RS Vfgh 2003/12/11 G28/00 ua

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Veröffentlicht am 11.12.2003
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Index

20 Privatrecht allgemein
20/05 Wohn- und Mietrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EStG 1988 §28 Abs2, Abs3
MietrechtsG §20 Abs1 Z2 litf idF Wohnrechtsnovelle 1997, BGBl I 22/1997
MietrechtsG §18
MietrechtsG §18a Abs1, Abs2
MietrechtsG §19 Abs3
MietrechtsG §49b Abs6 idF AbgÄG 1998, BGBl I 28/1999

Leitsatz

Verstoß einer Bestimmung des Mietrechtsgesetzes betreffend eine durch die Wohnrechtsnovelle 1997 eingeführte Abzugspost bei Errechnung der Hauptmietzinsreserve gegen den Gleichheitssatz infolge der dadurch bewirkten unterschiedlichen Behandlung von Mietern bei einer vorläufigen bzw endgültigen Erhöhung des Mietzinses wegen Durchführung von Erhaltungsarbeiten; Sanierung der steuerrechtlichen Rechtslage nicht notwendig; Aufhebung auch der Übergangsbestimmung betreffend die Anordnung einer modifizierten Anwendung der gleichheitswidrigen Bestimmung

Rechtssatz

Zulässigkeit der Anträge von Landesgerichten auf Aufhebung des §20 Abs1 Z2 litf (und §49b Abs6) MietrechtsG.

Den den Anträgen zugrundeliegenden Verfahren gingen Verfahren über eine vorläufige Erhöhung des Hauptmietzinses nach §18a Abs2 MietrechtsG voraus. Wenn das antragstellende Gericht der Sache nach davon ausgeht, daß §19 Abs3 MietrechtsG der Anwendung der angefochtenen Bestimmungen nicht entgegensteht, so ist dies jedenfalls nicht denkunmöglich.

Zurückweisung der zu G123/02 und zu G148/02 gestellten Anträge insoweit, als sie sich gegen den zweiten Satz in §49b Abs6 MietrechtsG richten.

Das antragstellende Gericht führt aus, daß die angefochtene Übergangsregelung des §49b Abs6 MietrechtsG im Gegenstand nicht zum Tragen komme, da die Antragsteller für 1996 bis 1999 keine "Steuerabgeltung" berechnet hätten. Es ist daher nicht denkmöglich, daß das anfechtende Gericht §49b Abs6 zweiter Satz MietrechtsG anzuwenden hat.

Aufhebung des §20 Abs1 Z2 litf MietrechtsG idF der Wohnrechtsnovelle 1997, BGBl I 22/1997.

Im Verfahren nach §18a Abs2 MietrechtsG kommt es zu einer vorläufigen Erhöhung des Hauptmietzinses, ohne daß dem sofort entsprechende Ausgaben für Erhaltungsarbeiten gegenüberstünden, die aus den (erhöhten) Hauptmietzinsen finanziert würden. Solange keine derartigen Ausgaben anfallen, fließen die (bereits erhöhten) Mietzinseinnahmen der Mietzinsreserve des laufenden Jahres zu, können aber im Ausmaß von 40 % nicht für die Erhaltungsarbeiten herangezogen werden, für welche sie gedacht sind, weil die Mietzinsreserve insoweit um die Abzugspost des §20 Abs1 Z2 litf MietrechtsG gekürzt wird. Diese Kürzung betrifft auch jenen Teil des Überschusses (der Einnahmen über die Ausgaben), der auf die Erhöhung entfällt.

Die Kürzung bewirkt, daß der Deckungsfonds für die Erhaltungsarbeiten, zu deren Finanzierung die Erhöhung bewilligt worden ist, geringer ausfällt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, in der endgültigen Entscheidung, mit der das Verfahren jedenfalls abzuschließen ist, den Mietzins stärker anzuheben. Diese zusätzliche Erhöhung wird aber bei einer bloßen Grundsatzentscheidung nach §18a Abs1 MietrechtsG oder einer (sofort) endgültigen Erhöhung nach §18 MietrechtsG nicht notwendig.

Diese unterschiedliche Behandlung von Mietern (und Vermietern) in jeweils wirtschaftlich gleichen Situationen ist mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar.

Während die Verzögerung von Ausgaben bei einer Erhöhung nach §18 MietrechtsG rechtswidrig ist, trifft dies im anderen Fall einer vorläufigen Erhöhung nicht zu. Es ist aber nicht zulässig, eine Situation, in welcher der Vermieter rechtmäßigerweise Aufwendungen erst nach einer gewissen Zeit vornimmt, mit einer solchen zu vergleichen, in denen er sie rechtswidrigerweise verzögert.

Der Verfassungsgerichtshof schließt die der Bundesregierung vorschwebende Auslegung des §20 Abs1 Z2 litf MietrechtsG, wonach die vorläufig erhöhten Hauptmietzinse unter §20 Abs1 Z1 lita MietrechtsG fallen und somit in die Mietzinsreserve fließen, bei der Berechnung des 40 %igen Abschlags jedoch außer Ansatz bleiben, aus, weil sie weder mit dem Wortsinn des Gesetzes noch mit der Absicht des historischen Gesetzgebers vereinbar ist.

Der 40 %ige Abschlag des §20 Abs1 Z2 litf MietrechtsG wurde eingeführt, weil am Gesetzgebungsprozeß beteiligte Personen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der steuerrechtlichen Rechtslage hatten. Die Materialien dienen jedoch nur der Ermittlung des Inhalts einer Regelung, sind aber nicht für die Beurteilung ihrer Verfassungsmäßigkeit maßgeblich (VfSlg 7817/1976). Einer verfassungsrechtlichen "Sanierung" der steuerrechtlichen Rechtslage bedurfte es nicht (vgl VfSlg 13296/1992 und die Verteilungsbestimmungen des §28 Abs2 und Abs3 EStG 1988). §20 Abs1 Z2 litf MietrechtsG kann daher auch nicht mit solchen Überlegungen gerechtfertigt werden.

Aufhebung des §49b Abs6 MietrechtsG idF des AbgÄG 1998, BGBl I 28/1999.

Die Übergangsbestimmung des §49b Abs6 MietrechtsG ordnet an, daß der als verfassungswidrig erkannte §20 Abs1 Z2 litf MietrechtsG für bestimmte Verrechnungszeiträume mit bestimmten Modifikationen anzuwenden ist. Die Anordnung, eine gleichheitswidrige Bestimmung anzuwenden, verstößt notwendig ihrerseits gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Entscheidungstexte

  • G 28/00 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 11.12.2003 G 28/00 ua

Schlagworte

Einkommensteuer, Einkunftsarten Vermietung und Verpachtung, Werbungskosten, Übergangsbestimmung, Mietenrecht, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G28.2000

Dokumentnummer

JFR_09968789_00G00028_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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