RS Vfgh 2004/6/21 G4/03

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 21.06.2004
beobachten
merken

Index

38 Punzierung
38/01 Punzierung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
PunzierungsG 2000 §1 Abs3 Z1, §6 Abs1 Z3

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit der Stichtagsregelung im Punzierungsgesetz 2000; keine Überschreitung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes durch Abstellen auf das Alter von Edelmetallgegenständen bei Ausnahmen von der Punzierungspflicht; keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit und des Eigentumsrechtes in Folge öffentlichen Interesses am Schutz der Erwerber

Rechtssatz

Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung der Wortfolge ", die vor 1938 erzeugt wurden" in §6 Abs1 Z3 PunzierungsG 2000, BGBl I 24/2001, wegen unzulässigen Anfechtungsumfanges; im Übrigen Zulässigkeit des Individualantrags eines auf die Versteigerung von Münzen und Orden spezialisierten Auktionshauses auf Aufhebung der Wortfolge ", sofern sie vor 1938 erzeugt wurden" in §1 Abs3 Z1 PunzierungsG 2000.

Keine Möglichkeit zur Erwirkung eines Feststellungsbescheides.

Besteht der einzige Zweck des Feststellungsbescheides darin, damit ein Mittel zu gewinnen, um die gegen ein Gesetz bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, so ist ein solcher Feststellungsbescheid seit Einführung des Individualantrages kein für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendiges Mittel (VfSlg 11402/1987, 12950/1991, 16003/2000).

Im vorliegenden Fall hatte die Antragstellerin keine rechtliche Möglichkeit, einen Feststellungsbescheid zu erlangen, den sie nach Erschöpfung des Instanzenzugs beim Verfassungsgerichtshof hätte bekämpfen können.

Die Erlassung von (gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehenen) Feststellungsbescheiden setzt ua die Befugnis einer Verwaltungsbehörde voraus, dass sie auch zur Gestaltung (Begründung, Änderung oder Aufhebung) des bescheidmäßig festzustellenden Rechtes oder Rechtsverhältnisses zuständig ist (VfSlg 12768/1991 und die dort zitierte Vorjudikatur). Jene Aufgaben, die bis zur Erlassung des PunzierungsG 2000 den Punzierungsbehörden oblagen, wie die Entscheidung über die Punzierung und die Beurteilung, ob Edelmetallgegenstände zu punzieren sind, sind weggefallen und Erzeugern und Händlern übertragen worden, sodass iSd genannten Rechtsprechung keine Behörde vorhanden ist, die einen Feststellungsbescheid erlassen könnte.

Zur Beseitigung der von der antragstellenden Partei behaupteten Verfassungswidrigkeit reicht die Aufhebung der Wortfolge in §1 Abs3 Z1 aus. Die Aufhebung der Wortfolge ", die vor 1938 erzeugt wurden" in §6 Abs1 Z3 PunzierungsG 2000 würde jedoch bewirken, dass alle Edelmetallgegenstände, gleichgültig, wann sie erzeugt wurden, von der Punzierungspflicht ausgenommen wären. Damit würde aber dem Gesetz ein Inhalt unterstellt, der dem Gesetzgeber kaum zusinnbar wäre und es würden weite Teile des Gesetzes inhaltsleer. Die Aufhebung bloß der entsprechenden Wortfolge in §1 Abs3 Z1 hingegen führt dazu, dass nur Gegenstände mit wissenschaftlichem, künstlerischem, geschichtlichem oder kulturgeschichtlichem Wert von der Punzierungspflicht ausgenommen wären, auch wenn sie nach dem Jahre 1937 erzeugt wurden.

Keine Verfassungswidrigkeit der Stichtagsregelung in §1 Abs3 Z1 PunzierungsG 2000, Wortfolge ", sofern sie vor 1938 erzeugt wurden".

Für Edelmetallgegenstände, die vor dem 01.01.38 erzeugt wurden, unterscheidet das PunzierungsG 2000 zwischen Edelmetallgegenständen mit wissenschaftlichem, künstlerischem, geschichtlichem oder kulturgeschichtlichem Wert und anderen Edelmetallgegenständen. Auf erstere ist das Bundesgesetz nicht anzuwenden (§1 Abs3 Z1 PunzierungsG), bei der zweiten Gruppe muss zwar der Feingehalt geprüft aber keine Punzierung vorgenommen werden (§6 Abs1 Z3 leg cit).

Für Edelmetallgegenstände, die nach dem Jahr 1937 erzeugt wurden, gibt es diese Differenzierung nicht.

Es fällt grundsätzlich in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, eine Wertung zu treffen, wie alt Edelmetallgegenstände sein müssen, um von einer Punzierung absehen zu können, und dies mittels Stichtag festzulegen. Wenn der Gesetzgeber den Anwendungsbereich von Gesetzen von Stichtagen abhängig macht, bleibt es ihm im Prinzip überlassen, den Stichtag festzulegen, ohne dass es für die Wahl des Stichtages einer Rechtfertigung bedarf. In diesem Sinn weist jede Stichtagsregelung ein gewisses Maß an Beliebigkeit auf.

Bei jedem Edelmetallgegenstand tritt im Laufe der Zeit der Edelmetallwert hinter seinen historischen Wert zurück. Der Zeitpunkt, zu dem dies eintritt, ist für einen einzelnen Gegenstand nicht, und schon gar nicht für eine Gruppe von Edelmetallgegenständen exakt datumsmäßig festzustellen. Dem Gesetzgeber, der einen Stichtag für die Punzierungspflicht festlegt, muss daher für die Wahl des Stichtages ein entsprechender zeitlicher Spielraum eingeräumt sein.

Keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit und des Eigentumsrechts.

Dem Gesetzgeber kann bei Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes aus verfassungsrechtlicher Sicht kein Vorwurf gemacht werden, wenn er den von der Antragstellerin vorgetragenen Erwägungen, die (nochmalige) Punzierung könnte den Wert eines Edelmetallgegenstandes beeinträchtigen oder sogar zu Irreführungen bei Käufern führen, weniger Gewicht beimisst als dem öffentlichen Interesse am Schutz der Erwerber. Bei diesen handelt es sich im Allgemeinen doch um Personen mit einigem Fachwissen, wie etwa Sammlern, wobei möglichen Missverständnissen auch durch Information vorgebeugt werden kann.

Bei Abwägung des öffentlichen Interesses an der Punzierungspflicht einerseits und einer möglichen Entwertung, der durch Aufklärung der Erwerber entgegen gewirkt werden kann, sieht der Verfassungsgerichtshof in der angefochtenen Bestimmung auch keinen unverhältnismäßigen und daher verfassungsrechtlich verpönten Eingriff in den Eigentumsschutz.

Entscheidungstexte

  • G 4/03
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 21.06.2004 G 4/03

Schlagworte

Feststellungsbescheid, Erwerbsausübungsfreiheit, Punzierungswesen, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:G4.2003

Dokumentnummer

JFR_09959379_03G00004_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten