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83 Natur- und UmweltschutzNorm
B-VG Art131 Abs1 Z2 und Z3, Abs2Leitsatz
Verfassungswidrigkeit der Ermächtigung staatlicher Organe (Landeshauptmann und Landesumweltanwaltschaft) zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung von Interessen des Umweltschutzes oder sonstiger von ihnen wahrzunehmender öffentlicher Interessen wegen Verletzung des verfassungsrechtlichen Rechtsschutzsystems; Verletzung subjektiver Rechte als Voraussetzung einer Beschwerdelegitimation vor dem Verfassungsgerichtshof; Amtsbeschwerde wegen objektiver Rechtsverletzung nur vor dem Verwaltungsgerichtshof; Parteistellung einer bestimmten Interessentengruppe auch gemeinschaftsrechtlich nicht gebotenRechtssatz
Zulässigkeit des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung einer Wortfolge in §24 Abs3 UVP-G 2000.
Zwar sind sowohl §19 Abs3 zweiter Satz als auch die in Prüfung gezogene Wortfolge in §24 Abs3 zweiter Satz UVP-G 2000 präjudiziell (vgl VfSlg 10385/1985, 13015/1992). Jedoch stellt nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes die - gedachte - Aufhebung der in Prüfung stehenden Vorschrift deshalb den geringeren Eingriff dar, weil dadurch bloß die Beschwerdelegitimation der "mitwirkenden Behörden" und des Umweltanwaltes gegen einen in einem Feststellungsverfahren gemäß §24 Abs3 UVP-G ergangenen (Feststellungs-)Bescheid über die Frage, ob ein (Bundes-)Straßen- oder Hochleistungsstreckenprojekt iSd §23a f UVP-G 2000 einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach den §24a ff leg cit zu unterziehen ist, beseitigt wird, nicht aber auch die dem Umweltanwalt und dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan nach Abschluss eines (konzentrierten) Genehmigungs- oder eines Abnahmeverfahrens nach dem 2. Abschnitt des UVP-G 2000 eingeräumte Beschwerdeberechtigung.
Dass sich die Beschwerden jedenfalls insofern als unzulässig erweisen, als sie sich auch gegen jene(n) Spruchteil(e) richten, mit dem (denen) Anträge von Gemeinden als unzulässig zurückgewiesen werden, weil es den Einschreitern insofern schon aus diesem Grund an der Beschwerdelegitimation mangelt, ist für die Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens aus Anlass der zu B456,457/03 und B462/03 protokollierten Beschwerden des Landeshauptmannes von Salzburg sowie der Sbg Landesumweltanwaltschaft ohne Belang.
Siehe auch die Beschwerden in den Anlassverfahren B v 16.06.04,
B 456/03 ua (tw Zurückweisung von B 462/03 bereits mit Beschluss vom 11.06.03): keine Beschwerdelegitimation mehr des Landeshauptmannes und der Landesumweltanwaltschaft aufgrund des vorliegenden Erkenntnisses betreffend die Nichtdurchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für den Bau einer zweiten Röhre im Katschbergtunnel; weiters B v 21.06.04, B481/03: Zurückweisung der Beschwerde der Landesumweltanwaltschaft betr den Tauerntunnel,
2. Röhre; ebenfalls keine Legitimation einer nicht in ihren subjektiven Rechten verletzten Gemeinde; im Übrigen Ablehnung der Beschwerde betr den Feststellungsantrag gem §24 Abs3 UVP-G mangels Parteistellung.
Aufhebung der Wortfolge "mit den Rechten nach §19 Abs3 zweiter Satz" in §24 Abs3 UVP-G 2000 idF BGBl I 89/2000.
Die durch den Verweis in §24 Abs3 zweiter Satz UVP-G 2000 bewirkte rechtliche Ermächtigung staatlicher Organe, in concreto des Landeshauptmannes von Salzburg sowie der Sbg Landesumweltanwaltschaft, zwecks Einhaltung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Umwelt oder der von ihnen wahrzunehmenden öffentlichen Interessen dienen, Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben, ist wegen Widerspruchs zu Art144 Abs1 B-VG verfassungswidrig, zumal auch keine sonstige Verfassungsnorm (wie etwa Art119a Abs9 B-VG für die Gemeinden) den genannten Organen unmittelbar die Legitimation zur Erhebung einer derartigen - der Durchsetzung objektiven Rechts dienenden - Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof einräumt oder den einfachen Gesetzgeber zur Einräumung ermächtigt.
Abschließende Regelung der Kontrollbefugnisse des Verfassungsgerichtshofes im B-VG; Verletzung subjektiver Rechte als Voraussetzung der Beschwerdelegitimation nach Art144 B-VG.
Amtsbeschwerden wegen objektiver Rechtsverletzung nur vor dem Verwaltungsgerichtshof gem Art131 Abs1 Z2 und Z3 bzw aufgrund gesetzlicher Regelungen iSd Art131 Abs2 B-VG.
Gemäß Art144 B-VG steht es dem einfachen Gesetzgeber - anders als nach Art131 Abs2 B-VG für den Verwaltungsgerichtshof - nicht frei, staatliche Organe mit der Prozesslegitimation auszustatten, Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen objektiver Rechtswidrigkeit vor dem Verfassungsgerichtshof mittels Beschwerde anzufechten.
Dass der Gesetzgeber die Wahrnehmung aufgabenbezogener öffentlicher Interessen und die Einhaltung von Rechtsvorschriften, also die Gewährleistung der objektiven Rechtmäßigkeit verwaltungsbehördlicher Entscheidungen zum subjektiven Recht von Staatsorganen erklärt, beseitigt die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine diesbezügliche Beschwerdelegitimation staatlicher Organe vor dem Verfassungsgerichtshof keineswegs.
Dass es sich bei den durch §19 Abs3 UVP-G 2000 vom einfachen Gesetzgeber zu subjektiven Rechten erklärten öffentlichen Interessen bestimmter Verwaltungsbehörden einschließlich des Interesses an der Einhaltung umweltschützender Rechtsvorschriften nicht um "echte" subjektive öffentliche Rechte handelt, ergibt sich schon aus dem herkömmlichen Verständnis jener Rechte: Subjektive öffentliche Rechte dienen nicht bloß der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern sind zumindest auch dem Schutz bestimmter privater Interessen zu dienen bestimmt.
Bei den vom Landeshauptmann von Salzburg auch im Rahmen des Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens wahrzunehmenden Aufgaben handelt es sich gerade nicht um rechtlich geschützte (private) Interessen, sondern um öffentliche Aufgaben, also um Kompetenzen.
Aus europarechtlichen Vorschriften, wie insbesondere der UVP-RL 85/337/EWG, ABl 1985 L 175, S 40 (idF der ÄnderungsRL 97/11/EG, ABl 1997 L 73, S 5), ist keinesfalls abzuleiten, "daß einer bestimmten Interessentengruppe in einem durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren Parteistellung im verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinn zukommt oder eingeräumt werden müßte."
Keineswegs kann ferner aus dem Sbg LandesumweltanwaltschaftsG abgeleitet werden, dass die Sbg Landesumweltanwaltschaft "auch privaten Interessen bestimmter, spezifisch betroffener Einzelner zu dienen bestimmt" ist.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Sbg Landesumweltanwaltschaft gemäß §2 Abs1 Sbg LandesumweltanwaltschaftsG eine Einrichtung "mit eigener Rechtspersönlichkeit" ist. Eine derartige Rechtspersönlichkeit ist nämlich immer nur so weit eingeräumt, als die Einrichtung Träger von Rechten und Pflichten ist. Die gesetzliche Zuweisung, also die speziell durch das öffentliche Recht bewirkte Übertragung von Aufgaben (Befugnissen, Verbandskompetenzen) begründet indes keine subjektiven Rechte.
Sbg Landesumweltanwaltschaft Amtspartei iSd §8 Abs4 Sbg LandesumweltanwaltschaftsG (Amtsbeschwerdebefugnis vor dem Verwaltungsgerichtshof).
Im Übrigen deckt der Verwaltungsgerichtshof den hier vom Gesetzgeber angestrebten Schutz öffentlicher (Umwelt)Interessen im Rahmen seiner Kompetenz nach Art131 Abs2 B-VG vollständig ab.
Entscheidungstexte
Schlagworte
EU-Recht Richtlinie, Rechte subjektive öffentliche, Rechtsschutz, Umweltschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung, Verwaltungsgerichtshof Zuständigkeit, Amtspartei, Parteistellung Umweltschutz, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Legitimation, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Zuständigkeit, VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:G4.2004Dokumentnummer
JFR_09959384_04G00004_01