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50 GewerberechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Aufhebung von Regelungen der Gewerbeordnung 1994 in der Fassung der Novelle 1997 betreffend die Genehmigung bestimmter Betriebsanlagen in einem vereinfachten Verfahren durch Feststellungsbescheid ohne die im normalen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren vorgesehene Prüfung einzelfallbezogener Gesundheitsgefährdungen oder unzumutbarer Immissionen wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz; Wieder-in-Kraft-Treten der vor der Novelle 1997 bestehenden unbedenklichen Rechtslage; Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Verordnung über die dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehenden Arten von Betriebsanlagen mangels gesetzlicher Grundlage bis zum Wieder-in-Kraft-Treten der früheren GesetzeslageRechtssatz
Aufhebung des Wortes "oder" am Ende der Z1 und des §359b Abs1 Z2 GewO 1994 idF BGBl I 63/1997 sowie §359b Abs2 GewO 1994.
Abweichend von der in VfSlg 14512/1996 als verfassungskonform beurteilten Rechtslage hat der explizite Verzicht auf die Genehmigungsvoraussetzungen des §74 Abs2 GewO 1994 (durch die Neufassung der Z2 des §359b Abs1 GewO 1994 durch die Novelle BGBl I 63/1997) für das vereinfachte Verfahren zur Folge, dass die bloße bescheidmäßige Feststellung, dass eine geplante Betriebsanlage zu den in der (auf §359b Abs2 GewO 1994 gestützten) Verordnung BGBl 850/1994 aufgelisteten Betrieben zählt oder dass diese Betriebsanlage die Messgrößen nach §359b Abs1 Z2 GewO 1994 nicht überschreitet, bereits als Genehmigung gilt. Dementsprechend ist für die in der Verordnung gemäß §359b Abs2 GewO 1994 genannten oder unterhalb der gesetzlichen Messgrößen liegenden Betriebsanlagen nunmehr von einer "Errichtungs- und Betriebsgarantie" kraft Gesetzes auszugehen.
Die Verpflichtung der Gewerbebehörde, zum Schutze der Nachbarn Nebenbestimmungen im Feststellungsbescheid oder selbständige gewerbepolizeiliche Aufträge zu erlassen, bewirkt noch keine auf Grund der örtlichen Umstände gebotene Einzelfallbezogenheit bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Durchführung des vereinfachten Verfahrens.
Es widerspricht dem Gleichheitssatz, wenn der Gesetzgeber im "normalen" Verfahren Betriebsanlagen gemäß §77 Abs1 GewO 1994 nur genehmigen lässt, wenn Gefährdungen im Sinne des §74 Abs2 Z1 leg cit vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des §74 Abs2 Z2 bis Z5 leg cit auf ein zumutbares Maß beschränkt werden, gleichwohl gemäß §359b GewO 1994 im vereinfachten Verfahren die bloße Feststellung abstrakter Messgrößen der projektierten Anlage durch die Behörde als Genehmigung gilt, ohne dass Gefährdungen und Immissionen im Einzelfall im vereinfachten Verfahren überhaupt überprüft werden. Auch die für den Ausschluss der Parteistellung der Nachbarn als maßgebliche sachliche Rechtfertigung vom Verfassungsgerichtshof in VfSlg 14512/1996 bejahte Verwaltungsvereinfachung kann keinen zureichenden sachlichen Grund dafür bilden, dass Betriebsanlagen, denen auf Grund der konkret geplanten Ausführung in Anbetracht der lokalen Verhältnisse die Genehmigungsfähigkeit gemäß §74 Abs2 iVm §77 Abs1 GewO 1994 fehlt, lediglich auf Grund der festgestellten abstrakten Typisierung als genehmigt gelten.
Wieder-in-Kraft-Treten der früheren Gesetzeslage.
Die zur Aufhebung führende Verfassungswidrigkeit wurde erst durch die Neufassung der Z2 des §359b Abs1 GewO 1994 durch die Novelle BGBl I 63/1997 bewirkt. Dies gilt auch für den durch diese Novelle zwar sprachlich, nicht aber materiell unberührt gebliebenen §359b Abs2 GewO 1994, der seinen Inhalt wesentlich aus (der jeweils geltenden Fassung des) Abs1 bezieht.
Die als Folge der Aufhebung der Z2 des §359b Abs1 wieder in Kraft tretende Z2 in der früheren Fassung (BGBl 194/1994) sieht hingegen die von Verfassungs wegen notwendige Berücksichtigung der Nachbar- und Umweltbelange im vereinfachten Verfahren vor, und zwar sowohl in Ansehung der von Abs1 als auch der von Abs2 iVm der Verordung BGBl 850/1994 erfassten Betriebsanlagen; deshalb war auch das Wieder-in-Kraft-Treten des (- im Zusammenhalt mit der wieder in Kraft getretenen Z2 des §359b Abs1 dann unbedenklichen -) Abs2 und des die Z1 des §359b Abs1 abschließenden Wortes "oder" nicht auszuschließen.
Eine Fristsetzung erweist sich damit als entbehrlich.
Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Verordnung des BMfwA, mit der Arten von Betriebsanlagen bezeichnet werden, die dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen sind, BGBl 850/1994 idF BGBl II 19/1999, vom 01.07.97 bis zum Wieder-in-Kraft-Treten des §359b Abs1 Z2 GewO 1994 idF der Wiederverlautbarung BGBl 194/1994.
Nach Aufhebung der Verordnungsermächtigung des §359b Abs2 GewO 1994 fehlte es der darauf gestützten Verordnung BGBl 850/1994 bis zum Wieder-in-Kraft-Treten dieser Bestimmung an der gemäß Art18 Abs2 B-VG notwendigen gesetzlichen Grundlage. Da nicht nur jene Bestimmung der Verordnung, hinsichtlich der das Verordnungsprüfungsverfahren eingeleitet wurde (§1 Z1), im Zeitraum 01.07.97 (i.e. der Tag des In-Kraft-Tretens der GewO-Novelle BGBl I 63/1997 im hier maßgeblichen Teil) bis zum Wieder-in-Kraft-Treten der früheren Gesetzeslage der gesetzlichen Grundlage entbehrt, sondern vielmehr die gesamte Verordnung, war gemäß Art139 Abs3 lita iVm Abs4 B-VG vorzugehen. Umstände, die dem im Sinne des Art139 Abs3 B-VG entgegenstünden, haben sich im Verfahren nicht ergeben.
(Anlassfall B982/02, E v 11.03.04, Aufhebung des angefochtenen Bescheides).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Feststellungsbescheid, Gewerberecht, Betriebsanlagen, Umweltschutz, Parteistellung Gewerberecht, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Verwerfungsumfang, Nachbarrechte, VerwaltungsökonomieEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:G124.2003Dokumentnummer
JFR_09959689_03G00124_01