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72 Wissenschaft, HochschulenNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Teilweise Zurückweisung, teilweise Abweisung, teilweise Stattgabe eines Drittelantrags von Nationalratsabgeordneten auf Aufhebung von Bestimmungen des Universitätsgesetzes 2002; teils zu enger, teils zulässiger Anfechtungsumfang; keine verfassungswidrige Durchbrechung des Organisationsprinzips einer weisungsgebundenen, hierarchischen Verwaltung durch die Regelungen über den Universitätsrat und weitere Organisationsregelungen aufgrund systemimmanenter Weiterentwicklung der im UOG 1993 grundgelegten universitären Organisationsstruktur; Regelung über das formelgebundene Budget sowie Verordnungsermächtigung betreffend näherer Details ausreichend determiniert; Verstoß gegen das verfassungsrechtlich vorgesehene Rechtsschutzsystem hingegen durch die Ermächtigung zum Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages betreffend die Leistungsvereinbarung; kein bescheidmäßiger Abspruch vorgesehenRechtssatz
Teilweise Zulässigkeit eines Drittelantrags von Abgeordneten, eingebracht von mehr als einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates auf Aufhebung von Bestimmungen des UniversitätsG 2002.
Der Antrag wurde auch nicht dadurch unzulässig, dass der Nationalrat nach Einbringung des vorliegenden Antrages seine Auflösung beschlossen hat (BGBl I 2002/154) und mittlerweile - am 24.11.02 - Wahlen zum Nationalrat stattgefunden haben (vgl VfSlg 8644/1979, S 109 ff).
Zu enger Anfechtungsumfang hinsichtlich §51 Abs1 UniversitätsG 2002 (Vollziehung der Studienvorschriften durch die Universitäten im Rahmen der Hoheitsverwaltung).
Die zu §51 Abs1 leg cit geäußerten Bedenken beziehen sich der Sache nach auf sämtliche Bestimmungen des UniversitätsG, die die Vollziehung der Studienvorschriften durch die Universitäten im Rahmen der Hoheitsverwaltung normieren. Folgte man dem Aufhebungsantrag der einschreitenden Abgeordneten, so hätte dies zur Folge, dass die von ihnen behauptete Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung des §51 Abs1 UniversitätsG nicht beseitigt wäre. Im Hinblick darauf, dass ein Normenprüfungsverfahren dazu führen soll, eine festgestellte Rechtswidrigkeit zu beseitigen, erweist sich der Anfechtungsumfang sohin als zu eng, weshalb der Antrag insoweit unzulässig ist.
Zulässigkeit des Antrags hinsichtlich §19 bis §25 UniversitätsG.
Die Bestimmungen des §19 bis §25 UniversitätsG über die Kreation und die Aufgaben der obersten Organe der Universität, also des Universitätsrates, des Rektorates, der Rektorin oder des Rektors und des Senates nehmen in vielfacher Hinsicht derart auf einander Bezug, dass sie insgesamt in einem untrennbaren Zusammenhang zueinander stehen.
Zulässiger Anfechtungsumfang betreffend §12 Abs8 und Abs9 (formelgebundenes Budget) und §13 Abs1, Abs2 und Abs9 UniversitätsG 2002 (Leistungsvereinbarung).
Keine Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über die Organisation der Universitäten im Allgemeinen in §19 bis §25 UniversitätsG 2002.
Weisungsprinzip des Art20 Abs1 B-VG.
Die Übertragung von Hoheitsgewalt an juristische Personen des öffentlichen Rechts darf nur so weit erfolgen, als das Organisationskonzept der Bundesverfassung (hierarchisches System der staatlichen Verwaltung) nicht umgangen wird, das grundsätzlich eine Unterstellung der hoheitlich zu besorgenden Verwaltungstätigkeiten unter die obersten Organe im Sinne des Art19 Abs1 B-VG verlangt, die ihrerseits der parlamentarischen Kontrolle unterliegen und insbesondere den parlamentarischen Organen gegenüber verantwortlich sind.
Die mit der Verfassungsbestimmung des §2 Abs2 UOG 1993 verfolgte Absicht des Bundesverfassungsgesetzgebers bestand einerseits darin, mit Blick auf Art18 B-VG "klarzustellen", dass den Universitäten - ungeachtet der Bindung auch der im autonomen Wirkungsbereich der Universität tätigen universitären Organe an bestehende Gesetze und Verordnungen - ein weiterer Handlungsspielraum eröffnet werden sollte als Art18 B-VG (arg.: "auf Grund der Gesetze") zuließe. Andererseits wurde mit dieser Verfassungsbestimmung aber auch die weisungsfreie (autonome) Besorgung der den Universitäten zukommenden Aufgaben ausdrücklich bundesverfassungsgesetzlich geregelt.
Weitergeltung der Verfassungsbestimmung des §2 Abs2 UOG 1993 gemäß §143 Abs4 UniversitätsG.
In historischer und systematischer Auslegung der Verfassungsbestimmung des §2 Abs2 UOG 1993 ist davon auszugehen, dass der darin verwendete Begriff "Universitäten" in erster Linie die solcherart bezeichneten Einrichtungen im Sinne dieses Bundesgesetzes meint.
Anliegen des UOG 1993 waren die Stärkung und Erweiterung der universitären Autonomie, insbesondere die Überführung bisher als "im übertragenen Wirkungsbereich" wahrgenommener Aufgaben in diese Autonomie, die Einführung moderner Managementmethoden, die Öffnung des bedeutsamen Amtes des Rektors für Personen, die nicht Angehörige der Universität sind, sowie die Etablierung des zur Beratung berufenen Universitätsbeirates zur weiteren verstärkten Einbindung der Universitäten in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft. Dieser normative Zusammenhang ist also für das Verständnis der Verfassungsbestimmung des §2 Abs2 UOG 1993 mit zu bedenken; diese lässt also die Weisungsfreistellung von Universitätsorganen bestimmter Art durch den einfachen Gesetzgeber zu.
Aus diesem Blickwinkel sind die von den antragstellenden Abgeordneten als verfassungswidrig erachteten Regelungen des UniversitätsG über den Universitätsrat im Ergebnis durch die Verfassungsbestimmung des §2 Abs2 UOG 1993 gedeckt.
Kein Abstellen auf die "demokratische Mitbestimmung der Verbandsangehörigen" bei universitärer Selbstverwaltung, Mandat der Universitätsangehörigen zwar nicht für alle, jedoch für die Mehrzahl der Mitglieder des Universitätsrates, Öffnung bestimmter universitärer Funktionen für außerhalb der Universität stehende Personen (siehe §21 UniversitätsG).
Keine verfassungswidrige Weisungsfreistellung. Die Regelungen bewegen sich innerhalb insbesondere des durch die Verfassungsbestimmungen des UOG 1993 vorgegebenen Rahmens, welcher auf die Schaffung einer betriebsähnlichen Organisation für die Universitäten, auf ein Mischsystem aus kollegialer Leitung, Präsidialverfassung, Rektoratsverfassung und Management einerseits und auf ein Mischsystem von Ernennung und Wahl bei der Bestellung der Leitungsorgane andererseits, den Ausbau der universitären Autonomie sowie auf die Verlagerung von Aufgaben vom Bundesministerium auf die Universität abstellt.
Der einfache Gesetzgeber ist nicht daran gehindert, Zuständigkeitsverschiebungen zwischen den verschiedenen weisungsfreien Universitätsorganen vorzunehmen, solange dies den sonstigen verfassungsrechtlichen Vorgaben wie insbesondere dem Sachlichkeitsgebot oder der Wissenschaftsfreiheit iSd Art17 StGG bzw der Kunstfreiheit iSd Art17a StGG entspricht. Dies gilt umso mehr für die Übertragung der Genehmigungszuständigkeit vom Bundesminister (§7 Abs3 UOG 1993) auf den Universitätsrat (§21 Abs1 Z1 UniversitätsG).
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §22 Abs14 [richtig: §21 Abs14] UniversitätsG betreffend die Abberufung der Mitglieder des Universitätsrates durch Bescheid auf Antrag universitärer Organe.
Im Allgemeinen und auch hier verstößt die Normierung der Antragsbedürftigkeit individueller Verwaltungsakte gegen keine Verfassungsbestimmung; dies auch dann nicht, wenn solche Bescheide von obersten Verwaltungsorganen zu erlassen sind.
Keine Verfassungswidrigkeit des §12 Abs8 und Abs9 UniversitätsG 2002 betreffend das formelgebundene Budget und die Festlegung von Indikatoren und der Art der Berechnung durch Verordnung.
Gegen eine gesetzliche Ermächtigung der Bundesministerin bzw. des Bundesministers, in einer Verordnung "qualitäts- und quantitätsbezogene Indikatoren", die "auf die Bereiche Lehre, Forschung oder Entwicklung und Erschließung der Künste sowie gesellschaftliche Zielsetzungen" Bezug nehmen, für die Bemessung des auf die einzelne Universität jeweils entfallenden "formelgebundenen Budgets" festzusetzen, bestehen - anders als die antragstellenden Abgeordneten meinen - aus der Sicht des Art18 B-VG keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist ausreichend, wenn der Gesetzgeber das Handeln des Verordnungsgebers dahingehend vorherbestimmt, dass durch Verordnung qualitäts- und quantitätsbezogene "Indikatoren", also Kriterien, festzulegen sind, die sich ihrerseits auf die gesetzlich genannten Bereiche "Lehre, Forschung oder Entwicklung und Erschließung der Künste sowie gesellschaftliche Zielsetzungen" beziehen.
Verfassungswidrigkeit des §13 Abs1, Abs2 und Abs9 UniversitätsG 2002 betreffend die Leistungsvereinbarung.
Gesetzliche Bestimmungen, die eine Verwaltungsbehörde zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge ermächtigen, sind nur insoweit zulässig, als sie sich mit dem in der Bundesverfassung vorgezeichneten Rechtsschutzsystem vereinbaren lassen (vgl VfSlg 9886/1983). Dies ist aber hier nicht der Fall: Die Bestimmungen des §13 Abs1 und Abs2 UniversitätsG, denen zu Folge insbesondere die dort genannten Angelegenheiten durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen dem Bund und der Universität zu regeln sind, lassen sich nämlich nicht anders deuten, als dass ein bescheidmäßiger Abspruch über eben diese Angelegenheiten ausgeschlossen ist. Wollte man - so wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung - davon ausgehen, dass über den öffentlich-rechtlichen Vertrag hinaus für "Rechtsschutzlücken ... eine Verpflichtung zu einer bescheidmäßigen Absprache durch den zuständigen Bundesminister" bestehe, so würde die gesetzliche Regelung allein wegen der daraus resultierenden gänzlichen Unbestimmtheit der Grenze zwischen einseitiger behördlicher, also bescheidmäßiger, Rechtsetzung einerseits und zweiseitiger Rechtsetzung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag andererseits gegen Art18 B-VG verstoßen.
Schlagworte
Auslegung historische, Auslegung systematische, Determinierungsgebot, Übergangsbestimmung, Hochschulen Organisation, Hochschulen, Kunstfreiheit, Legalitätsprinzip, Oberste Organe der Vollziehung, Rechtsschutz, Rechtsstaatsprinzip, Selbstverwaltung, VfGH / Bedenken, VfGH / Prüfungsumfang, Weisung, WissenschaftsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:G359.2002Dokumentnummer
JFR_09959877_02G00359_01