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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Zulässigkeit der Individualanträge von einer Entziehung der Lenkberechtigung betroffener Lenker betreffend die Regelung über die Kosten der aufgetragenen Nachschulung sowohl hinsichtlich der Verordnung als auch der gesetzlichen Verordnungsermächtigung; Verordnungsermächtigung ausreichend determiniert; Gesetzwidrigkeit der Kostenbestimmungen der Nachschulungsverordnung mangels ausreichender Überprüfung der Grundlagen der auf Vorschlag eines Berufsverbandes festgesetzten BeträgeRechtssatz
Zulässigkeit der Individualanträge von einer Entziehung der Lenkberechtigung betroffener Lenker auf Aufhebung des §11 Z1 NachschulungsV, BGBl II 357/2002, sowie von Teilen und Wortfolgen des §4 Abs9 Z5 und des §24 Abs5 Z7 FührerscheinG.
Die Kostenpflicht beruht auf einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis zu einer privaten Nachschulungseinrichtung, über das abzusprechen gemäß §1 JN die ordentlichen Gerichte berufen sind.
Unzumutbarkeit der Beschreitung des Gerichtswegs.
Da die angefochtenen Verordnungsbestimmungen die Höhe der Kosten der den Antragstellern vorgeschriebenen Nachschulungsveranstaltungen zwingend festsetzen und eine Nichtzahlung der Kosten ex lege die Verlängerung der Entziehungsdauer nach sich ziehen würde, greift die angefochtene Regelung unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragsteller ein. Auch die Anfechtung der zugrundeliegenden gesetzlichen Verordnungsermächtigung ist zulässig, wenn diese - wie im vorliegenden Fall - gleichzeitig mit der Verordnung mitangefochten wird (vgl VfSlg 15316/1998 und VfGH 27.02.03, G37/02 ua, V42/02 ua).
Den Antragstellern wäre es aber auch nicht zumutbar, nach Bezahlung und Absolvierung der Nachschulung nachträglich eine Klage auf Rückforderung der Kosten zu erheben, weil eine bereicherungsrechtliche Rückforderungsklage mit Unsicherheiten verbunden ist (vgl VfSlg 13880/1994).
Keine verfassungswidrige formalgesetzliche Delegation der Verordnungsermächtigungen in §4 Abs9 Z5 und des §24 Abs5 Z7 FührerscheinG hinsichtlich der Festsetzung der Kosten der Nachschulung.
Da die Nachschulung als "begleitende Maßnahme" zur Entziehung der Lenkberechtigung vorgesehen ist, bestimmt sich die Notwendigkeit und der Umfang einer Nachschulung im Einzelfall nach dem jeweiligen Anlaß der Entziehung (wobei nach §24 Abs5 und §4 Abs9 FührerscheinG insb. der "Stand der Wissenschaft und Technik" zugrunde zu legen ist).
Die Ermächtigung des Verordnungsgebers ist sowohl bei Festsetzung des Inhalts und des zeitlichen Umfangs der Nachschulungen (§24 Abs5 Z3 und §4 Abs9 Z3 FührerscheinG), als auch bei Festsetzung der Voraussetzungen räumlicher, personeller und fachlicher Art für die Durchführung der Nachschulungen (§24 Abs5 Z1 und Z2 sowie §4 Abs9 Z1 und Z2 FührerscheinG) hinreichend determiniert.
Aus der Verwendung des Begriffs "Kosten der Nachschulung" durch den Gesetzgeber im hier gegebenen Kontext ergibt sich, daß die Höhe der Kosten pro Teilnehmer aus dem typischen Aufwand einer rationell wirtschaftenden Nachschulungsstelle abzuleiten sind, die die Voraussetzungen für die Durchführung der - nach "Stand der Wissenschaft und Technik" gebotenen - Nachschulungen erfüllt und daher den gesetzlichen Erfordernissen hinsichtlich von Qualität und Umfang der Nachschulungen entspricht. Es handelt sich dabei nicht um einen willkürlich festsetzbaren "Beitrag" zu den Kosten (wie bei der in VfSlg 6218/1970 als nicht hinreichend bestimmt erkannten Vorschrift), sondern um eine objektiv feststellbare Größe, die nach Sachlichkeitskriterien auf die einzelnen Teilnehmer umzulegen ist.
Damit ist aber der Verordnungsinhalt auch bei der angemessenen Festsetzung der "Kosten der Nachschulung", gemessen am jeweils erforderlichen Umfang und Inhalt der Nachschulung, sowie am "Stand der Wissenschaft und Technik" hinreichend durch das Gesetz vorherbestimmt.
Gesetzwidrigkeit des §11 Z1 NachschulungsV, BGBl II 357/2002, hinsichtlich der Festsetzung der Kosten der Nachschulung.
Die vom Bundesminister vorgelegte Kostenkalkulation des Berufsverbandes österreichischer Psychologinnen und Psychologen wurde zwar einer Äußerung im verfassungsgerichtlichen Verfahren beigelegt, sie ist aber im Verordnungsakt selbst nicht enthalten. Im Verordnungsakt finden sich auch keine Unterlagen, aus denen erkennbar wäre, daß die verordnungserlassende Behörde die Art und Weise der Berechnung dieses Preises durch den Berufsverband einer Würdigung unterzogen hätte.
Der Umstand, daß keine weitere Überprüfung der Berechnung des Berufsverbands im Verordnungsverfahren stattgefunden hat, fällt umso mehr ins Gewicht, als der Verordnungsgeber den darin empfohlenen "Preis" erhöht hat, ohne daß für diese Erhöhung ein tatsächlicher Anhaltspunkt im Verfahren hervorgekommen wäre.
Gerade in Fällen, in denen sich der Verordnungsgeber hinsichtlich der für die Verordnungserlassung maßgeblichen Umstände - wie hier - ausschließlich auf die Mitteilung einer Interessenvertretung verläßt, "ohne diese auch nur annäherungsweise zu überprüfen", hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung betont, daß dem Verordnungsgeber eine Pflicht zur detaillierten - und aktenkundigen - Ermittlung der Grundlagen für die Verordnungserlassung zukommt (VfSlg 11756/1988, 11757/1988, 11918/1988, 11972/1989).
Diesem Erfordernis wurde hier nicht entsprochen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Kraftfahrrecht, Lenkerberechtigung, Privatrecht - öffentliches Recht, Verordnungserlassung, VfGH / Individualantrag, Determinierungsgebot, Delegation formalgesetzliche, Zuständigkeit der Gerichte, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von VerwaltungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:G200.2003Dokumentnummer
JFR_09959690_03G00200_01