RS Vfgh 2004/3/9 G217/03

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Veröffentlicht am 09.03.2004
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art18 Abs1
EStG 1988 §24 Abs4 und Abs7, §37, §124a Z4, §124b Z25 idF StrukturanpassungsG 1996

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit einer einfachgesetzlichen Übergangsbestimmung im Einkommensteuergesetz betreffend die Einschränkung des Geltungsbereiches einer Verfassungsbestimmung hinsichtlich der Anwendbarkeit der Neuregelung der Versteuerung von Veräußerungsgewinnen im Strukturanpassungsgesetz 1996 wegen Widerspruchs zum Stufenbau der Rechtsordnung; keine Ermächtigung zu einer weiteren zeitlichen Beschränkung der Wirksamkeit der alten begünstigenden Regelung durch den einfachen Gesetzgeber in der Verfassungsbestimmung

Rechtssatz

Aufhebung des §124b Z25 EStG 1988, BGBl 400, idF StrukturanpassungsG 1996, BGBl 797/1996.

Der Gerichtshof kann der Bundesregierung zwar darin folgen, daß der Verfassungsbestimmung des §124a Z4 EStG 1988 eine zeitliche Begrenzung der Wirksamkeit der alten (begünstigenden) Rechtslage inhärent ist. Diese zeitliche Begrenzung ergibt sich schon daraus, daß nur bei Rechtsgeschäften, die vor dem Stichtag 15.02.96 abgeschlossen worden sind, eine Weitergeltung der alten Rechtslage in Betracht kommt. Der Gerichtshof kann der Bundesregierung aber insbesondere nicht darin folgen, daß der Verfassungsbestimmung des §124a Z4 EStG 1988, idF des StrukturanpassungsG 1996, auf Grund der im 2. Satz dieser Bestimmung verwendeten Wortfolge "noch nicht anzuwenden" die Möglichkeit einer (weiteren) zeitlichen Beschränkung ihres Anwendungsbereiches durch den einfachen Gesetzgeber inhärent sei und die einfachgesetzliche Vorschrift der Z25 des §124b EStG 1988, idF BGBl 797/1996, eine verfassungskonforme Konkretisierung dieser Ermächtigung darstelle. Wenn der Gesetzgeber zunächst (im Satz 1 des §124a Z4 EStG 1988) anordnet, daß die neue Rechtslage (das heißt die Einschränkung der Begünstigungen) "erstmalig" auf Vorgänge nach dem 14.02.96 anzuwenden ist, und im Satz 2 dann einschränkt, daß die neue (ungünstigere) Rechtslage auf Vorgänge "noch nicht anzuwenden" ist, die auf einem vor dem 15.02.96 abgeschlossenen Rechtsgeschäft beruhen, so wird damit der sachliche Anwendungsbereich der neuen und der alten Rechtslage in besonderer, vom Zeitpunkt des Inkrafttretens abweichender Weise abgegrenzt. Die Verwendung des Wortes "noch" erlaubt nicht den Schluß, daß der Verfassungsgesetzgeber damit dem einfachen Gesetzgeber die - nicht näher determinierte - Ermächtigung erteilen wollte, eine in der Verfassungsbestimmung des §124a Z4 EStG 1988 selbst nicht explizit zum Ausdruck gekommene, somit zusätzliche zeitliche Begrenzung der Anwendung des alten Rechts zu verfügen, zumal auch den Materialien die von der Bundesregierung dem Verfassungsgesetzgeber unterstellte Absicht in keiner Weise entnehmbar ist.

Es mag sein, daß keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit bestanden hätte, den zweiten Satz des §124a Z4 leg cit im Verfassungsrang zu erlassen. Wenn der Gesetzgeber es aber für richtig erachtet, daß die neue, ungünstigere Rechtslage auf bestimmte, vor einem Stichtag abgeschlossene Rechtsgeschäfte "noch nicht anzuwenden" ist, und diese Regelung im Rang einer Verfassungsbestimmung verabschiedet, dann verstößt der einfache Gesetzgeber gegen die Verfassung, wenn er die getroffene Rechtsfolgenanordnung modifiziert.

Anlaßfall: E v 09.03.04, B1773/02 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Einkommensteuer, Gewinn, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Rechtsquellensystem, Übergangsbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:G217.2003

Dokumentnummer

JFR_09959691_03G00217_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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