TE Vfgh Erkenntnis 2005/11/28 V72/05

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Veröffentlicht am 28.11.2005
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
Flächenwidmungsplanänderung der Gemeinde Untertilliach vom 25.07.03
Tir RaumOG 2001 §107 Abs4 lita

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Flächenwidmungsplanänderung betreffend Umwidmung eines als allgemeines Mischgebiet gewidmeten Grundstücks in Sonderfläche Holzschnitzellager, Garage, Schafstall und Heulager mangels Vorliegen eines wichtigen öffentlichen Interesses sowie ausreichender Grundlagenforschung

Spruch

Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Untertilliach vom 25. Juli 2003, genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 8. September 2003, mit der der Flächenwidmungsplan geändert wurde, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Bürgermeister der Gemeinde Untertilliach erteilte am 9. Oktober 2003 die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Wirtschaftsgebäudes mit Schafstall für rund 40 Mutterschafe mit Lämmern auf dem als "Sonderfläche Holzschnitzellager, Garage, Schafstall und Heulager" gewidmeten Grundstück Nr. 1247/3, KG Untertilliach; dieses grenzt unmittelbar an das mit einem Wohnhaus bebaute und als "allgemeines Mischgebiet" gewidmete Grundstück des im Anlassfall beschwerdeführenden Nachbarn an. Die Tiroler Landesregierung wies die gegen den abweisenden Berufungsbescheid erhobene Vorstellung als unbegründet ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B730/04 protokollierte Beschwerde des Nachbarn, in der geltend gemacht wird, durch die Errichtung des Schafstalles sei mit erheblicher Lärm- und Geruchsbelästigung auf seinem zu Wohnzwecken genutzten und als "allgemeines Mischgebiet" gewidmeten Grundstück zu rechnen; die Umwidmung widerspreche dem Ziel der örtlichen Raumordnung der weittestmöglichen Vermeidung von Nutzungskonflikten (§27 Abs2 litc Tiroler Raumordnungsgesetz 2001; im Folgenden: TROG 2001). Es liege auch kein wichtiger im öffentlichen Interesse gelegener Grund gemäß §107 Abs4 lita TROG 2001 für die Umwidmung des Baugrundstücks von "allgemeinem Mischgebiet" in "Sonderfläche Holzschnitzellager, Garage, Schafstall und Heulager" vor.

Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 7. Juni 2005 nach Einsichtnahme in den Verordnungsakt von Amts wegen die Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates von Untertilliach vom 25. Juli 2003 beschlossen, womit der Flächenwidmungsplan dahin geändert wurde, dass eine Teilfläche des Grundstücks Nr. 1247/3, KG Untertilliach, von "allgemeinem Mischgebiet" in "Sonderfläche Holzschnitzellager, Garage, Schafstall und Heulager" umgewidmet wurde.

Der zur Beurteilung der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung unter anderem maßgebliche §107 Abs4 TROG 2001, LGBl. Nr. 93/2001 lautet wie folgt:

"§107

Örtliche Raumordnungskonzepte, bestehende Flächenwidmungspläne,

anhängige Verfahren

[...]

(4) Bis zum In-Kraft-Treten des örtlichen Raumordnungskonzeptes darf der Flächenwidmungsplan nur geändert werden, wenn

a) ein wichtiger im öffentlichen Interesse gelegener Grund vorliegt und die Änderung den Zielen der örtlichen Raumordnung nach diesem Gesetz nicht widerspricht;

b) die Änderung zur Vermeidung von Nutzungskonflikten oder wechselseitigen Beeinträchtigungen erforderlich ist;

c) die Änderung zur Schaffung eines für ein bestimmtes Bauvorhaben ausreichend großen Bauplatzes erforderlich ist und die betreffende Grundfläche großteils bereits als Bauland, als Sonderfläche oder als Vorbehaltsfläche gewidmet ist;

d) die Änderung eine Festlegung nach §12 Abs2 zweiter und dritter Satz zum Inhalt hat.

Der Flächenwidmungsplan ist zu ändern, wenn die Voraussetzungen nach §36 Abs1 litc, d oder e vorliegen."

Die Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung formulierte der Verfassungsgerichtshof wie folgt:

"a) Es scheint, dass zum Zeitpunkt der Erlassung der in Prüfung gezogenen Verordnung in der Gemeinde Untertilliach noch kein örtliches Raumordnungskonzept gemäß §107 Abs1 TROG 2001 vorlag. Dementsprechend dürfte zur Beurteilung des Vorliegens der Änderungsvoraussetzungen für die Flächenwidmungsplanänderung vom 25. Juli 2003 §107 Abs4 TROG 2001 heranzuziehen sein. Gemäß §107 Abs4 lita leg. cit. (litb, c und d scheinen in Ansehung des vorliegenden Sachverhaltes als Änderungstatbestände jedenfalls nicht in Betracht zu kommen) darf der Flächenwidmungsplan bis zum Inkrafttreten des örtlichen Raumordnungskonzeptes nur geändert werden, wenn ein wichtiger im öffentlichen Interesse gelegener Grund vorliegt und die Änderung den Zielen der örtlichen Raumordnung nach diesem Gesetz nicht widerspricht.

Nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes waren jedoch diese Voraussetzungen für die Umwidmung einer Teilfläche des Grundstücks Nr. 1247/1 von 'allgemeinem Mischgebiet' in 'Sonderfläche Holzschnitzellager, Garage, Schafstall und Heulager' nicht erfüllt (vgl. zu §108 Abs4 lita TROG 1997 vgl. VfSlg. 16.386/2001, VfGH vom 14. Juni 2004, V11/04). Die Änderung scheint nämlich allein aus dem Grund vorgenommen worden sein, den Bauwerbern die Errichtung eines Schafstalles zu ermöglichen, für den auf dem bestehenden Hof die Baufläche fehlte (vgl. Gutachten des Ortsplaners vom 2. Juni 2003). Die Errichtung eines Schafstalles dürfte jedoch ausschließlich im Interesse der Grundstückseigentümer und nicht im öffentlichen Interesse liegen. Zudem dürfte die Flächenwidmungsplanänderung im Widerspruch zu dem in §27 Abs2 litc TROG 2001 festgelegtem Ziel der örtlichen Raumordnung stehen, Nutzungskonflikte und wechselseitige Beeinträchtigungen beim Zusammentreffen verschiedener Widmungen möglichst zu vermeiden.

b) Sollten die Änderungsvoraussetzungen entgegen diesen vorläufigen Annahmen gegeben sein, hegt der Verfassungsgerichtshof ein weiteres Bedenken wegen mangelhafter Erhebung der Entscheidungsgrundlagen:

Mag sein, dass die nebeneinander festgelegten Widmungen 'allgemeines Mischgebiet' und Sonderfläche im Hinblick auf eine gewachsene Siedlungsstruktur und die Standortgebundenheit eines landwirtschaftlichen Betriebes mit dem örtlichen Raumordnungsziel der weitest möglichen Vermeidung von Nutzungskonflikten und wechselseitigen Beeinträchtigungen beim Zusammentreffen verschiedener Widmungen gemäß §27 Abs2 litc TROG 2001 vereinbar sind (vgl. VfSlg. 8701/1979, 14.976/1997), die von der Gemeinde durchgeführte Grundlagenforschung hinsichtlich der Prüfung der in §107 Abs4 TROG 2001 normierten Voraussetzungen scheint allerdings unzureichend gewesen zu sein (vgl. §28 TROG 2001).

Aus der im Auflageverfahren abgegebenen Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 9. Juli 2003 ergibt sich, dass die Bauwerber 'vor mehreren Jahren ihren Stall abgerissen haben und an dieser Stelle ein neues Gebäude errichtet haben, in dem einerseits Räumlichkeiten für den Gastronomiebetrieb und die Unterbringung von Gästen, andererseits aber auch ein Stall untergebracht sind. Der Stall wird aber nicht als solcher genutzt, offensichtlich auch deshalb, weil es zu Geruchsbelästigungen für die Gäste kommen könnte.'

Die Protokolle der Gemeinderatssitzungen vom 18. Juni 2003 und 25. Juli 2003 weisen weder eine Erörterung des in §107 Abs4 TROG 2001 normierten Erfordernisses eines öffentlichen Interesses noch eine Auseinandersetzung mit den - einen möglichen Widerspruch zu den Zielen der örtlichen Raumordnung behauptenden - Einwendungen des Nachbarn aus. Diese Einwendungen ziehen insbesondere die Verträglichkeit der bestehenden und neu festgelegten Widmungen und die Erforderlichkeit der konkreten Situierung der Sonderflächenwidmung im Hinblick auf eine möglichste Schonung der Nachbarn in Zweifel. Der bloße Hinweis des Ortsplaners darauf, dass das geplante Gebäude notwendig erscheine, da um den bestehenden Hof die Baufläche fehle, dürfte ebenso wenig wie die erst im aufsichtsbehördlichen Verfahren eingeholte 'ergänzende' Stellungnahme der Raumplanungsabteilung eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Umwidmung darstellen.

c) Schließlich dürften auch eine nicht ordnungsgemäße Kundmachung der Entwurfsauflage und der Beschlussfassung über die Verordnung vom 25. Juli 2003 einschließlich des Planes die Änderung des Flächenwidmungsplans gesetzwidrig machen:

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes führt die Unterlassung der Kundmachung (vgl. VfSlg. 7214/1973) und die Nichteinhaltung von Fristen, die vom Gesetzgeber in einem zur Erlassung einer Verordnung führenden Verfahren im Rahmen von Kundmachungsvorschriften angeordnet wurden, zur Gesetzwidrigkeit der Verordnung (zur Kundmachungsfrist vgl. VfSlg. 6949/1972; zur gehörigen bzw. gesetzwidrigen Kundmachung vgl. z.B. VfSlg. 11.277/1987, 13.623/1993, 13.584/1993, 14.689/1996). Gleiches gilt für den Fall, dass ein Flächenwidmungsplan unter Nichteinhaltung einer Frist, innerhalb derer der Entwurf zur allgemeinen Einsicht aufzulegen ist, zustande gekommen ist (VfSlg. 8213/1977); hingegen bewirkte die lediglich wenige Stunden vor dem Verstreichen der Frist erfolgte Abnahme der Kundmachung über die Auflage - nach Ablauf der für die Einsichtnahme möglichen Amtsstunden - keine Verkürzung einer sechswöchigen Frist zur allgemeinen Einsicht in den Flächenwidmungsplan (VfSlg. 10.471/1985).

Die Kundmachung der Auflegung ist gemäß §68 Abs1 iVm §64 Abs1 TROG 2001 durch Anschlag an der Amtstafel während der gesamten vierwöchigen Auflegungsfrist kundzumachen. Im vorliegenden Fall dürfte die Kundmachung der Auflegung im Widerspruch zu der genannten Bestimmung am 20. Juni 2003 angeschlagen und bereits am 22. Juni 2003 abgenommen worden sein.

Der Beschluss des Gemeinderates über die Änderung des Flächenwidmungsplanes ist gemäß §68 Abs1 iVm §67 Abs1 TROG 2001 innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen der aufsichtsbehördlichen Genehmigung durch öffentlichen Anschlag während zweier Wochen kundzumachen; die Änderung des Flächenwidmungsplans ist im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht während der Amtsstunden aufzulegen (§68 Abs1 iVm §67 Abs3 TROG 2001).

Aus dem Akt ist weder eine Kundmachung des Beschlusses vom 25. Juli 2003 noch die Auflegung des Planes iSd §67 iVm §68 Abs1 TROG 2001 ersichtlich.

Die Änderung des Flächenwidmungsplans dürfte auch wegen Unterbleibens dieser Akte gesetzwidrig sein."

Die Gemeinde Untertilliach bezeichnet in ihrer Stellungnahme den - die Kundmachung der Auflegung betreffenden - "Tag der Abnahme" als simplen Schreibfehler (2003-06-20 statt richtig 2003-07-20) und verweist auf die "Entscheidung" des Landes Tirol (gemeint offenbar: die Äußerung der Landesregierung).

Die Tiroler Landesregierung führt in ihrer Äußerung Folgendes aus:

"Auch wenn im Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 08.09.2003, mit welchem dem Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Untertilliach vom 25.07.2003, die aufsichtsbehördliche Genehmigung erteilt wurde, nicht näher auf das Vorliegen des öffentlichen Interesses eingegangen wurde, so darf nunmehr diesbezüglich ausgeführt werden, dass die Erhaltung bzw. Erweiterung von landwirtschaftlichen Strukturen ein solches öffentliches Interesse darstellt. Gerade im ländlichen Raum und auch unter Berücksichtigung der für die bauliche Entwicklung als Wohngebiet äußerst schwierigen Topographie der Gemeinde Untertilliach, sind Initiativen zur Erweiterung bzw. zur Absicherung der bestehenden landwirtschaftlichen Struktur zu begrüßen und unterstützenswert, auch wenn, wie im gegenständlichen Fall, die Umwidmung auch dazu vorgenommen wurde, um den Bauwerbern die Errichtung von landwirtschaftlichen Gebäude zu ermöglichen und darin sicherlich auch ein persönliches Moment steckt.

Gemäß §27 Absatz 2 litc TROG 2001 ist es u.a. Ziel der örtlichen Raumordnung, die weitestmögliche Vermeidung von Nutzungskonflikten und wechselseitigen Beeinträchtigungen beim Zusammentreffen verschiedener Widmungen, insbesondere auch unter Bedachtnahme auf die Standorte von Betrieben im Sinne des §1 Absatz 2 lite und die für die Ansiedlung oder Erweiterung solcher Betriebe vorgesehenen Standorte. Es liegt in der Natur der Sache und es ist auch aktenkundig, dass Nachbarn, bei einer Erweiterung eines (landwirtschaftlichen) Betriebes in der Nachbarschaft negative Einflüsse auf ihr Grundstück und auf ihre Lebensqualität befürchten und dahingehend Einwendungen erheben.

Betrachtet man die Siedlungsstruktur des gegenständlichen Gebietes so ist ersichtlich, dass neben den Gebäuden des Eigentümers drei weitere Grundstückseigentümer in diesem Gebiet wohnen. Einer von ihnen ist der Beschwerdeführer. Von den restlichen in der Nähe wohnenden Anrainern wurden keine Einwände vorgebracht.

Eine vollkommene Vermeidung von Nutzungskonflikten und wechselseitigen Beeinträchtigungen beim Zusammentreffen verschiedener Widmungen ist in den seltensten Fällen möglich und wird dies vom Gesetz auch insofern abgeschwächt, als der Wortlaut 'weitestmögliche' Vermeidung bewusst verwendet wird.

Da offensichtlich vor allem der Schafstall ... mit den darin gehaltenen Schafen Anlass für die Beschwerde ist, darf noch hinzugefügt werden, dass die Errichtung eines solchen Schafstalles alleine aufgrund der bisherigen Widmung als allgemeines Mischgebiet nach §40 Absatz 2 TROG 2001 möglich gewesen wäre. Durch die Sonderflächenwidmung wird die bauliche Entwicklung auf einen bestimmten Zweck eingeschränkt. Im zuvor bestehenden allgemeinen Mischgebiet besteht eine solche Beschränkung nicht und wäre eine weitaus breitere bauliche Entwicklung möglich gewesen.

Die übrigen Änderungstatbestände des §107 Absatz 4 litb. und

c. TROG 2001 dürften daher nicht vorweg von der Hand zu weisen sein. Die Errichtung eines Schafstalles ist nach Ansicht der belangten Behörde im allgemeinen Mischgebiet grundsätzlich zulässig. Wenn nun der Flächenwidmungsplan dahingehend geändert wird, dass unter anderem zur Errichtung eines Schafstalles eine Sonderfläche nach §43 Absatz 1 lita TROG 2001 festgelegt wird, so kann darin durchaus auch die Absicht dahinter stecken, Nutzungskonflikte oder wechselseitige Beeinträchtigungen vermeiden zu wollen, zumal eine Sonderfläche nach §43 Absatz 1 TROG 2001 im Gegensatz zu §40 Absatz 2 TROG 2001 keinen Immissionsschutz gewährt.

Andererseits lag zum Zeitpunkt der Änderung des Flächenwidmungsplanes ein bestimmtes Bauvorhaben, nämlich die Errichtung eines Schafstalles samt Heulager, eines Holzschnitzellagers und Garage vor. Die betreffende Grundfläche war als allgemeines Mischgebiet gewidmet. Damit ist nach Ansicht der Tiroler Landesregierung auch die Änderung des Flächenwidmungsplanes aus den Gründen des §107 Absatz 4 litc TROG 2001 zulässig.

Im Bezug auf eine allfällig mangelhafte Grundlagenforschung des Gemeinderates darf darauf verwiesen werden, dass die Gemeinde Untertilliach über äußerst geringen Siedlungsraum sowohl aufgrund der Topographie als auch der geringen Größe des Gemeindegebietes und der bestehenden Wildbach- und Lawinengefahrenzonen verfügt. Weiters ist aufgrund der ebenfalls geringen Einwohnerzahl von ca. 278 Personen davon auszugehen, dass der Gemeinderat sowohl die örtlichen als auch die persönlichen Gegebenheiten jedes Einzelnen bestens kennt. Es ist somit wohl verständlich, dass nicht das private Wissen der Gemeinderatsmitglieder im Sitzungsprotokoll wiedergegeben worden ist. Wenn es sich dazu noch um ein bereits gewidmetes und gefahrenfreies Grundstück handelt, scheinen die Stellungnahmen des Ortsplaners und des landwirtschaftlichen Sachverständigen als formelle Grundlagen jedenfalls ausreichend.

Hinsichtlich der mangelhaften Kundmachung darf auf den bereits übermittelten Akt der Aufsichtsbehörde verwiesen werden. Die entsprechenden Planunterlagen sind vom 20.06.2003 bis 18.07.2003 zur allgemeinen Einsichtnahme aufgelegen. Wenn nun die Kundmachung die Daten 20.06.2003 bis 22.06.2003 aufweist, so handelt es sich dabei nach Ansicht der Tiroler Landesregierung um einen offensichtlichen Schreibfehler, welcher auf die ordnungsgemäße und tatsächliche Kundmachungsfrist keinerlei Einfluss hat. Ob darüber hinaus der Beschluss vom 25.07.2003 während zweier Wochen kundgemacht worden ist, entzieht sich der Kenntnis der Aufsichtsbehörde. Sollte diese Kundmachung unterblieben sein, konnte die Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht in Kraft treten und würde sich damit ein weiteres Verordnungsprüfungsverfahren erübrigen bzw. kann mangels In-Kraft-Treten diese Verordnung nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet sein.

Zusammenfassend vertritt die Tiroler Landesregierung daher die Auffassung, dass eine Gesetzwidrigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung nicht gegeben ist."

Der Beschwerdeführer im Anlassverfahren erstattet eine Äußerung, in der er die Aufhebung der Verordnung anregt.

II. Das Verfahren ist zulässig und die Bedenken treffen zu.

1. Es ist nicht zweifelhaft geworden, dass das Anlassbeschwerdeverfahren zulässig ist und dass der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde die in Prüfung gezogene Verordnung der Gemeinde Untertilliach anzuwenden hätte. Auch sonst sind die Prozessvoraussetzungen gegeben.

2. Die laut vorgelegtem Kundmachungsvermerk vom 28.7. bis 13.8.2003 an der Amtstafel angeschlagene Verordnung lautet:

        "... Der Gemeinderat beschließt mit sechs Stimmen und einer

Stimmenthaltung (F J) die beantragte Flächenumwidmung von Frau K M

und Herrn K L, ... in Sonderfläche Holzschnitzellager, Garage,

Schafstall und Heulager auf der Gp. 1247/1 laut Darstellung und Legende des Herrn Dipl.-Ing. M M, ..., umzuwidmen."

Anhaltspunkte dafür, dass ein wichtiger im öffentlichen Interesse gelegener Grund im Sinne des §107 Abs4 lita TROG 2001 die Umwidmung einer als allgemeines Mischgebiet ausgewiesenen Fläche in eine Sonderfläche gerechtfertigt hätte, hat auch das Verordnungsprüfungsverfahren nicht ergeben; insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern die Errichtung eines Schafstalls an der umgewidmeten Stelle zur Absicherung der landwirtschaftlichen Struktur geboten gewesen sein soll. Der Versuch der Tiroler Landesregierung, die Umwidmung damit zu rechtfertigen, dass der Schafstall auch auf Grund der bisherigen Widmung hätte errichtet werden können und - wie sie anscheinend meint - ein öffentliches Interesse an der damit bewirkten Einschränkung der baulichen Entwicklung auf einen bestimmten Zweck bestehe, steht im offenkundigen Widerspruch zu der von ihr selbst eingeräumten Folge des Entfalles des Immissionsschutzes für den Nachbarn: die angeblich beabsichtigte Einschränkung der baulichen Entwicklung sichert die landwirtschaftliche Struktur nicht und führt den Nutzungskonflikt gerade herbei.

Als gleichermaßen zutreffend haben sich die Bedenken in Bezug auf die unzureichende Grundlagenforschung erwiesen: Der Umstand, dass den Mitgliedern des Gemeinderats die örtlichen wie auch persönlichen Gegebenheiten aus eigener Anschauung bekannt sind, entbindet nicht von der Verpflichtung, diese Gegebenheiten darzulegen, auf die Einwendungen unter dem Gesichtspunkt der gesetzlichen Kriterien einzugehen und sodann eine solcherart nachvollziehbare Entscheidung zu fällen.

Unter diesen Umständen ist auf die Bedenken hinsichtlich der ordnungsgemäßen Kundmachungen nicht mehr einzugehen.

Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Untertilliach vom 25. Juli 2003 ist vielmehr als gesetzwidrig aufzuheben.

Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur Kundmachung dieses Ausspruchs stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

Von einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden (§19 Abs4 Satz 1 VfGG).

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:V72.2005

Dokumentnummer

JFT_09948872_05V00072_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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