RS Vfgh 2004/6/21 G198/01 ua

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 21.06.2004
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Index

23 Insolvenzrecht, Exekutionsrecht
23/04 Exekutionsordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialiät
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
EO §74 idF vor 2. Euro-Justiz-BegleitG, BGBl I 98/2001
RechtsanwaltstarifG TP7 Abs1
VfGG §62 Abs1
ZPO §521a Abs1

Leitsatz

Unsachliche Privilegierung des betreibenden Gläubigers bei Forderungen über einer bestimmten Höhe bei der Regelung des Ersatzes der Kosten der Fahrnisexekution aufgrund der generellen Annahme der Notwendigkeit der Beteiligung am Exekutionsvollzug ab dieser Grenze; Unsachlichkeit der Honorierung der Wegzeit in jedem Fall in gleicher Höhe wie die für das eigentliche Geschäft aufgewendete Zeit im Rechtsanwaltstarifgesetz

Rechtssatz

Zurückweisung des Antrags eines Landesgerichtes auf Aufhebung des §521a Abs1 ZPO mangels Präjudizialität.

Der Fall, welcher das Landesgericht Eisenstadt zum Antrag auf Gesetzesprüfung veranlasst hat, betrifft nach dessen eigenem Vorbringen einen einseitigen Rekurs gegen die Kostenbestimmung über Interventionskosten des Vertreters des betreibenden Gläubigers beim Vollzug einer Fahrnisexekution.

Das anfechtende Landesgericht legt in keiner Weise dar, warum es davon ausgeht, dass es in dem bei ihm vorliegenden Fall, der expressis verbis gerade keiner des §521a Abs1 ZPO ist, die angefochtene Bestimmung, die für namentlich aufgezählte Fälle einen zweiseitigen Rekurs vorsieht, anzuwenden hätte.

Eine Aufhebung dieser Bestimmung würde auch nicht zur Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit führen.

Zulässigkeit hingegen des Antrags auf Aufhebung des §74 Abs1 letzter Satz EO sowie der TP7 Abs1 RechtsanwaltstarifG.

Das Landesgericht Eisenstadt hat nicht genau bezeichnet, in welcher Fassung §74 Abs1 letzter Satz EO angefochten wird. Aus dem Vorbringen ergibt sich jedoch mit noch hinreichender Deutlichkeit, welche Fassung gemeint ist (ebenso hinsichtlich TP7 Abs1 RechtsanwaltstarifG).

Dem Prinzip des geringsten Eingriffes folgend würde die Aufhebung der in eventu angefochtenen Wortfolge der TP7 Abs1 RechtsanwaltstarifG ausreichen, um die behauptete Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Nach der Aufhebung dieser Wortfolge wäre die Auslegung, dass auch die Wegzeit mitumfasst ist, nicht mehr möglich.

Der Hauptantrag (auf Aufhebung der TP7 Abs1 zur Gänze) war daher zurückzuweisen; der Eventualantrag hingegen ist zulässig.

Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §74 Abs1 letzter Satz EO idF vor dem 2. Euro-Justiz-BegleitG, BGBl I 98/2001; Unsachlichkeit der Privilegierung des betreibenden Gläubigers bei Forderungen über S 52.000,-.

Gemäß dem angefochtenen letzten Satz dieser Bestimmung, eingeführt mit der Exekutionsordnungs-Novelle 1995, gelten nunmehr die Kosten der Beteiligung am Exekutionsvollzug bis zur Pfändung jedenfalls als zur Rechtsverwirklichung notwendig, wenn die betriebene Forderung S 52.000,- übersteigt, bei geringeren Forderungen jedoch nicht. Dies bedeutet, dass bei Fahrnisexekutionen unter S 52.000,- unabhängig davon, ob beim Vollzug Schwierigkeiten (rechtlicher oder tatsächlicher Art) zu erwarten sind - in keinem Fall der Verpflichtete dem betreibenden Gläubiger Interventionskosten zu ersetzen hat.

Der Verfassungsgerichtshof hat keinen Einwand gegen eine Bagatellgrenze, die auf die Relation des einzubringenden Betrages zu den Kosten abstellt, hält es aber für unsachlich, wenn ab einer bestimmten Höhe der hereinzubringenden Forderung die Kosten der Beteiligung am Exekutionsvollzug generell als zur Rechtsverwirklichung notwendig zugesprochen werden müssen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass der betreibende Gläubiger unter Beachtung des §252h EO wiederholt Neuvollzüge der Fahrnisexekution beantragen kann, die, werden sie unter Beteiligung durchgeführt, bei Forderungen über S 52.000,- zu weiteren Kosten führen, für die aufgrund der angefochtenen Bestimmung den Verpflichteten jedenfalls die Kostenersatzpflicht trifft und zwar unabhängig davon, ob die Intervention o b j e k t i v gesehen zur Rechtsverwirklichung notwendig war.

Selbst wenn es zur Einstellung der Exekution nach §39 Abs1 Z8 EO kommt, bleibt dem betreibenden Gläubiger ein Anspruch auf Ersatz der ihm bisher im Verfahren aufgelaufenen Kosten bestehen.

Schuldenregulierung als Zweck des Privatkonkursverfahrens.

Aufhebung der Wortfolge "während der ganzen mit der Ausführung der Geschäfte verbrachten Zeit" in Tarifpost 7 Abs1 RechtsanwaltstarifG, BGBl 189/1969 idF BGBl I 71/1999.

Bei exekutiv betriebenen höheren Forderungen handelt es sich nicht um vereinzelt auftretende Härtefälle, sondern es gründet im System, wenn in diesen Fällen entsprechend hohe Kosten für Wegzeiten auflaufen.

Die Honorierung der Wegzeit in jedem Fall in gleicher Höhe wie die Zeit der Vornahme des eigentlichen Geschäftes ist unsachlich und verstößt somit gegen den Gleichheitssatz. Die bekämpfte Wortfolge in TP7 Abs1 RechtsanwaltstarifG war daher als verfassungswidrig aufzuheben.

Entscheidungstexte

  • G 198/01 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 21.06.2004 G 198/01 ua

Schlagworte

Exekutionsrecht, Rechtsanwaltstarif, VfGH / Antrag, Eventualantrag, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, Zivilprozeß, Rechtsmittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:G198.2001

Dokumentnummer

JFR_09959379_01G00198_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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