RS Vfgh 2004/11/30 B1018/04

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Veröffentlicht am 30.11.2004
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
ASVG §31 Abs5 Z10
ASVG §133 Abs2, Abs3
ASVG §342
Richtlinien über die Berücksichtigung ökonomischer Grundsätze bei der Krankenbehandlung gem §31 Abs5 Z10 ASVG

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Abweisung des Antrags einer Gebietskrankenkasse auf Rückzahlung verrechneter Honorare eines Hautarztes wegen "Überarztung"; keine Berechtigung des Arztes nach dem Gesamtvertrag und der Honorarordnung zur Verrechnung der nach eigener Einschätzung der Indikation erbrachten Leistung hinsichtlich bestimmter Exzisionen ohne histologischen Befund; chefärztliche Bewilligungspflicht kosmetischer Eingriffe; keine willkürliche Abweisung des Rückzahlungsbegehrens hinsichtlich präkludierter Ansprüche mangels fristgerechter Einwendungen gegen ältere Honorarabrechnungen

Rechtssatz

Zur Beurteilung der Frage, ob durch einen Vertragsarzt eine Krankenbehandlung erfolgt, die das gesetzlich vorgesehene Ausmaß (vgl §133 Abs2 ASVG) überschreitet, ist ein Beweisverfahren mit repräsentativen Stichproben durchzuführen.

Die belangte Behörde hat die gebotene stichprobenweise Überprüfung durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens und der Parteieneinvernahme durchgeführt. Mit dieser Vorgangsweise hat die Behörde sichergestellt, dass nicht aufgrund bloßer Berechnungen oder Durchschnittsbetrachtungen, sondern anhand konkreter Ermittlungsergebnisse über das Vorliegen einer "Überarztung" befunden werde.

Die belangte Behörde hat jedoch die Rechtslage fundamental - und damit in einer in die Verfassungssphäre reichenden Weise - verkannt, indem sie die ausdrückliche Regelung der Honorierung von Position 502 in der Honorarordnung unangewendet gelassen hat. Wenn nach dieser Bestimmung des Gesamtvertrages ausdrücklich die Intervention nur bei Vorliegen eines entsprechenden histologischen Befundes honoriert wird (und damit auf Anordnung des Arztes auf Kosten der Gebietskrankenkasse erbracht werden kann), dann schließt diese Bestimmung die Honorierung von Interventionen aus, die ohne das Vorliegen eines solchen Befundes erbracht worden sind.

Der Facharzt war nach dem Gesamtvertrag nicht berechtigt, auf Grund seiner Einschätzung der Indikation die Leistung auf Grund eigener Entscheidung zu erbringen. Ist die Exzision nach Position 502 nicht durch einen histologischen Befund gedeckt, so hätte die Maßnahme zur Abklärung der medizinischen Notwendigkeit der chefärztlichen Bewilligung bedurft (zur chefärztlichen Bewilligungspflicht von kosmetischen Eingriffen vgl Punkt 8 der Anlage zu den - vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erlassenen - "Richtlinien über die ökonomische Krankenbehandlung - RöK" gemäß §31 Abs5 Z10 ASVG; vgl VfSlg 15907/2000).

Die von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse auch im Verfahren vor der belangten Behörde behauptete "eklatante Abweichung" der Abrechnungen des Beteiligten von jenen seiner Fachkollegen lässt die Annahme der belangten Behörde als nicht denkunmöglich erscheinen, dass diese Abweichungen der beschwerdeführenden Partei binnen sechs Monaten ab Zugang der jeweiligen Honorarabrechnungen erkennbar gewesen sein mussten. Der belangten Behörde ist daher auch unter der Prämisse der beschwerdeführenden Partei nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausgegangen ist, dass mangels Erhebung eines Einspruches innerhalb der sechsmonatigen Frist des §36 Abs6 des Gesamtvertrages die Rückforderung von Honoraren für die Jahre 1998 und 1999 ausgeschlossen ist.

Der Umstand, dass die wahren Ursachen für Auffälligkeiten einer Honorarabrechnung allenfalls erst zu einem viel späteren Zeitpunkt feststellbar sind, spielt dabei keine Rolle, weil die Befristung dieses Einspruchs nur die Funktion hat, dem Vertragsarzt entweder sichere Dispositionen über seine Honoraransprüche innerhalb einer angemessenen Frist zu ermöglichen oder ihm zu signalisieren, dass er möglicherweise auch später noch mit Rückforderungen rechnen muss (vgl E v 28.09.04, B279/04).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Sozialversicherung, Ärzte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B1018.2004

Dokumentnummer

JFR_09958870_04B01018_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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