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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit durch Verneinung des Bedarfs an einer öffentlichen Apotheke bei Existenz einer ärztlichen Hausapotheke in einem bestimmten Umkreis und durch Abstellen auf eine bestimmte Zahl zu versorgender Personen; keine Rechtfertigung der Errichtung einer Zutrittsschranke für Konzessionswerber bloß zur Sicherung des Mindestversorgungspotentials ärztlicher Hausapotheken trotz öffentlichen Interesses an der Heilmittelversorgung der Bevölkerung und an der Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit ärztlichen Leistungen; keine Anwendbarkeit der aufgehobenen Bestimmungen auch in weiteren Verfahren vor dem UVS trotz Zurückweisung des diesbezüglichen Antrags aus formalen GründenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark (im Folgenden: UVS) ist ein Berufungsverfahren betreffend einen Antrag auf Erteilung einer Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Pöls anhängig; der Antrag der Konzessionswerberin wurde in erster Instanz wegen fehlenden Bedarfs gemäß §10 Abs2 Z1 Apothekengesetz (im Folgenden: ApG) abgewiesen.
2. Aus Anlass dieses Verfahrens stellte der UVS gemäß Art129a Abs3 iVm Art89 und Art140 Abs1 B-VG den vorliegenden Antrag, §10 Abs2 Z1 Apothekengesetz, RGBl. Nr. 5/1907 idF BGBl. I Nr. 5/2004 als verfassungswidrig aufzuheben. Diese Bestimmung, auf die sich auch der bei ihm angefochtene Bescheid stützt, habe er bei seiner Berufungsentscheidung anzuwenden.
Seine Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung legt der UVS wie folgt dar (Hervorhebungen im Original):
"[…] Mit dem in seinen Kernaussagen und in seiner Tragweite richtungsweisenden Erkenntnis des hohen Verfassungsgerichtshofes vom 02.03.1998, Slg. Nr. 15103 wurde die Vorgängerbestimmung der zuvor zitierten Rechtsvorschrift, mit der normiert war, dass Voraussetzung für jede neu zu bewilligende bzw. zu errichtende öffentliche Apotheke - bei Prüfung des Vorliegens des Bedarfs - ein Versorgungspotenzial von mindestens 5.500 Personen sein muss, als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof sah in dieser Bestimmung einen offenkundigen Verstoß gegen das auch den Gesetzgeber bindende verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit im Sinne des Art6 StGG.
Begründet wurde dieses Erkenntnis im Wesentlichen damit, dass mit der Zulassung weiterer öffentlicher Apotheken im Ergebnis nur eine Verbesserung der Heilmittelversorgung der Bevölkerung erreicht wird und es gewährleistet sein muss, dass in jenen Bereichen, die zum Zeitpunkt der Geltung des §10 Abs2 Apothekengesetz (alte Fassung) nicht durch eine öffentliche Apotheke versorgt sind und zufolge der seinerzeit bestehenden Rechtslage auch nicht versorgt werden könnten (Nichterreichung eines Versorgungspotenzials von mind. 5.500 Personen), die Möglichkeit einer Apothekenneugründung gegeben sein muss; dies eben im Sinne des grundrechtlich verankerten Anspruchs auf die erwähnte Erwerbsausübungsfreiheit.
Das Höchstgericht stellte im Rahmen seiner zitierten Judikatur insbesonders deutlich und unmissverständlich klar, dass verfassungskonform für eine neue öffentliche Apotheke, unabhängig davon, ob sie sich in einem Ort mit oder ohne ärztlicher Hausapotheke befindet, kein Mindestversorgungspotenzial von 5.500 Personen vorzusehen ist.
[…] Der Bundesgesetzgeber hat nach dem zitierten Erkenntnis in der Folge mit BGBl. I Nr. 16/2001 die Bestimmung des §10 Abs2 des Apothekengesetzes insoferne neu gefasst, als eine neue Z1 eingefügt wurde. Nach der nunmehr, auch im Anlassfall durch die Berufungsbehörde anzuwendenden Fassung des §10 Abs2 Z1 Apothekengesetz muss eine neue öffentliche Apotheke dann über ein Mindestversorgungspotenzial von 5.500 Personen verfügen, wenn sich im Umkreis von vier Straßenkilometern, ausgehend von dem in Aussicht genommenen Standort einer neuen öffentlichen Apotheke eine ärztliche Hausapotheke befindet.
Im Anlassfall befinden sich zufolge der Feststellungen der Bezirkshauptmannschaft Judenburg in einer Entfernung von 0,28 bzw. 0,22 km zum Standort der beantragten Betriebsstätte der Konzessionswerberin […] zwei hausapothekenführende Ärzte, die im verfahrensgegenständlichen Konzessionserteilungsverfahren ohnedies Einspruch gegen die in Aussicht genommene, neue öffentliche Apotheke in Pöls erhoben haben, der im Wesentlichen mit mangelndem Bedarf für diese begründet wurde.
[…] Nach Ansicht des antragstellenden Senates widerspricht nunmehr aber die im gegenständlichen Berufungsverfahren anzuwendende Bestimmung des §10 Abs2 Z1 Apothekengesetz idgF aus nachstehenden rechtlichen Erwägungen gerade dem verfassungsgesetzlich geschütztem Grundrecht auf Erwerbsausübungsfreiheit, wie aber auch dem Gleichheitsgrundsatz, zumal im Widerspruch zur zuvor zitierten höchstgerichtlichen Entscheidung aus dem Jahre 1998 im Hinblick auf deren 'Konkurrenzstatus' mit ärztlichen Hausapotheken eine ungleiche, sachlich nicht gerechtfertigte Behandlung von neuen öffentlichen Apotheken beim Vollzug der novellierten Bestimmung des §10 Abs2 Z1 Apothekengesetz bewirkt wird.
Im zitierten, an seiner Aussagekraft nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig lassenden Grundsatzerkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 15103/1998 wurde nämlich gerade in Reflexion zum gleichsam nach wie vor zu unzähligen Beschwerden an die Höchstgerichte Anlass gebenden Problem einer verfassungskonformen Beurteilung und Lösung der Bedarfsprüfung bei Errichtung neuer öffentlicher Apotheken zunächst ausgeführt, dass nicht verkannt werden soll, dass es 'nach der derzeit geltenden Gesetzeslage mit der Errichtung neuer öffentlicher Apotheken zu einer automatischen Schließung von ärztlichen Hausapotheken im Umfeld der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke kommt (vgl. §29 Abs4 Apothekengesetz).'
Sehr klar wurde aber auch unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 5648/1967, in dem bereits ausführlich zum grundsätzlichen Verhältnis von öffentlichen Apotheken einerseits und ärztlichen Hausapotheken andererseits Stellung bezogen wurde, gleichsam wiederholend, aber auch für die Zukunft postulierend erkannt, dass nach der Konzeption des Apothekengesetzes insgesamt der Heilmittelversorgung der Bevölkerung durch öffentliche Apotheken jedenfalls ein Primat zuzukommen hat (Surrogatfunktion der ärztlichen Hausapotheken). Im Ergebnis war die verfassungsrechtlich relevante Frage für den Gesetzgeber daher nicht, ob die Heilmittelversorgung der Bevölkerung auch durch ärztliche Hausapotheken zufriedenstellend gesichert ist, sondern vielmehr ob durch, bei Errichtung neuer öffentlicher Apotheken auf Grund der Gesetzeslage zu berücksichtigenden einschränkenden Vorschriften, letztere durch das öffentliche Interesse geboten und demnach auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind.
Der Verfassungsgerichtshof hat zum zuvor dargestellten Problemkreis mit sehr klaren Worten festgestellt, dass die Substitution einer (oder auch mehrerer) ärztlicher Hausapotheken durch eine öffentliche Apotheke, mag diese auch ein Versorgungspotenzial von weniger als 5.500 Personen aufweisen, nicht unbedingt eine Verschlechterung der Heilmittelversorgung insgesamt zur Folge haben muss.
In diesem Zusammenhang wurde vom Höchstgericht im Wesentlichen zum Ausdruck gebracht, dass die Existenzfähigkeit einer neu geschaffenen Apotheke nicht durch den Gesetzgeber 'garantiert', sondern der Einschätzung des Konzessionswerbers überlassen bleiben wird müssen. Dieser hat zu entscheiden, ob er die mit der Errichtung einer öffentlichen Apotheke verbundenen Verpflichtungen erfüllen und gleichzeitig ein wirtschaftlich lebensfähiges Unternehmen führen kann. Gerade dagegen sind aus dem Gesichtspunkt des Grundrechts der Erwerbsfreiheit keine Bedenken zu erheben, soferne nur die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln durch die bestehenden öffentlichen Apotheken gesichert erscheint.
[…] Schlussfolgerungen:
Aus den auf Grundlage einer unmissverständlichen Recht[s]sprechung des Verfassungsgerichtshofes basierenden Grundsätzen, welche ausschlaggebend waren, dass die Vorgängerbestimmung des im Anlassfall anzuwendenden §10 Abs2 Z1 Apothekengesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben wurde, ergibt sich somit, dass bereits im Jahre 1998 ausführlich dargelegt wurde, dass es keine sachlichen oder im öffentlichen Interesse gelegenen Gründe für die unterschiedliche Behandlung der Bedarfsvoraussetzungen für eine neue öffentliche Apotheke in Relation zur Existenz von ärztlichen Hausapotheken geben darf.
Die nunmehr angefochtene Rechtsvorschrift widerspricht dessen ungeachtet jedoch im Ergebnis diesen Grundsätzen. So hat der Gesetzgeber, wie eingangs zitiert, den Bedarf für eine neue öffentliche Apotheke nur unter den Voraussetzungen postuliert, dass dann ein Versorgungspotenzial von mindestens 5.500 Personen vorliegen muss, wenn sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet.
Mit dieser aus Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark unzulässigen Verknüpfung des Versorgungspotenzials von
5.500 Personen an den Bestand einer ärztlichen Hausapotheke im Umkreis von vier Straßenkilometer[n] von der in Aussicht genommene[n] Betriebsstätte einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist somit wiederum die vom Verfassungsgerichtshof ausdrücklich nicht gewünschte, respektive als nicht als zulässig erachtete 'Besserstellung', in gewisser Hinsicht aber auch Gleichstellung ärztlicher Hausapotheken und öffentlicher neuer Apotheken im Rahmen der durchzuführenden, angesichts eines Versorgungspotenzials von mindestens 5.500 Personen ansonst verfassungskonformen Bedarfsprüfung (vgl. VfGH 10.12.2001, Slg. Nr. 16393) verbunden.
Die Bestimmung des §10 Abs2 Z1 Apothekengesetz idgF erscheint demnach in verfassungsmäßiger Hinsicht bedenklich, ist doch bei deren konsequenter Anwendung die Gefahr der Verletzung des Grundrechts auf Erwerbsausübungsfreiheit gegeben und widerspricht die zitierte Bestimmung auf Grund obiger Ausführungen dem zufolge auch dem Gleichheitsgrundsatz."
3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zulässigkeit des Antrags wegen zu engen Anfechtungsumfangs bestreitet, den Bedenken des UVS auch in der Sache entgegentritt und die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrags beantragt. Für den Fall der Aufhebung der angefochtenen Bestimmung beantragt sie, für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu setzen.
4. Die mitbeteiligte Konzessionswerberin erstattete eine Stellungnahme, in der sie sich dem Antrag des UVS der Sache nach anschließt und die Aufhebung der bekämpften Bestimmung beantragt.
5. Die mitbeteiligten Hausapotheken führenden Ärzte erstatteten eine (gemeinsame) Stellungnahme. In dieser treten sie den Bedenken des UVS entgegen und beantragen die Abweisung des Antrags.
II. Zur Rechtslage:
1. Gemäß §9 ApG ist der Betrieb einer öffentlichen Apotheke (die nicht auf einem Realrecht beruht) nur auf Grund einer besonderen behördlichen Bewilligung (Konzession) zulässig. Die persönlichen Voraussetzungen hierzu sind in §3 ApG umschrieben, die sachlichen Voraussetzungen regelt §10 ApG.
§10 ApG steht in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 16/2001 in Geltung - mit der vom UVS zitierten Novelle BGBl. I Nr. 5/2004 wurde diese Bestimmung nicht geändert - und lautet wie folgt (die angefochtene Ziffer ist hervorgehoben):
"Sachliche Voraussetzungen der Konzessionserteilung
§10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn
1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und
2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.
(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn
1. sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und die Zahl der von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5 500 beträgt, oder
2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder
3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.
(3) Zu versorgende Personen gemäß Abs2 Z1 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der in Aussicht genommenen öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser öffentlichen Apotheke zu versorgen sein werden.
(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs2 Z3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.
(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne der Abs3 und 4 weniger als 5 500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtig[t]en.
(6) Die Entfernung gemäß Abs2 Z2 darf ausnahmsweise unterschritten werden, wenn es besondere örtliche Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dringend gebieten.
(7) Zur Frage des Bedarfes an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist ein Gutachten der österreichischen Apothekerkammer einzuholen. Soweit gemäß §29 Abs4 und 5 Ärzte betroffen sind, ist auch ein Gutachten der Österreichischen Ärztekammer einzuholen."
2. Ärzten ist das Dispensieren von Heilmitteln gemäß den §§28 ff. ApG gestattet. §§28 und 29 ApG lauten auszugsweise:
"Dispensationsbefugnis der Ärzte im allgemeinen.
§28. (1) Ärzten ist das Dispensieren von Arzneimitteln nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen gestattet.
(2) In Standorten, in denen im Umkreis von vier Straßenkilometern weniger als 5 500 Personen zu versorgen sind, wird die Arzneimittelabgabe durch ärztliche Hausapotheken besorgt, es sei denn, es ist in diesem Gebiet für eine öffentliche Apotheke bereits eine Konzession rechtskräftig erteilt worden oder es sind die Voraussetzungen des Abs3 gegeben.
(3) Eine neue Konzession für eine öffentliche Apotheke ist in Standorten im Sinne des Abs2 gemäß §10 Abs2 Z1 zu erteilen, wenn sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke keine ärztliche Hausapotheke befindet.
(4) In Standorten im Sinne des Abs2 darf ein Verfahren auf Erteilung einer Konzession für eine öffentliche Apotheke oder eine Bewilligung zur Haltung einer Hausapotheke nur durchgeführt werden, wenn noch kein Verfahren anhängig ist, das Einfluss auf das später begonnene Verfahren haben kann.
(5) Durch §28 werden bestehende öffentliche Apotheken sowie deren Übergang und Fortbetrieb im Sinne der §§15 und 46 nicht berührt.
Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke.
§29. (1) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist einem Arzt für Allgemeinmedizin auf Antrag zu erteilen, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist.
(2) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist auf Antrag dem Nachfolger eines Arztes für Allgemeinmedizin mit Hausapothekenbewilligung zu erteilen, wenn die Entfernung zwischen dem Berufssitz des hausapothekenführenden Arztes und der Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke mehr als vier und weniger als sechs Straßenkilometer beträgt.
(3) Verlegt ein Arzt für Allgemeinmedizin seinen Berufssitz in eine andere Ortschaft, so erlischt die für den vorherigen Berufssitz erteilte Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke.
(4) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet und in dem rechtskräftigen Bescheid zur Konzessionierung der neuen öffentlichen Apotheke ein Versorgungspotential im Sinne des §10 von zumindest 5 500 Personen für die neue öffentliche Apotheke festgestellt wurde.
(5) Der Inhaber der neu errichteten öffentlichen Apotheke ist verpflichtet, den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Apotheke der Behörde mitzuteilen. Die Behörde hat die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung auf Antrag des Inhabers der öffentlichen Apotheke mit Bescheid so rechtzeitig auszusprechen, dass die Einstellung des Hausapothekenbetriebes drei Jahre nach Rechtskraft des Bescheides erfolgt, mit dem die Konzession für die öffentliche Apotheke erteilt wurde. Wird die öffentliche Apotheke nach diesem Zeitpunkt in Betrieb genommen, ist die Hausapothekenbewilligung so zurückzunehmen, dass die Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke und die Einstellung des Hausapothekenbetriebes zum selben Zeitpunkt erfolgen.
(6) Der Inhaber der neu errichteten öffentlichen Apotheke (Abs4) ist bei Einstellung des Hausapothekenbetriebes gemäß Abs5 verpflichtet, die nach den jeweils geltenden arzneimittelrechtlichen Vorschriften verwendungsfähigen Vorrate der Hausapotheke auf Begehren des Arztes gemäß §57 abzulösen.
(7) - (9) …"
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrags erwogen:
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die angefochtene generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (zB VfSlg. 9811/1983, 10.296/1984, 11.565/1987, 12.189/1989).
1.2. Zudem müssen die Grenzen der Aufhebung in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg. 6674/1972, 8155/1977, 9374/1982, 11.455/1987).
2.1. Der Auffassung des UVS, dass die angefochtene Gesetzesbestimmung - §10 Abs2 Z1 ApG - eine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bildet, ist nicht entgegenzutreten.
2.2. Der Antrag erweist sich jedoch als zu eng gefasst:
Der UVS hegt das Bedenken, dass durch die angefochtene Bestimmung bezüglich der Bedarfsvoraussetzungen eine sachlich nicht gerechtfertigte Besserstellung der ärztlichen Hausapotheken gegenüber neuen öffentlichen Apotheken bewirkt wird.
Allein durch eine Aufhebung im beantragten Ausmaß - nämlich nur des §10 Abs2 Z1 ApG - würde keine Rechtslage hergestellt, auf die die verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden UVS nicht mehr zuträfen: Selbst bei Beseitigung der bekämpften Norm - die festlegt, dass ein Bedarf für eine neue öffentliche Apotheke nicht besteht, wenn sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und die Zahl der von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt - ergibt sich ihr Inhalt jedenfalls aus den Regelungen des §28 Abs2 und 3 (möglicherweise iVm §29 Abs4 ApG), zumal sich nur in Zusammenhang mit diesen Regelungen das rechtliche Verhältnis von öffentlichen Apotheken zu Hausapotheken erschließen lässt. Der antragstellende UVS leitet die Verfassungswidrigkeit des §10 Abs2 Z1 ApG gerade aus der durch den Gesetzgeber damit bewirkten Veränderung der Verhältnisse ab. Bei Beseitigung nur des §10 Abs2 Z1 ApG bliebe die behauptete Verfassungswidrigkeit letztlich bestehen.
Da der Antrag somit zu eng gestellt wurde, war er als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 12.762/1991, 13.299/1992, S 748, mwN).
3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Apotheken, Bedarfsprüfung, Konzessionserteilung, Hausapotheken, Erwerbsausübungsfreiheit, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Präjudizialität, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:G201.2004Dokumentnummer
JFT_09948986_04G00201_00