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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verstoß der Regelungen der Nö Gemeinderatswahlordnung 1994 über den Austausch des zustellungsbevollmächtigten Vertreters einer (Gemeinderats-)Wahlpartei gegen das Determinierungsgebot; Verletzung des demokratischen Grundprinzips im Hinblick auf die notwendige Eindeutigkeit wahlrechtlicher Regelungen; Gleichheitswidrigkeit der Regelung über die Befugnis einer Landesorganisation einer im Landtag vertretenen Partei zum Austausch des ZustellungsbevollmächtigtenRechtssatz
§30 Abs3 und Abs4 Nö GRWO 1994, LGBl 0350-3, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Frage, wessen Erklärung über den Austausch des zustellungsbevollmächtigten Vertreters im Falle unterschiedlicher Erklärungen einer wahlwerbenden Partei (iSd §30 Abs3 erster Satz Nö GRWO 1994) und der Landesorganisation jener im Landtag vertretenen (politischen) Partei, der der Wahlvorschlag zuzurechnen ist, (iSd §30 Abs4 Nö GRWO 1994) maßgeblich sein soll, ist auf Grund der genannten gesetzlichen Bestimmungen nicht mit der durch Art18 B-VG gebotenen Eindeutigkeit zu beantworten.
Die Auffassung, das Gesetz sehe Eingriffe von Landesorganisationen im Landtag vertretener politischer Parteien nur ausnahmsweise vor bzw dem Recht einer Landesorganisation gemäß §30 Abs4 Nö GRWO 1994 komme nur subsidiärer Charakter zu, lässt sich durch nichts belegen.
Selbst wenn diese Auffassung zuträfe, mangelt es an einer dem Art18 B-VG entsprechenden Regelung jener Kriterien, die für den ausnahmsweisen bzw. subsidiären Charakter der der Landesorganisation eingeräumten Befugnis maßgeblich sein sollen.
Gemäß §30 Abs3 dritter bis fünfter Satz Nö GRWO 1994 kommt es für die Maßgeblichkeit einer Erklärung des zustellungsbevollmächtigten Vertreters oder eines Wahlwerbers darauf an, ob dieser nach Ansicht der Gemeindewahlbehörde in dem Sinne "in der Lage ist, die Wahlpartei zu vertreten", als er (noch) deren "Vertrauen hat" bzw. (noch) "zur Wahlpartei steht", und zwar ohne dass (näher) geregelt wäre, wovon die Behörde dabei im Einzelnen auszugehen hat. Eine derartige Vorschrift entspricht aber dem Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG keinesfalls.
Die Bestimmungen genügen weiters auch den Anforderungen nicht, die aus dem demokratischen Grundprinzip der Bundesverfassung für die notwendige Eindeutigkeit wahlrechtlicher Regelungen abzuleiten sind.
Ferner ist nicht nachvollziehbar, warum es für die Frage, ob die Landesorganisation einer politischen Partei befugt sein soll, den zustellungsbevollmächtigten Vertreter einer (Gemeinderats-)Wahlpartei auszutauschen oder nicht, darauf ankommen soll, ob es sich dabei um die Landesorganisation einer im Landtag vertretenen Partei handelt oder nicht. Weder der Umstand, "dass der durchschnittliche Wähler nur jene Parteien kennt und daher Wertvorstellungen und Sympathien zu diesen entwickelt und ihnen politische Zielrichtungen zuspricht, die in den gesetzgebenden Körperschaften vertreten sind", noch der Umstand, "dass der Bürger dem lokalen allgemeinen Vertretungskörper näher ist als dem zentralen", haben für die hier allein maßgebliche Frage der Ingerenz der Landesorganisation einer politischen Partei auf die Person des zustellungsbevollmächtigten Vertreters einer (Gemeinderats-)Wahlpartei irgend eine Relevanz.
(Anlassfall: B1399/02, E v 26.02.04, Aufhebung des angefochtenen Bescheides; siehe auch Quasi-Anlassfall B v 28.09.04, B1277/02:
Zurückweisung der Beschwerde eines Vertreters einer Wahlpartei in einem Quasi-Anlassverfahren mangels Legitimation aufgrund der bereinigten Rechtslage nach Aufhebung der der Vertretungsbefugnis zu Grunde liegenden Norm).
Schlagworte
Grundprinzipien der Verfassung, demokratisches Grundprinzip, Wahlen, Wahlvorschlag, Zustellung, Zustellungsbevollmächtigter, DeterminierungsgebotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:G48.2003Dokumentnummer
JFR_09959774_03G00048_01