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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Verordnung betreffend die Auflassung eines Wirtschaftsweges mangels unmittelbarer rechtlicher Betroffenheit der antragstellenden AnrainerSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. Die Antragsteller sind Eigentümer von Liegenschaften in Göllersdorf, die nach Inhalt der Verwaltungsakten von der B 303 Waldviertler Schnellstraße durch drei parallel dazu verlaufende Wegparzellen ("Begleitweg") getrennt und an den übrigen Seiten durch den Rest einer dieser Wegparzellen und zwei weiteren Wegparzellen umschlossen sind. Sie betreiben auf den Liegenschaften nach ihren Angaben eine Landwirtschaft und in deren Rahmen eine Reithalle mit Stallungen, die durch den Begleitweg zur B 303 aufgeschlossen wird.
1. Im Zuge der Verbreiterung der B 303, über die es mit den Beschwerdeführern im Bewilligungsverfahren zu keiner Einigung betreffs der gewünschten Grundablöse gekommen war, kündigte die Marktgemeinde Göllersdorf die Erlassung einer Verordnung über die Auflassung des Begleitweges an, "für den keine Verkehrsbedürfnisse mehr" bestünden, sodass er "entbehrlich geworden sei".
Gegen diese Absicht sprachen sich die Antragsteller mit dem Hinweis aus, dass - abgesehen von der Pferdestallung - "von Haus aus vorgesehen gewesen" sei, "dass die landwirtschaftlichen Grundstücke von mehreren Seiten erreicht werden sollten, da die Geländeverhältnisse die maschinelle Bewirtschaftung von einer Seite aus nicht gestatten". Sie hätten erwartet, dass der Begleitweg in Richtung Westen verschoben würde. Andernfalls wollten sie die seinerzeit bei der Anlegung des Wirtschaftsweges nach dem Liegenschaftsteilungsgesetz abgeschriebenen Grundstücke zurückhaben oder eine entsprechende Entschädigung erhalten.
In einem weiteren Schriftsatz wird näher dargelegt, dass bei Schlechtwetter und im Winter die Zu- und Abfahrt zu den Grundstücken ohne den Begleitweg (mit Traktoren, großen Anhängern oder Autos mit Sattelschleppern) unmöglich und gefährlich ist.
Am 15. Juni 2005 beschloss der Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung - in Kenntnis dieser Stellungnahmen - gemäß §6 Abs2 NÖ StraßenG,
"den für den keine Verkehrsbedürfnisse mehr bestehenden,
entbehrlich gewordenen Wirtschaftsweg ... zwischen der Gemeindestraße
... und der Gemeindestraße ... längs der Landstraße B 303 von km ...
bis km ..., zur Verbreiterung der B 303, als Gemeindestraße aufzulassen.
Die planliche Darstellung des aufzulassenden Wirtschaftsweges, in der dieser rot dargestellt ist, liegt zur Einsichtnahme innerhalb der Kundmachungsfrist, während der Amtsstunden, im Gemeindeamt Göllersdorf auf."
2. Mit dem vorliegenden, auf Art139 B-VG gestützten Antrag ("Individualbeschwerde") wird die Aufhebung dieser Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit begehrt: Gerügt werden der in der Ankündigung nicht enthalten gewesene Beisatz "zur Verbreiterung der B 303", die Beschlussfassung in nichtöffentlicher Sitzung des Gemeinderates und die Nichtbeachtung des Nachbarrechts der Antragsteller.
Die Marktgemeinde Göllersdorf verteidigt die Verordnung mit dem Hinweis auf das im Straßenbaubewilligungsverfahren abgegebene Gutachten des Amtsachverständigen für Verkehrstechnik, wonach der die Straße begleitende Wirtschaftsweg zur Verbreiterung der B 303 ausreiche und den Grundbesitzern der längere Weg zur Erreichung der Liegenschaft zumutbar sei; die Grundstücke seien von drei Seiten durch öffentliche Wirtschaftswege erreichbar. Die Beschlussfassung in nichtöffentlicher Sitzung habe dem Datenschutz, im Besonderen auch der Antragsteller, gedient.
Die Niederösterreichische Landesregierung als oberste Verwaltungsbehörde hält den Antrag für unzulässig. Trotz Auflassung des Begleitweges könnten die Antragsteller ihre Liegenschaften über das öffentliche Straßennetz erreichen. Ein 300 Meter längerer Weg sei zumutbar. Die Behauptung der Antragsteller, wegen der schlechten Zufahrtsmöglichkeiten hätten einzelne Kunden ihre Einstellverträge für Pferde bereits gekündigt, zeige, dass die Antragsteller ausschließlich in wirtschaftlicher Hinsicht betroffen seien.
In der Sache verteidigt sie die Gesetzmäßigkeit der Verordnung.
II. Der Antrag ist nicht zulässig.
1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB. VfSlg. 8594/1979, 10.353/1985, 11.730/1988).
Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass niemandem ein subjektives Recht auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauches an einer öffentlichen Straße zukommt (VfSlg. 9309/1981, 10.423/1985, 14.275/1995, 15.871/2000, 16.976/2003); er hat auch in jenen Fällen die unmittelbare Betroffenheit in Rechten und mit ihr die Antragslegitimation verneint, in denen sich die behaupteten Wirkungen einer Verordnung ausschließlich als wirtschaftliche Reflexwirkungen darstellten (zB. VfSlg. 8060/1977, 8670/1979).
Der Verfassungsgerichtshof hat allerdings in ähnlichen Zusammenhängen bei Vorliegen besonderer Konstellationen auch schon wiederholt eine solche unmittelbare Betroffenheit in Rechten angenommen: So etwa dann, wenn durch eine Verordnung dem Antragsteller die einzige rechtliche Möglichkeit genommen wird, seinen zulässigerweise verfolgten Interessen nachzugehen, weil in einem solchen Fall über eine bloß wirtschaftliche Reflexwirkung hinaus die rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers unmittelbar durch die Verordnung berührt werden (vgl. VfSlg. 8984/1980, 9721/1983, 15.871/2000, 16.976/2003). Auch in den bereits zitierten Entscheidungen, in denen es um die Anfechtung von Verordnungen ging, mit denen öffentliche Straßen aufgelassen wurden, hat es der Verfassungsgerichtshof nicht ausgeschlossen, dass bei Vorliegen solcher besonderer Umstände der jeweilige Antrag zulässig gewesen wäre (vgl. VfSlg. 10.423/1985, 452: "Die Rechtssphäre der Antragsteller als Eigentümer der Liegenschaft wird jedoch dadurch nicht berührt, da die Zu- und Abfahrt für ihre Liegenschaft nach wie vor gesichert ist ..."; vgl. weiters VfSlg. 14.275/1995, 340 sowie 17.114/2004 und 17.267/2004).
2. Das NÖ Straßengesetz sieht für die Auflassung von Gemeindestraßen keine besonderen, über die Möglichkeit der Stellungnahme zur Auflassungsabsicht hinausgehenden subjektiven Rechte der Anrainer vor. Dass aber die Antragsteller im Sinne der dargestellten Rechtslage im Eigentumsrecht an ihren Liegenschaften dadurch nicht berührt werden, dass eine bestehende Zufahrt zu ihrer landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft wegfällt, ist schon nach ihrem eigenen Vorbringen klar: grenzen doch ihre Grundstücke - wie auch die Akten zeigen - nach wie vor an drei Seiten an eine öffentliche Straße an. Besondere Gründe, die es ausschlössen, über diesen Zugang - wenn auch vielleicht unter Inanspruchnahme des eigenen Grundstückes - eine die ordnungsmäßige Nutzung ermöglichende Zu- und Abfahrt einzurichten, sind nicht vorgebracht und nicht erkennbar.
Den Antragstellern fehlt daher die Legitimation zur Anfechtung der Verordnung. Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen, was ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden kann (§19 Abs3 Z2 lite VfGG).
Schlagworte
Straßenverwaltung, Gemeindestraße, Widmung, VfGH / Individualantrag, Rechte subjektive öffentliche, GemeingebrauchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:V71.2005Dokumentnummer
JFT_09948872_05V00071_00