und seine damit einhergehende Offenlegungsverpflichtung auch der Gehaltskonten zugestanden hat; dies ändert aber nichts daran, dass dem Rechnungshof die Einschau in Teile der für die Gebarungsprüfung angeforderten (bestimmte Bezüge betreffende) Unterlagen tatsächlich nicht gewährt wurde, mit den Worten des Gesetzes: der ORF die Gebarungsüberprüfung - wenngleich nur in einem eng begrenzten Ausmaß - tatsächlich nicht zugelassen hat.
(KR2/00: Zulässigkeit des Antrags auf Feststellung der Befugnis des Rechnungshofes zur Gebarungsprüfung der Wirtschaftskammer Steiermark gemäß Art127b Abs1 und Abs3 B-VG).
Gemäß §8 BVG-Bezügebegrenzung 1997 sind in den "Einkommensbericht" des Rechnungshofes "alle Personen aufzunehmen", deren jährliche Bezüge ein bestimmtes Ausmaß überschreiten; dies ist als Verpflichtung zu verstehen, die Namen und diesen zugeordnet die Höhe der Jahreseinkommen der betroffenen Personen aufzunehmen.
Eine bloße Auflistung von Bezügen ohne jede Zuordnung von Bezügeempfängern hätte nicht den beabsichtigten Informationswert, und anzunehmen, das Gesetz verlange eine aggregierte und anonymisierte Darstellung, wäre nicht nur mit dem Wortlaut schwer vereinbar, sondern könnte den intendierten Zweck auch deshalb nicht erreichen, weil ein Bericht, der sich auf die Bekanntgabe derartiger Informationen beschränkt, weder für die Parlamente noch für die Öffentlichkeit einen Informationswert hätte, der über den Informationswert des vom Rechnungshof gemäß Art121 Abs4 B-VG zu erstattenden Berichtes über die durchschnittlichen Einkommen der der Rechnungshofkontrolle unterliegenden Unternehmungen und Einrichtungen hinausginge.
Feststellung der Befugnis des Rechnungshofes zur Einsichtnahme in sämtliche Unterlagen des Österreichischen Rundfunks betreffend die von ihm in den Jahren 1998 und 1999 ausbezahlten Bezüge und Ruhebezüge zum Zweck der allgemeinen Gebarungsprüfung.
Der ORF war nicht befugt, auch die Einsicht zu Zwecken der allgemeinen Gebarungsprüfung zu behindern oder von Bedingungen abhängig zu machen.
Der Rechnungshof hat bei seiner Berichterstattung regelmäßig eine Interessenabwägung zwischen privaten Geheimhaltungsinteressen und dem öffentlichen Interesse der Bekanntgabe der Kontrollergebnisse vorzunehmen.
Eine Angabe von Bezügen einzelner Personen unter deren Namensnennung im Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes an den Nationalrat ist durch Art8 EMRK und auch durch §1 DSG jedenfalls ausgeschlossen.
Der ORF hat, indem er zwar Einsicht in die Gehaltskonten des Generalintendanten, der Intendanten und der Direktoren zuließ, in andere Gehaltskonten aber gänzlich, also auch für Zwecke der allgemeinen Gebarungsprüfung verweigerte, die Gebarungsprüfung in unzulässiger Weise behindert. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er befürchten musste, der Rechnungshof würde im Zuge der Gebarungsprüfung gewonnene Informationen - in unzulässiger Weise - für einen Einkommensbericht im Sinne des §8 Abs3 BVG-Bezügebegrenzung 1997 verwenden.
Da es sich bei dem der Gebarungsprüfung durch den Rechnungshof unterliegenden ORF um einen Rechtsträger handelt, der keine Gebietskörperschaft ist, war gemäß §36d VfGG auszusprechen, dass der ORF schuldig ist, die Überprüfung seiner Gebarung durch den Rechnungshof bei sonstiger Exekution zu ermöglichen.
(ebenso KR2/00, E v 28.11.03, betr die Wirtschaftskammer Steiermark).
Keine Befugnis des Rechnungshofes zur Einsichtnahme in sämtliche Unterlagen des Österreichischen Rundfunks betreffend die von ihm in den Jahren 1998 und 1999 ausbezahlten Bezüge und Ruhebezüge zum Zweck der namentlichen Einkommensberichterstattung gemäß §8 Abs1 bis Abs3 BVG-Bezügebegrenzung 1997.
Es ist unbestritten, dass die Kenntnis der Kostenstruktur eines Unternehmens nicht nur für die Führung des Unternehmens, sondern auch für die Wahrnehmung der Kontrollaufgaben im Unternehmen von entscheidender Bedeutung ist und dass es dabei wichtig ist, auch die Personalkosten in differenzierter Weise zu kennen, was in manchen Konstellationen auch die Kenntnis der Kosten impliziert, die für die Wahrnehmung ganz bestimmter Funktionen durch einzelne Personen entstehen. Diesem Ziel wird durch die Berichterstattung des Rechnungshofes im Rahmen der allgemeinen Gebarungsprüfung, die in detaillierter Weise an die Aufsichtsorgane der geprüften Unternehmungen und die zuständigen Bundesminister zu erfolgen hat (§11 Abs5 RechnungshofG 1948), entsprochen sowie weiters durch die regelmäßige Berichterstattung an den Nationalrat gemäß Art126d B-VG, in der den Anforderungen zur Wahrung des Datenschutzes (Art8 EMRK, §1 DSG) und der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse (§12 Abs5 RechnungshofG 1948) zu entsprechen ist.
Die darüber hinaus vorgesehene Veröffentlichung der Bezüge unter Namensnennung stellt einen Eingriff erheblichen Gewichts in das durch Art8 EMRK geschützte Rechtsgut der Bezügeempfänger dar. Dass ein solcher Eingriff notwendig und angemessen sein soll, um jene Institutionen, die die Bezüge gewähren, zur sparsamen und effizienten Verwendung öffentlicher Mittel anzuhalten, in concreto: "die Bezüge in angemessenen Grenzen zu halten", wie dies der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 20.05.03, Rs C-465/00 ua, (Vorabentscheidung hinsichtlich der vorliegenden Verfahren) formuliert, ist nicht erkennbar, da nicht die allenfalls überhöhte Bezüge gewährenden Rechtsträger aufgelistet werden sollen, sondern die Bezügeempfänger, deren Bezüge überdies in unterschiedlichem Ausmaß von deren familiärer und persönlicher Situation abhängig sein können.
Die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen der Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG stehen der Anwendung jener Bestimmungen des §8 BVG-Bezügebegrenzung 1997 entgegen, die eine namentliche Offenlegung der Bezüge und der Beschaffung von Daten zu diesem Zweck ermöglichen. Diesen Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts hat auch der Verfassungsgerichtshof wahrzunehmen, weshalb das Begehren des Rechnungshofes, soweit es darauf gerichtet ist, eine Einschau zum Zweck der namentlichen Einkommensberichterstattung gemäß §8 Abs1 bis Abs3 BVG-Bezügebegrenzung 1997 zu erreichen, mangels (anwendbarer) gesetzlicher Grundlage abzuweisen war.
(ebenso KR2/00 betr die Wirtschaftskammer Steiermark und KR4/00 betr das Land Niederösterreich, beide E v 28.11.03; siehe weiters E v 11.06.04, KR3/00, unter Verweis auf KR1/00 betr die Einschau in (Ruhe-)Bezüge betreffende Unterlagen der Gemeinde Kaltenleutgeben und E v 21.06.04, KR2/02 betr die Gemeinde Schwechat; weiters B v 11.06.04, KR5/00 ua, und B v 08.06.04, KR7/00 ua, mit denen die Verfahren betr die Österreichische Nationalbank, weitere Gemeinden und die Österreichische Postsparkasse AG auf Feststellung der Zuständigkeit des Rechnungshofes nach Zurücknahme der Anträge eingestellt wurden).
Kostenzuspruch gemäß §36f Abs2 VfGG.
Der Pauschalsatz war dabei ungeachtet des Umstandes, dass der ORF nur zum Teil erfolgreich war, zur Gänze zuzusprechen, weil die Verweigerung der Einsicht in die Konten durch den ORF auch für Zwecke der Gebarungsprüfung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war. Mit dem Pauschalsatz sind auch die Kosten eines allfälligen Zwischenverfahrens, wie etwa eines amtswegig eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens, abgegolten (vgl VfSlg 16305/2001). Gleiches gilt für ein Zwischenverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Auslegung verfassungskonforme, Bezüge, Datenschutz, EU-Recht Richtlinie, EU-Recht Vorabentscheidung, Privat- und Familienleben, Rechnungshof, VfGH / Kosten, VfGH / RechnungshofzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:KR1.2000Dokumentnummer
JFR_09968872_00KR0001_2_01