TE Vfgh Beschluss 2005/10/13 V54/05

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Veröffentlicht am 13.10.2005
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Index

50 Gewerberecht
50/03 Personen- und Güterbeförderung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
TaxitarifV Graz vom 07.03.05
VfGG §57 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Verordnung über die Festsetzung des Tarifs für das Taxigewerbe mangels Darlegung eines unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre der Antragsteller, mangels eindeutiger Bezeichnung der bekämpften Verordnungsstellen sowie mangels Darlegung der Bedenken im Einzelnen

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit ihrem der Sache nach auf Art139 B-VG gestützten Antrag wenden sich die Einschreiter gegen die Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 7. März 2005 über die Festsetzung des Tarifs für das Taxigewerbe im Gebiet der Landeshauptstadt Graz, der Marktgemeinde Feldkirchen bei Graz und der Stadtgemeinde Leoben, kundgemacht in der Grazer Zeitung - Amtsblatt für die Steiermark vom 11. März 2005, Nr. 76.

2.1. Zu ihrer Antragslegitimation sowie zum Anfechtungsgegenstand führen die Antragsteller Folgendes aus:

"1.)

Die Allianz parteiloser Taxiunternehmer ist ein loser Zusammenschluss von Taxiunternehmen, die anlässlich der letzten Handelskammerwahlen die Interessen derjenigen Taxiunternehmen vertreten hat, die keiner der etablierten Parteien angehört.

2.)

Der Antragsteller Ri. P. ist selbständiger Taxiunternehmer, Sprecher der ob angeführten Allianz parteiloser Taxiunternehmer und von der gegenständlichen Verordnung unmittelbar und aktuell betroffen.

3.)

I. T. ist Gesellschafterin der T. OEG und von der gegenständlichen Verordnung unmittelbar und aktuell betroffen.

Ro. P. ist ebenfalls Gesellschafter der T. OEG und von der gegenständlichen Verordnung unmittelbar und aktuell betroffen.

Der Text der gegenständlichen Verordnung lautet wie folgt:

(...)

Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark über die Festsetzung des Tarifs für das Taxigewerbe im Gebiet der Landeshauptstadt Graz, der Marktgemeinde Feldkirchen bei Graz und der Stadtgemeinde Leoben.

Grundtarif

Der Grundtarif beträgt für Tag- und Nachtfahrten € 3,90.

Streckentarif

Der Streckentarif beträgt automatisch geschaltet

a) bei Tagfahrten (zwischen 6.00 und 20.00 Uhr) ausgenommen Sonn- und Feiertage

Kurzstreckentarif 1

(1 - 4.000 m)      je angefangenen 95 m     € 0,10      € 1,05/km

Streckentarif 2

(4.001 - 8.000 m)  je angefangenen 105 m    € 0,10      € 0,95/km

Streckentarif 3

(ab 8.001 m)       je angefangenen 120 m    € 0,10      € 0,83/km

b) bei Nachtfahrten (zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr) und an Sonn- und Feiertagen

Kurzstreckentarif 1

(1 - 4.000 m)      je angefangenen 90 m     € 0,10      € 1,11/km

Streckentarif 2

(4.001 - 8.000 m)  je angefangenen 100 m    € 0,10      € 1,00/km

Streckentarif 3

(ab 8.001 m)       je angefangenen 115 m    € 0,10      € 0,87/km

Warteentgelt

Das Warteentgelt beträgt für jede volle Stunde € 18,00, demnach für je 20 vollendete Sekunden € 0,10.

Auswärtsfahrten

Bei Fahrten, die außerhalb des Gemeindegebietes des Standortes des jeweiligen Unternehmers beginnen und nicht im Gemeindegebiet des Standortes enden, hat der Lenker Anspruch auf Bezahlung von € 1,00 pro Kilometer für die Anfahrt zum Bestellort ab Gemeindegrenze.

Diese Verordnung wurde mit 11.03.2005 kundgemacht und trat mit 12.03.2005 in Kraft."

2.2. In der Sache behaupten die Antragsteller - mit näherer Begründung - vor allem die Fehlerhaftigkeit der Kostenstrukturanalyse, auf die sich die bekämpfte Verordnung stütze, und rügen weiters eine unsachliche Benachteiligung jener Taxiunternehmen, die in Graz, Feldkirchen bei Graz und Leoben tätig sind, gegenüber den übrigen steirischen Taxiunternehmen.

Abschließend wird beantragt, "die gegenständliche Verordnung aufzuheben."

II. Die (angefochtene) Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 7. März 2005 über die Festsetzung des Tarifs für das Taxigewerbe im Gebiet der Landeshauptstadt Graz, der Marktgemeinde Feldkirchen bei Graz und der Stadtgemeinde Leoben lautet:

"Auf Grund des §14 Abs1 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes 1996, BGBl. Nr. 112, zuletzt in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2002 wird nach Durchführung des Anhörungsverfahrens verordnet:

§1

Geltungsbereich; Tarifgebiet

Der im Folgenden festgesetzte Tarif für das Taxigewerbe gilt für die Gebiete der Landeshauptstadt Graz, der Marktgemeinde Feldkirchen bei Graz und der Stadtgemeinde Leoben.

§2

Grundtarif

Der Grundtarif beträgt für Tag- und Nachtfahrten € 3,90.

§3

Streckentarif

Der Streckentarif beträgt automatisch geschaltet

a) bei Tagfahrten (zwischen 6 und 20 Uhr) ausgenommen Sonn- und Feiertage

Streckentarif 1 (1 bis 4000 m)

je angefangene 95 m € 0,10, € 1,05/km

Streckentarif 2 (4001 bis 8000 m)

je angefangene 105 m € 0,10, € 0,95/km

Streckentarif 3 (ab 8001 m)

je angefangene 120 m € 0,10, € 0,83/km

b) bei Nachtfahrten (zwischen 20 und 6 Uhr) und an Sonn- und Feiertagen

Streckentarif 1 (1 bis 4000 m)

je angefangene 90 m € 0,10, € 1,11/km

Streckentarif 2 (4001 bis 8000 m)

je angefangene 100 m € 0,10, € 1,00/km

Streckentarif 3 (ab 8001 m)

je angefangene 115 m € 0,10, € 0,87/km

§4

Wartetarif

Der Wartetarif beträgt für jede volle Stunde € 18,-, demnach für je 20 vollendete Sekunden € 0,10.

§5

Fahrten außerhalb des Tarifgebietes

Bei Fahrten, die außerhalb des Gemeindegebietes des Standortes des jeweiligen Unternehmens beginnen und nicht im Gemeindegebiet des Standortes enden, hat der Lenker Anspruch auf Bezahlung von € 1,- pro Kilometer für die Anfahrt zum Bestellort ab Gemeindegrenze.

§6

Sonstige Bestimmungen

(1) Der Fahrpreis ist ohne Rücksicht auf die Anzahl der Fahrgäste zu verrechnen.

(2) Tritt während der Fahrt eine Störung im Gangwerk des Fahrpreisanzeigers ein, muss dies der Lenker dem Fahrgast sofort bekannt geben und hat auf Verlangen die Fahrt zu beenden. Er hat Anspruch auf die Entrichtung des Fahrpreises für die geleistete Fahrtstrecke.

Wünscht der Fahrgast die Fortsetzung der ursprünglich vereinbarten Fahrt, hat der Lenker diesem Wunsch nachzukommen. In diesem Falle hat der Lenker die Restfahrt mit Wartetarif zu verrechnen.

(3) Wird das Taxifahrzeug während der Fahrt fahruntauglich, hat der Lenker Anspruch auf die Entrichtung des Fahrpreises für die geleistete Fahrtstrecke.

(4) Wird eine bestellte Fahrt nach ordnungsgemäßer Einschaltung des Fahrpreisanzeigers nicht angetreten und macht der Besteller vom nicht abbestellten und rechtzeitig erschienenen Taxifahrzeug keinen Gebrauch, hat der Lenker Anspruch auf tarifgemäße Bezahlung.

§7

Strafen

Tarifverletzungen (Überschreitungen und Unterschreitungen des Tarifes) werden gemäß §15 Abs1 Z. 5 Abs2 und Abs3 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz, BGBl. Nr. 85/1952, zuletzt in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2002 als Verwaltungsübertretung bestraft.

§8

Schlussbestimmung

Diese Verordnung tritt mit dem ihrer Kundmachung folgenden Tag, das ist der 12. März 2005, in Kraft."

III. Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

2. Dem Antragsvorbringen ist in keiner Weise zu entnehmen, aus welchen Gründen die angefochtene Verordnung unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragsteller eingreift.

2.1. Die Erstantragstellerin wird im Antrag als "Allianz" bezeichnet und als "loser Zusammenschluss von Taxiunternehmen", der bei den letzten Handelskammerwahlen die Interessen parteiloser Taxiunternehmen vertreten hat, beschrieben. Diese Beschreibung lässt nicht erkennen, dass die Erstantragstellerin Rechtspersönlichkeit hätte. Im Übrigen aber wird im Antrag in keiner Weise ausgeführt, inwieweit die Erstantragstellerin (ihre Rechtspersönlichkeit unterstellt) im Fall der Gesetzwidrigkeit der Verordnung in eigenen Rechten verletzt sein könnte. Der Antrag der Erstantragstellerin ist sohin schon allein aus diesem Grund unzulässig.

2.2. Hinsichtlich des Zweit-, Dritt- und Viertantragstellers wird ebenso wenig dargetan, inwieweit die Verordnung durch die behauptete Gesetzwidrigkeit diese in ihren Rechten verletzt. Die Tatsache, dass der Zweitantragsteller Taxiunternehmer mit Sitz in Graz ist und die Drittantragstellerin sowie der Viertantragsteller persönlich haftende Gesellschafter einer Taxi OEG mit Sitz in Graz sind, vermag für sich alleine einen unmittelbaren Eingriff in ihre Rechtssphäre nicht darzutun, zumal nicht ausgeführt wird, inwieweit die beiden Taxiunternehmen konkret durch die Verordnung bzw. die darin enthaltenen Tarife in ihren Rechten betroffen sind. Im Antrag ist vielmehr nur undifferenziert von "Taxiunternehmen, die in Graz, Leoben oder Feldkirchen ihren Betrieb haben", die Rede.

3. Darüber hinaus muss ein Antrag nach Art139 Abs1 B-VG gemäß §57 Abs1 erster Satz VfGG begehren, dass entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalte nach oder dass bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden. Weiters hat er die gegen die Gesetzmäßigkeit der aufzuhebenden Verordnung (Stellen) sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen (§57 Abs1 Satz 2 VfGG).

Um die strengen Formerfordernisse des ersten Satzes des §57 Abs1 VfGG zu erfüllen, müssen - wie der Verfassungsgerichtshof in zahlreichen Beschlüssen (vgl. zB VfSlg. 10.141/1984, 11.888/1988, 12.859/1991, 14.040/1995) ausgeführt hat - die bekämpften Stellen der Verordnung genau und eindeutig bezeichnet werden. Es darf nicht offen bleiben, welche Vorschrift oder welche Teile einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aufgehoben werden sollen. Der Verfassungsgerichtshof ist nämlich nicht befugt, Verordnungsbestimmungen aufgrund bloßer Vermutung darüber, welche Normen der Antragsteller ins Auge gefasst haben könnte, in Prüfung zu ziehen.

Diesen Anforderungen wird der vorliegende Antrag in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht:

3.1. Zunächst ist unklar, ob sich der Antrag auf die gesamte Verordnung oder nur auf einzelne Bestimmungen über den Tarif bezieht. Zum einen wird nämlich im Antrag der Text der Verordnung (freilich ohne Paragraphenbezeichnungen) nur mit seiner Überschrift und seinen §§2, 3, 4 und 5 im Wesentlichen wörtlich wiedergegeben, nicht aber mit seinen §§1, 6, 7 und 8. Zum anderen aber wird ohne jede Einschränkung beantragt, "die gegenständliche Verordnung aufzuheben."

Damit wird dem in §57 Abs1 VfGG enthaltenen Erfordernis, die bekämpften Verordnungsstellen genau und eindeutig zu bezeichnen, durch den vorliegenden Antrag nicht entsprochen. Dem Antrag haftet sohin ein nicht iSd §18 VfGG verbesserungsfähiger - gravierender - Mangel an (vgl. zB VfSlg. 13.736/1994 und 16.971/2003 sowie VfGH 30.11.2004, V45/04).

3.2. Der Antrag lässt nicht erkennen, ob er sich auf alle drei von der Verordnung erfassten Gemeinden bezieht oder nur auf die Landeshauptstadt Graz. Um den Anfechtungsumfang in örtlicher Hinsicht bestimmen zu können, wäre es erforderlich, darzulegen, wo die Unternehmen betrieben werden bzw. ihre Tätigkeit ausüben. Diese Darlegungen sind Voraussetzung für die Beantwortung der Frage, ob es allenfalls genügen könnte, bloß die Worte "der Landeshauptstadt Graz," in §1 der Verordnung aufzuheben.

3.3. Schließlich werden Bedenken nur gegen die Tarife und den Geltungsbereich der Verordnung vorgetragen. Hinsichtlich der übrigen Bestimmungen, insbesondere der §§7 und 8, werden Bedenken nicht vorgebracht. Dass diese Bestimmungen mit den Regelungen über den Tarif in untrennbarem Zusammenhang stünden, wird nicht behauptet.

4. Aus den dargelegten Gründen war der Antrag daher zurückzuweisen. Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Gewerberecht, Gelegenheitsverkehr, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Bedenken, VfGH / Individualantrag, Taxis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:V54.2005

Dokumentnummer

JFT_09948987_05V00054_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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