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19/05 MenschenrechteNorm
BDG 1979 §124;Rechtssatz
Insoweit dem Disziplinarbeschuldigten vorgeworfen wurde, er habe anonyme Anzeigen verfasst, kann schon aus rechtlichen Erwägungen unbeantwortet bleiben, ob tatsächlich der Beschuldigte als "Urheber" dieser Anzeigen anzusehen ist, weil nach den Anschuldigungen des Verhandlungsbeschlusses - über die das Disziplinarerkenntnis durch Schuldspruch oder Freispruch zu entscheiden hat - dem Beschuldigten lediglich angelastet wird, seine mittelbaren Vorgesetzten mit diesen Anzeigen "zu Unrecht beschuldigt zu haben". Dass diese Anzeigen "zu Unrecht" (also sachlich unrichtig) erhoben wurden, ist allerdings nicht festgestellt, bewirkt die Zurücklegung der Anzeigen durch den Staatsanwalt allein doch keine inhaltliche Bindung etwa dahingehend, dass die derart zurückgelegten Anzeigen der sachlichen Berechtigung entbehren oder etwa wider besseres Wissen vom Anzeiger erstattet wurden. Nach dem Verhandlungsbeschluss wurde dem Beschuldigten nicht angelastet, er habe den Dienstweg nicht eingehalten und dadurch Dienstpflichten (im Sinne der §§ 45 Abs. 3, 53 Abs. 1 und 54 Abs. 1 BDG 1979) verletzt (Hinweis E 26. 06. 1991, 91/09/0031, E 16. 01. 1992, 91/09/0182). Die Anzeigeerhebung als solche - ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Anzeigen - kann dem Beschuldigten, falls er tatsächlich Urheber der anonymen Anzeigen sein sollte, noch nicht als Dienstpflichtverletzung vorgeworfen werden, ist doch gemäß den §§ 84 Abs. 1 und 86 Abs. 1 StPO jedermann bzw. auch jede Behörde oder öffentliche Dienststelle grundsätzlich zur Anzeigeerstattung berechtigt bzw. verpflichtet. Daran vermag die im vorliegenden Disziplinarverfahren retrospektiv erfolgte Beurteilung der Anzeigen als "unrichtig" oder "unberechtigt" nichts zu ändern, vermag sich diese ("formale") Beurteilung doch lediglich auf die Zurücklegung der Anzeigen durch den Staatsanwalt zu stützen. Dass der Urheber der anonymen Anzeigen unvertretbare Vorwürfe erhoben hat, die Anzeigen wider besseres Wissen erstattete, oder der Inhalt der Anzeigen die Grenzen einer sachlichen Kritik überschreitet, wurde jedenfalls nicht festgestellt (Hinweis E 02. 07. 1997, 93/12/0122). Es könnte demnach allein die Klärung der Urheberschaft der anonymen Anzeigen vorliegend noch nicht zu einem Schuldspruch gegen den Beschuldigten führen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999090212.X05Im RIS seit
18.10.2002Zuletzt aktualisiert am
28.08.2014