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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Gleichheitsbedenken gegen die durch das Budgetbegleitgesetz 2001 getroffene Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung versicherungstechnischer Rückstellungen bei der Körperschaftsteuer unter Verweis auf die versicherungsrechtlichen Grundlagen der Bildung von Rückstellungen; zulässige Durchschnittsbetrachtung, leicht handhabbare pauschalierende Regelungen im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum; keine Bedenken gegen die ÜbergangsbestimmungRechtssatz
Keine Gleichheitsbedenken gegen die Regelung der steuerlichen Berücksichtigung versicherungstechnischer Rückstellungen in §15 KStG 1988 idF BudgetbegleitG 2001, BGBl I 142/2000.
Ausnahme von diesem Grundkonzept in §15 Abs2 KStG 1988 insofern, als er gesonderte Anforderungen an die steuerliche Anerkennung der Schwankungsrückstellung normiert und insbesondere vorsieht, daß Änderungen dieser Rückstellung nur zur Hälfte steuerwirksam werden. Damit ist vor allem der Effekt verbunden, daß Zuführungen zu dieser Rückstellung nur zur Hälfte abzugsfähig sind.
Die Schwankungsrückstellung dient nach §81m VersicherungsaufsichtsG dem Ausgleich der Schwankungen des jährlichen Schadenbedarfs im Eigenbehalt. Die Schwankungsrückstellung stellt eine Art Prämienübertrag für jenen Teil der Prämie dar, der zur Deckung von nicht regelmäßig anfallenden Großschäden vorgesehen ist.
Der Gerichtshof bezweifelt nicht, daß die Dotierung einer Schwankungsrückstellung ein geeignetes bilanzpolitisches Instrument ist, um die mögliche (Vor)Belastung der Prämieneinnahmen mit wahrscheinlichen, aber noch nicht abschätzbaren künftigen Schäden zu berücksichtigen und auf diese Weise einer verfrühten Gewinnrealisierung und damit einer Gefährdung des Versicherungsunternehmens vorzubeugen. Es ist daher dem Gesetzgeber gewiß unbenommen, die Bildung derartiger Schwankungsrückstellungen im Bilanzrecht der Versicherungsunternehmen verpflichtend vorzuschreiben. Es kann aber andererseits nicht übersehen werden, daß es sich dabei um die Berücksichtigung von Risiken handelt, die sich - wenn überhaupt - erst in künftigen Perioden konkretisieren bzw. die generell mit der unternehmerischen Tätigkeit verbunden sind (allgemeines Unternehmensrisiko). Die Schwankungsrückstellung berücksichtigt somit Risiken, für die nach allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen die Bildung einer Rückstellung (in diesem Umfang) nicht in Betracht kommt.
Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Steuergesetzgebers (dem es von Verfassungs wegen nicht verwehrt ist, für die Steuerbilanz von der Handelsbilanz abweichende Regelungen zu treffen: vgl etwa VfSlg 15040/1997 mwN), Schwankungsrückstellungen zum Teil als Eigenkapitalpositionen anzusehen und Zuweisungen zu ihnen nur in einem bestimmten Ausmaß (nämlich zur Hälfte) als steuerlich wirksam anzuerkennen.
Keine Bedenken gegen die dem §9 Abs5 EStG 1988 nachgebildete Regelung des §15 Abs3 KStG 1988.
Es steht dem Steuergesetzgeber - auch bei prinzipieller Anknüpfung der steuerlichen Gewinnermittlung an die Handelsbilanz - frei, für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung in pauschaler Weise einen Zinsvorteil aus der zeitlich vorgezogenen steuerlichen Berücksichtigung künftiger Aufwendungen in Anschlag zu bringen, indem er die Dotierung einer Rückstellung pauschal nur im Ausmaß von 80 vH als gewinnwirksam anerkennt, zumal damit die Berücksichtigung der verbleibenden 20 vH nicht endgültig verhindert, sondern lediglich - sofern die späteren tatsächlichen Ausgaben mit dem geschätzten Rückstellungsbetrag übereinstimmen - in das Jahr der Ausgabe verschoben wird.
Der Steuergesetzgeber ist aus der Sicht des Gleichheitssatzes auch nicht gehalten, ja möglicherweise gar nicht berechtigt, bei der steuerlichen Beurteilung der Passivposten von Versicherungsunternehmen die für andere Unternehmen geltenden Regelungen in jedem Punkt unverändert zu übernehmen.
Selbst wenn diese Rückstellungen nämlich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise teilweise Verbindlichkeitscharakter aufwiesen, dürfte der Gesetzgeber auf der anderen Seite berücksichtigen, daß diese Rückstellungen auch Aufwandspositionen umfassen, die nach allgemeinen Bilanzierungsregeln schwerlich im Wege von Rückstellungen berücksichtigt werden könnten.
Daß der Gesetzgeber Rückstellungen mit kurzer Laufzeit (zwölf Monate) von der Kürzung ausnimmt, trägt offensichtlich dem Umstand Rechnung, daß bei "kurzfristigen" Rückstellungen der in den Materialien erwähnte Steuer- und Zinseffekt keine oder nur eine geringe Rolle spielt. Es erweckt aber auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber nun bei den Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle den Anteil dieser "kurzfristigen" Rückstellungen mit 30 vH des Gesamtbestandes schätzt.
Der Gesetzgeber ist aber angesichts seiner Berechtigung, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen, auch nicht verpflichtet, bei der Schätzung des kurzfristigen Teiles der Rückstellung nach Versicherungszweigen zu differenzieren.
Keine Bedenken gegen die zu einer Saldierung von Rückstellungskürzungen iSd §15 Abs2 und Abs3 KStG 1988 führende Übergangsbestimmung des §26a Abs12 KStG 1988.
§26a KStG 1988 will offenbar vermeiden, daß Auflösungsgewinne, die sich aus der Anwendung der neuen Regelungen ergeben, zusammengeballt im ersten Jahr nach der Umstellung nachzuversteuern sind, und läßt daher eine Verteilung dieser Gewinne auf 5 Jahre zu. Dieser Auflösungsgewinn wird bei Geschäftsausweitung und damit einhergehender Ausweitung des Rückstellungsbestandes notwendigerweise geringer bzw. wird möglicherweise bei stark steigendem Rückstellungsbedarf kompensiert. Dem Gesetzgeber könnte aber von Verfassungs wegen nicht entgegengetreten werden, wenn er in einer solchen Situation eine Verteilungsnotwendigkeit nur für den saldiert verbleibenden Auflösungsgewinn sieht.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Einkommensteuer, Rückstellungen, Übergangsbestimmung, Körperschaftsteuer, Versicherungsrecht, Rechtspolitik, VerwaltungsökonomieEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B766.2003Dokumentnummer
JFR_09968871_03B00766_01