RS Vfgh 2004/6/30 B869/03

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Veröffentlicht am 30.06.2004
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Index

66 Sozialversicherung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art10 Abs1 Z11
B-VG Art21 Abs1
StGG Art5
ASVG §5 Abs1 Z3 lita, §7 Z2 lita, §45 Abs1, §70a, §108 Abs3
B-KUVG §2, §19 Abs6, §24b
BSVG §23 Abs9, §33c
GSVG §2 Abs1 Z4, §25 Abs5, §35b, §36, §48
Sbg Magistrats-Beamtinnen- und Magistrats-BeamtenG 2002 §191

Leitsatz

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Eintritt einer Doppel- bzw Mehrfachversicherung bei mehreren Erwerbstätigkeiten; Erstattung von Beiträgen im Fall einer Doppel- und Mehrfachversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bei Übersteigen der Höchstbeitragsgrundlage verfassungsrechtlich nicht geboten; Unbedenklichkeit der bundesgesetzlichen Nichtberücksichtigung von Beitragsleistungen zu den Krankenfürsorgesystemen der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände im Wege einer Erstattungsregelung oder einer Differenzvorschreibung bei Überschreiten der bundesgesetzlich geregelten Höchstbeitragsgrundlage angesichts der Kompetenzlage

Rechtssatz

Ein System, in dem die Versicherungspflicht an eine bestimmte Erwerbstätigkeit anknüpft, sodass bei gleichzeitigem Bestehen zweier oder mehrerer Erwerbstätigkeiten eine sogenannte Doppel- bzw Mehrfachversicherung eintritt, erweckt keine verfassungsrechtlichen Bedenken (s schon VfSlg 4714/1964, 4801/1964 und 6181/1970).

Auch begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, jedes Erwerbseinkommen gesondert bis zur Höchstbeitragsgrundlage der Beitragsberechnung zugrunde zu legen.

Die Erstattung von Beiträgen in Fällen der Doppel- oder Mehrfachversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist aus verfassungsrechtlicher Sicht auch dann nicht geboten, wenn die sich in solchen Fällen ergebende Beitragsbelastung die der Höchstbeitragsgrundlage entsprechende Beitragsleistung übersteigen würde (VfSlg 14802/1997, S 420 f).

Rechtspolitischer Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei Normierung der Versicherungspflicht und der Ausnahmen von der Pflichtversicherung.

Personen mit einem landesgesetzlich geregelten Krankenversorgungsanspruch, dh. mit einem Anspruch dienstrechtlicher Natur gegenüber ihrem öffentlich-rechtlichen Dienstgeber Land, Gemeinde oder Gemeindeverband, sind mit diesem Dienstverhältnis auch nach Inkrafttreten des mit dem Arbeits- und Sozialrechts-ÄnderungsG 1997 (ASRÄG 1997) geschaffenen Systems der Mehrfachversicherung wegen der vom Gesetzgeber angenommenen Gleichwertigkeit ihrer Versorgungsansprüche weiterhin von der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen, und zwar privatrechtlich Bedienstete von jener nach dem ASVG (vgl dessen §7 Z2 lita iVm §5 Abs1 Z3 lita ASVG), öffentlich-rechtlich Bedienstete von jener nach dem B-KUVG (vgl dessen §2).

Diese Personen gehören somit auf Grund ihrer Tätigkeit als öffentlich Bedienstete nicht dem bundesgesetzlich geregelten System der sozialen Krankenversicherung an.

Das System einer Mehrfachversicherung mit gemeinsamer Höchstbeitragsgrundlage entspricht dem geltenden Recht: Beiträge sind in der gesetzlichen Krankenversicherung nur bis zum Erreichen der - allen Sozialversicherungsgesetzen gemeinsamen (vgl §45 Abs1 ASVG, §19 Abs6 B-KUVG, §25 Abs5 iVm §48 GSVG, §23 Abs9 BSVG iVm §48 GSVG, jeweils iVm §108 Abs3 ASVG) - Höchstbeitragsgrundlage zu leisten, dies mit der Konsequenz, dass - auch in Fällen von Mehrfachversicherungen nach diesen Bundesgesetzen - entweder nur die dieser Höchstbeitragsgrundlage entsprechende Beitragsleistung vorgeschrieben wird oder zumindest die darüber hinaus entrichteten Beiträge erstattet werden (vgl §70a ASVG, §24b B-KUVG, §36 GSVG, §33c BSVG).

Der Gesetzgeber ist aber nicht verpflichtet, in dieses System auch die landesgesetzlichen Krankenfürsorgesysteme mit einzubeziehen oder sonst zu berücksichtigen.

Der Bund kann im Rahmen seiner Kompetenz zur Regelung des Sozialversicherungswesens (Art10 Abs1 Z11 B-VG) nicht darauf Einfluss nehmen, ob überhaupt und - wenn ja - in welcher Höhe und von welcher Bemessungsgrundlage Beiträge zu den landesgesetzlichen Krankenfürsorgeeinrichtungen eingehoben werden, weil diese Aspekte im Rahmen der Dienstrechtskompetenz von den Ländern (Art21 Abs1 B-VG) zu regeln sind. Aus diesen Gründen wäre es dem Bundesgesetzgeber auch verwehrt, eine gemeinsame - die soziale Krankenversicherung und die landesgesetzlichen Krankenfürsorgesysteme übergreifende - Höchstbeitragsgrundlage oder aber auch Regelungen über die Aufteilung der Beiträge unter den Trägern der sozialen Krankenversicherung und den Krankenfürsorgeeinrichtungen vorzusehen. Angesichts dieser Kompetenzlage ist der Bundesgesetzgeber vom Standpunkt des Gleichheitssatzes nicht verpflichtet, die (unterschiedlichen) Beitragsleistungen zu den Krankenfürsorgesystemen der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände - sei es im Wege einer "Differenzvorschreibung", sei es durch eine Erstattungsregelung - so zu berücksichtigen, dass sie die Beitragsverpflichtung in der sozialen Krankenversicherung mindern oder gar zu einer beitragsfreien Krankenversicherung führen.

Es erweckt daher aus verfassungsrechtlicher Sicht kein Bedenken, Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung - wie in den §36 und §35b GSVG (idF des ASRÄG 1997) vorgesehen - lediglich insoweit zu erstatten bzw. von Vornherein nicht vorzuschreiben, als die Beitragsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung - ohne Berücksichtigung des im Rahmen eines landesgesetzlichen Versorgungssystems beitragspflichtigen Einkommens - die bundesgesetzlich geregelte Höchstbeitragsgrundlage überschreiten.

Keine denkunmögliche oder willkürliche Gesetzesanwendung durch Feststellung, dass der Beschwerdeführer, ein Magistratsbeamter der Stadt Salzburg, auf Grund seiner Tätigkeit als gerichtlicher Sachverständiger der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem GSVG (§2 Abs1 Z4) unterliegt, und durch die Abweisung seines - im Hinblick auf die Überschreitung der Höchstbeitragsgrundlage gestellten - Antrags auf Anwendung des §35b GSVG ("Differenzvorschreibung") mangels Bestehens einer weiteren Pflichtversicherung "nach einem anderen Bundesgesetz" (vgl §35b GSVG).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Kompetenz Bund - Länder Dienstrecht, Kompetenz Bund - Länder Sozialversicherung, Sozialversicherung, Krankenversicherung, Beitragspflicht, Riskengemeinschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B869.2003

Dokumentnummer

JFR_09959370_03B00869_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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