RS Vfgh 2004/3/13 G211/03

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Veröffentlicht am 13.03.2004
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Index

31 Bundeshaushalt
31/01 Allgemeines Haushaltsrecht, Bundesbudget

Norm

B-VG Art1
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art140 Abs4
BudgetbegleitG 2003
GOG NR §41 Abs5, §44

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit des Budgetbegleitgesetzes 2003; keine relevante Verletzung der Bestimmungen der Geschäftsordnung des Nationalrates hinsichtlich der Beschlußfassung im Plenum; keine Verletzung des demokratischen und des rechtsstaatlichen Grundprinzips der Verfassung durch das vorliegende "Sammelgesetz"; ausreichende Verständlichkeit und Auffindbarkeit der Normen; keine Zulässigkeit des Drittelantrags von Nationalratsabgeordneten hinsichtlich bereits außer Kraft getretener Bestimmungen

Rechtssatz

Teilweise Zulässigkeit eines Drittelantrags von Abgeordneten, eingebracht von mehr als einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates auf Aufhebung des BudgetbegleitG 2003; Zurückweisung hinsichtlich bereits außer Kraft getretener Bestimmungen.

Ebenso für den identen Antrag von mehr als einem Drittel der Mitglieder des Bundesrates: G212/03 vom selben Tag.

Keine Verfassungswidrigkeit des BudgetbegleitG 2003, BGBl I 71/2003.

Bei der Beurteilung des verfassungsmäßigen Zustandekommens eines Bundesgesetzes kann nicht (fast) jede allfällige Mißachtung von Bestimmungen des GOG NR zu einer Verfassungswidrigkeit des darauf basierenden Gesetzesbeschlusses des Nationalrates führen, sondern nur eine qualifizierte, die Verfassungsmäßigkeit im Sinne des Art140 Abs1 B-VG beeinträchtigende (siehe VfSlg 16151/2001). Die Einhaltung der Vorschriften des GOG NR liegt in der Verantwortung des Parlaments selbst (sogenannte "Parlamentsautonomie"). Keine Verletzung des §44 Abs1 GOG NR wegen Nichteinhaltung der dort vorgesehenen 24-Stunden-Frist (Vorlage eines Ausschußberichtes 24 Stunden vor der Beratung im Plenum des Nationalrates).

Die behauptetermaßen verletzten Regelungen über die Auflagefrist betreffen die parlamentarische Vorbereitung der Beschlußfassung im Plenum, nicht aber betreffen sie ebendiese Beschlußfassung selbst.

Die insofern behauptete Verfassungswidrigkeit des BudgetbegleitG 2003 liegt deshalb schon aus diesem Grunde nicht vor, sodaß es entbehrlich war zu prüfen, ob eine Verletzung des §44 GOG NR stattgefunden hat, ob die von den antragstellenden Abgeordneten und vom Präsidenten des Nationalrates übereinstimmend dargestellten Vorgänge der Verteilung des Ausschußberichtes teils in Papierform, teils mittels e-mail an einen Klub sowie durch Bereitstellung im Internet ab Freitag, dem 06.06.03, 20.15 Uhr, als rechtzeitige Verteilung im Sinne des §44 Abs1 GOG NR zu beurteilen ist, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß der Präsident des Nationalrates im Einvernehmen mit der Präsidialkonferenz vorgeht bzw. ob "Präklusion" der behaupteten Verfahrensmängel anzunehmen wäre.

Keine Verletzung des demokratischen und des rechtsstaatlichen Bauprinzips der Bundesverfassung.

Ein "Recht" von Ausschüssen bzw. von in Ausschüsse entsendeten Mandataren darauf, bestimmt strukturierte Regierungsvorlagen oder Teile davon beraten zu können, ist weder dem GOG NR noch gar der Bundesverfassung zu entnehmen. Im Ergebnis läuft das diesbezügliche Antragsvorbringen darauf hinaus, daß die geltenden Regelungen des GOG NR für unzweckmäßig gehalten werden, weil diese nicht die Möglichkeit vorsehen, eine Regierungsvorlage mehreren Ausschüssen zur Vorberatung in Teilen zuzuweisen. Daraus resultiert aber offenkundig keinerlei Verfassungswidrigkeit hinsichtlich des angefochtenen BudgetbegleitG 2003. Die insoferne geltend gemachten Bedenken sind im Ergebnis rechtspolitischer Art, die nicht im Wege eines verfassungsgerichtlichen Gesetzesprüfungsverfahrens sanktioniert werden können.

Auch die auf §41 Abs5 GOG NR gestützten Bedenken dahingehend, daß bei den Beratungen im Budgetausschuß "vier Rednerlisten" geführt worden seien, obwohl die genannte Bestimmung nur "eine Rednerliste kennt", können eine Verfassungswidrigkeit des BudgetbegleitG 2003 nicht erweisen. Unabhängig von einer allfälligen - hier nicht näher zu prüfenden - Verletzung der genannten Geschäftsordnungsbestimmung zählt sie nicht zu jenen, deren Verletzung zum verfassungswidrigen Zustandekommen des BudgetbegleitG 2003 führen würde.

Gleiches gilt im Ergebnis auch für die auf das rechtsstaatliche Bauprinzip, insbesondere auf das Legalitätsprinzip des Art18 B-VG gestützten Bedenken gegen das BudgetbegleitG 2003 als sogenanntem "Sammelgesetz", weil es systematisch nicht zusammenhängende Materien in sich vereine, sodaß es den Normunterworfenen so gut wie nicht mehr möglich sei, sich über die durch dieses Gesetz geänderte Rechtslage zu informieren (siehe hiezu VfSlg 16381/2001 zum BudgetbegleitG 2001; kein "archivarischer Fleiß" zum Auffinden der relevanten gesetzlichen Bestimmungen erforderlich).

ebenso mit Verweis auf das vorliegende Erkenntnis: G212/03 vom selben Tag.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Gesetz Erlassung, Nationalrat, Grundprinzipien der Verfassung, Bundesrat, demokratisches Grundprinzip, Rechtsstaatsprinzip, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Prüfungsmaßstab, Verständlichkeit einer Norm, Legalitätsprinzip

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:G211.2003

Dokumentnummer

JFR_09959687_03G00211_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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