RS Vfgh 2004/6/30 V88/00 ua

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Veröffentlicht am 30.06.2004
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art139 Abs3
B-VG Art139 Abs4
ElWOG §25 (idF BGBl I 121/2000)
ElWOG §66a Abs6 idF EnergieliberalisierungsG, BGBl I 121/2000
ElWOG §66b idF BGBl I 149/2002
SystemnutzungstarifgrundsatzV, BGBl II 51/1999 §21 Abs1 Z2
Verordnung des BMwA über die Bestimmung der Systemnutzungstarife, Z551352/140-VIII/1/99
Verordnung des BMwA über die Bestimmung der Tarife für das Netzbereitstellungsentgelt, Z551352/140-VIII/1/99 §1 Z1 litd

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Teilen einer gemäß Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes nicht mehr anzuwendenden SystemnutzungstarifeV; teilweise Zulässigkeit des Individualantrags hinsichtlich einer NetzbereitstellungsentgeltV; angefochtene Verordnung bis zum In-Kraft-Treten der Übergangsbestimmung des ElWOG über die Weitergeltung bestimmter Verordnungen als Bundesgesetz an der infolge Aufhebung durch den VfGH unter Fristsetzung unangreifbar gewordenen SystemnutzungstarifgrundsatzV zu messen; gleichheitskonforme Auslegung der SystemnutzungstarifgrundsatzV im Sinne einer tarifmäßigen Nicht-Einbeziehung des 110-kV-Netzes der antragstellenden Gesellschaft in den Netzbereich Oberösterreich; Gesetzwidrigkeit der Zusammenfassung des Netzes der Antragstellerin mit anderen auf der Netzebene 3 in der angefochtenen NetzbereitstellungsentgeltV

Rechtssatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Teilen der Verordnung des BMwA über die Bestimmung der Systemnutzungstarife, Z551352/140-VIII/1/99.

Die Aufhebung bzw Feststellung der Gesetzwidrigkeit der bekämpften Verordnung und der Ausspruch, dass diese nicht mehr anzuwenden ist, durch das Erkenntnis VfSlg 16042/2000 bzw den Beschluss VfSlg 16139/2001 wurden durch die Verfassungsbestimmung des §66b ElWOG (vgl hiezu das E v 08.03.04, G7/03) nicht berührt.

Die geltend gemachte Betroffenheit zum Zeitpunkt der Entscheidung ist allerdings nicht mehr gegeben. Die in dieser Verordnung enthaltenen Preisregelungen können durch den Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes, dass sie nicht mehr anzuwenden ist, als Verordnungsbestimmungen keine Wirkungen mehr entfalten.

Teilweise Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung von Teilen der Verordnung des BMwA über die Bestimmung der Tarife für das Netzbereitstellungsentgelt, Z551352/140-VIII/1/99.

Dem Anliegen der antragstellenden Gesellschaft (sie betrieb sowohl ein Übertragungsnetz iSd §7 Z12 ElWOG als auch Verteilernetze - §7 Z6 ElWOG; sie war Netzbetreiber iSd §7 Z16 ElWOG), auf der Netzebene 3 nicht in den Netzbereich Oberösterreich einbezogen zu sein, wäre schon durch die Aufhebung der - vom übrigen Verordnungstext trennbaren - Worte ", der Linzer Elektrizitäts, Fernwärme und Verkehrsbetriebe Aktiengesellschaft" in §1 Z1 litd NetzbereitstellungsentgeltV entsprochen. Mit der Aufhebung dieser Worte verliert auch die Bestimmung des §2 Abs1 Z1 litd ihre Wirksamkeit für die antragstellende Gesellschaft bezüglich deren 110 kV-Netz, da dann kein Netzbereitstellungstarif bestimmt ist.

Es steht der antragstellenden Gesellschaft auch kein anderer Weg zur Verfügung, ihre Bedenken gegen die Verordnung an den VfGH heranzutragen: Die Zuständigkeit der Energie-Control GmbH zur bescheidmäßigen Feststellung der Höhe der auf Grund der Zusammenfassung von Netzen unterschiedlicher Eigentümer sich ergebenden Ausgleichszahlungen (als eine Tätigkeit, die sich auf die Vollziehung des §25 ElWOG idF BGBl I 121/2000 bezieht) wurde erst mit 01.03.01 begründet.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die näher bezeichneten Worte in §1 Z1 litd der NetzbereitstellungsentgeltV auf frühere Sachverhalte noch anzuwenden und die antragstellende Gesellschaft daher noch aktuell in ihrer Rechtssphäre betroffen ist, ist der Individualantrag insoweit zulässig.

Die angefochtene NetzbereitstellungsentgeltV entfaltete Wirkungen gegenüber der antragstellenden Gesellschaft als Durchführungsverordnung aufgrund der Übergangsbestimmung des §66a Abs6 ElWOG idF BGBl I 121/2000 bis zum Ablauf des 01.12.00; ab 02.12.00 wurde die angefochtene Verordnung in den Gesetzesrang gehoben.

Entgegen seinen im Prüfungsbeschluss zu V22/01 ua vom 11.10.02 vorläufig geäußerten Bedenken ob eines Verstoßes der Regelung des §66a Abs6 ElWOG gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG gelangt der Verfassungsgerichtshof nun zu dem Ergebnis, dass §66a Abs6 ElWOG einer Auslegung zugänglich ist.

Die im Gefolge der Neuregelung des §25 ElWOG normierte Übergangsbestimmung ist gleichzeitig mit §25 am 02.12.00 in Kraft getreten.

Es kann dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden, für den Zeitraum vom 02.12.00 (In-Kraft-Treten des §25 ElWOG neu) bis 30.06.01 (Inkrafttreten der Aufhebung des §25 ElWOG alt und der SystemnutzungstarifgrundsatzV durch den Verfassungsgerichtshof mit VfSlg 15888/2000) die Weitergeltung der in Folge Fristsetzung verfassungsrechtlich unangreifbar gewordenen GrundsatzV neben dem neu geschaffenen §25 ElWOG verfügt zu haben.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bereits mit dem der Kundmachung der Novelle 2000 folgenden Tag, dh am 02.12.00, mit §25 eine Neuregelung der gesetzlichen Grundlage der Systemnutzungstarif-Verordnungen vornehmen, im Übrigen aber die Systemnutzungstarif-Verordnungen bis zur Erlassung neuer Verordnungen durch den Bundesminister oder durch die Energie-Control Kommission in den Gesetzesrang heben wollte.

Bis zum Ablauf des 01.12.00 ist die NetzbereitstellungsentgeltV daher an der SystemnutzungstarifgrundsatzV zu messen.

Eigenständig organisierte und im Eigentum verschiedener Personen stehende Übertragungsnetze dürfen nach den Bestimmungen des ElWOG zu Zwecken der Tarifierung - von den in den Erläuterungen zur SystemnutzungstarifgrundsatzV erwähnten galvanisch verbundenen Netzen, bei denen zwischen den Netzbereichen ein nennenswerter Leistungsaustausch stattfindet, abgesehen - nicht zusammengefasst werden (s Prüfungsbeschluss v 16.03.00, V45/99 ua).

Der Grundsatz der verfassungskonformen Interpretation von Normen verbietet eine gleichheitswidrige Auslegung der SystemnutzungstarifgrundsatzV.

Eine das Netz der antragstellenden Gesellschaft in den Netzbereich "Oberösterreich" einbeziehende Regelung bewirkt einen nicht unerheblichen Nachteil für die antragstellende Gesellschaft, ohne dass sie im öffentlichen Interesse geboten wäre. Insbesondere ist eine pauschalierende Regelung aufgrund der Eigenheiten des Netzes der antragstellenden Gesellschaft und des überschaubaren Kreises von Normadressaten, nämlich der vier in den Netzbereich "Oberösterreich" einbezogenen Netzbetreiber, weder aufgrund der Art der Verbundenheit der Netze aus technischen noch aus verwaltungsökonomischen Gründen (vgl auch zur "Härtefalljudikatur" VfSlg 9258/1981, 10089/1984, 14703/1996) erforderlich.

§21 Abs1 Z2 SystemnutzungstarifgrundsatzV ist daher gleichheitskonform ausgelegt so zu verstehen, dass für die Netzebene 3 (und nur diese ist im vorliegenden Fall, in dem es um die Bestimmung des Netzbereitstellungsentgelts geht, maßgebend) nicht nur für das von der Oberösterreichischen Landesgesellschaft abgedeckte Gebiet, sondern auch für das von der antragstellenden Gesellschaft abgedeckte Gebiet ein eigener Netzbereich vorzusehen ist.

Die Worte ", der Linzer Elektrizitäts, Fernwärme und Verkehrsbetriebe Aktiengesellschaft" im §1 Z1 litd der NetzbereitstellungsentgeltV vom 02.09.99, Z551352/140-VIII/l/99, werden für die Zeit bis zum Ablauf des 01.12.00 als gesetzwidrig aufgehoben.

Die im §1 Z1 litd für die Netzebene 3 im Netzbereich Oberösterreich vorgenommene Zusammenfassung des Netzes der antragstellenden Gesellschaft ua mit dem Netz der Energie Aktiengesellschaft Oberösterreich widersprach §21 Abs1 Z2 der SystemnutzungstarifgrundsatzV.

Aufhebung gemäß Art139 Abs3 B-VG; keine bloße Feststellung der Gesetzwidrigkeit.

Wenngleich der zeitliche Anwendungsbereich der bekämpften Norm mit 02.12.00 im Hinblick auf das Inkrafttreten des §66a Abs6 ElWOG idF des EnergieliberalisierungsG als Verordnung beendet war, ist mangels Anordnung einer Rückwirkung durch das EnergieliberalisierungsG davon auszugehen, dass die Verordnung auf während ihres Geltungszeitraums verwirklichte Sachverhalte weiterhin anzuwenden ist (vgl insbesondere E v 11.12.03, V39/00, sowie die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Abgabengesetzen mit beschränktem zeitlichen Anwendungsbereich, s VfSlg 8709/1979, S 417, und die dort angeführte Vorjudikatur). Daher ist mit einer Aufhebung nach Abs3 des Art139 B-VG und nicht mit einem Ausspruch nach Abs4 der genannten Verfassungsbestimmung vorzugehen.

Entscheidungstexte

  • V 88/00 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 30.06.2004 V 88/00 ua

Schlagworte

Auslegung verfassungskonforme, Energierecht, Elektrizitätswesen, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, Geltung Gesetz, Geltung Verordnung, Anwendbarkeit, Übergangsbestimmung, Preisrecht, Preisregelung, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Individualantrag, VfGH / Legitimation, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Prüfungsumfang, Determinierungsgebot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:V88.2000

Dokumentnummer

JFR_09959370_00V00088_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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