TE Vfgh Beschluss 2005/11/2 B55/05

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Veröffentlicht am 02.11.2005
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
DSt 1990 §27, §28
GOG 1896 §91
VfGG §86
VfGG §88

Leitsatz

Einstellung des Beschwerdeverfahrens gegen die Zurückweisung eines Fristsetzungsantrags im Zusammenhang mit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen einen Rechtsanwalt als gegenstandslos; Wegfall der Beschwer in Folge Abschluss des Verfahrens in der Sache mit rechtskräftigem Erkenntnis des Disziplinarrates; kein Kostenzuspruch

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Niederösterreich. Der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich (in der Folge: Disziplinarrat) fasste am 10. Mai 2004 einen Einleitungsbeschluss aufgrund einer gegen den Beschwerdeführer erstatteten Anzeige.

2. Am 28. Mai 2004 richtete der Beschwerdeführer ein Schreiben an den Disziplinarrat, in welchem er einen Fristsetzungsantrag an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (in der Folge: OBDK) stellte, wonach die OBDK dem Disziplinarrat "eine angemessene Frist für die rechtliche Begründung des Disziplinarvorwurfs" setzen soll.

3. Am 3. September 2004 legte der Beschwerdeführer der OBDK ein Schreiben einschließlich einer Kopie des Fristsetzungsantrags vom 28. Mai 2004 vor. Begründend führte er aus, dass der Disziplinarrat den Fristsetzungsantrag nicht der OBDK vorgelegt, sondern lediglich eine Verhandlung für den 20. September 2004 anberaumt habe.

4. Die OBDK wies den Fristsetzungsantrag mit Beschluss vom 18. Oktober 2004 zurück. Begründend führte sie aus, dass der Fristsetzungsantrag unzulässig sei. Gemäß §91 Gerichtsorganisationsgesetz könne eine Partei, wenn ein Gericht mit der Vornahme einer Verfahrenshandlung säumig sei, "stets bei diesem Gericht den an den übergeordneten Gerichtshof gerichteten Antrag stellen, er möge dem Gericht für die Vornahme der Verfahrenshandlung eine angemessene Frist setzen". Nach §27 Abs1 Disziplinarstatut 1990 (in der Folge: DSt 1990) seien der Beschuldigte und der Kammeranwalt von der Bestellung eines Untersuchungskommissionärs unter Bekanntgabe der wesentlichen Verdachtsgründe zu verständigen. Der Wortlaut der Bestimmung lasse nicht erkennen, dass die Verdachtsgründe in rechtlicher Hinsicht zu qualifizieren seien. Der Beschuldigte erhalte durch die Verständigung über die wesentlichen Verdachtsgründe lediglich das Recht, eine Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Sachvorwürfen abzugeben. Der gemäß §28 DSt 1990 zu fassende Einleitungsbeschluss müsse den vorgeworfenen Sachverhalt derart umschreiben, dass dem Beschuldigten die Vorbereitung einer wirksamen Verteidigung gegen einen konkreten Anschuldigungspunkt und damit gegen den ihn treffenden Vorwurf möglich werde. Im Einleitungsbeschluss vom 10. Mai 2004 seien die Tathandlungen, derer der Beschwerdeführer verdächtigt wurde, umschrieben worden.

5. Gegen diesen Beschluss der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes (§27 DSt 1990) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

6. Die OBDK als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift. In den Verwaltungsakten findet sich das Erkenntnis des Disziplinarrates vom 31. Jänner 2005, mit welchem der Beschwerdeführer von der gegen ihn erhobenen Anschuldigung freigesprochen und von den anteiligen Kosten des Verfahrens losgezählt wurde.

II. Das Verfahren wird eingestellt.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes führt nicht nur die formelle (ausdrückliche) Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern auch der Wegfall des Rechtsschutzinteresses im Zuge eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens zu dessen Einstellung, weil der Verfassungsgerichtshof im Rahmen einer nach Art144 B-VG erhobenen Beschwerde zu einer rein abstrakten Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Bescheides nicht berufen ist. Ergibt sich im Zuge eines derartigen Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof, dass eine fortwirkende Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid nicht (mehr) gegeben ist, sodass auch eine stattgebende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes keine (weitere) Veränderung bewirken würde und die in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen damit nicht mehr fallbezogene, sondern nur noch theoretische Bedeutung besitzen, dann führt dies zur Einstellung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. zB VfSlg. 15.209/1998, 16.228/2001, VfGH 28.9.2004, B406/04).

2. Der angefochtene Bescheid ist zwar mit keinem formellen Akt aus dem Rechtsbestand beseitigt worden, jedoch ist mit dem (rechtskräftigen) Erkenntnis des Disziplinarrates vom 31. Jänner 2005 das den Beschwerdeführer betreffende Verfahren endgültig in der Sache abgeschlossen worden. Auch ohne formelle Aufhebung des angefochtenen Bescheides sind damit dessen behauptete nachteilige Folgen für den Beschwerdeführer (materiellrechtlich) beseitigt. Mehr könnte im Beschwerdefall auch eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verfassungsgerichtshof nicht bewirken.

3. Der Beschwerdeführer ist somit - wie sich auch aus seiner (ihm gemäß §86 VfGG aufgetragenen) Mitteilung vom 22. Juni 2005 ergibt - durch den angefochtenen Bescheid nicht mehr beschwert, weshalb die Beschwerde insoweit als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren hierüber in sinngemäßer Anwendung des §86 VfGG einzustellen war.

4. Kosten waren nicht zuzusprechen, weil eine Klaglosstellung iSd. §88 VfGG nicht vorliegt (zB VfSlg. 15.209/1998 mwN, 16.181/2001, 16.326/2001, 16.487/2002, VfGH 28.9.2004, B406/04).

5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Beschwer, Rechtsanwälte, Disziplinarrecht, VfGH / Gegenstandslosigkeit, VfGH / Klaglosstellung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B55.2005

Dokumentnummer

JFT_09948898_05B00055_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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