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97 VergabewesenNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Zurückweisung von Anträgen auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens betreffend die Vergabe von Kassenverträgen an die beschwerdeführenden Ärzte; kein vergaberechtliches Rechtsschutzverfahren für die Vergabe von Kassenplanstellen; Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte; kein Spannungsverhältnis zum Gemeinschaftsrecht, keine VorlagepflichtRechtssatz
Zurückweisung rechtskonform trotz unzutreffender Begründung:
Durch die Verbindlicherklärung des vierten Teils des BundesvergabeG 1997 ist klargestellt, dass der Gesetzgeber offenkundig die dort zitierten Vorschriften dahin zur Geltung bringen wollte, dass er darin verbriefte Verhaltenspflichten des Auftraggebers einer Kontrolle durch das Bundesvergabeamt - BVA zugänglich machen wollte. Es wäre nicht verständlich, welcher Sinn der Anordnung des Bundesgesetzgebers beizumessen wäre, dass auf nicht-prioritäre Dienstleistungen auch der vierte Teil des Gesetzes (Bestimmungen über den vergabespezifischen Rechtsschutz) Anwendung finden solle, wenn die für nicht-prioritäre Dienstleistungen geltenden materiellen Bestimmungen nicht so zu verstehen wären, dass diesen widerstreitende rechtswidrige Entscheidungen einer Nichtigerklärung zugänglich gemacht werden können.
Bei der Vergabe von Kassenplanstellen handelt es sich jedoch weder um die Vergabe eines Dienstleistungsauftrags für nicht-prioritäre Dienstleistungen, noch einer Dienstleistungskonzession im Sinne des BundesvergabeG: Es obliegt den Krankenversicherungsträgern für die Krankenbehandlung der Versicherten ausreichend Vorsorge zu treffen (§23 Abs5 ASVG).
Jener Vertrag, dessen Gegenstand die ärztliche Dienstleistung ist, wird zwischen dem Arzt und dem Patienten geschlossen. Das BundesvergabeG regelt demgegenüber die Vergabe einer Leistung, die ein privater Auftragnehmer einem öffentlichen Auftraggeber gegen Entgelt erbringt. Im Fall der Vergabe einer Kassenplanstelle wird eine solche - vom Auftraggeber abzugeltende - Leistung nicht erbracht: Der Abschluss des Einzelvertrages zwischen Versicherungsträger und Facharzt bewirkt allein, dass der Facharzt eine dem Leistungsberechtigten gegenüber - durch ausdrücklich oder konkludent zustande gekommenen Behandlungsvertrag - erbrachte Leistung direkt über den Versicherungsträger abrechnen kann. Ein Kassenvertrag betrifft daher nicht eine entgeltliche Dienstleistung, die der Arzt dem Versicherungsträger gegenüber erbringt, sondern bloß die Abwicklung des dem Versicherten gegenüber dem Krankenversicherungsträger zustehenden Kostenersatzes.
Für die Ausübung des im Gesamtvertrag verbrieften Vorschlagsrechtes zur Besetzung einer Kassenvertragsstelle ist im ASVG ein gesondertes Verfahren vorgesehen (§343 ASVG), gegen das aus Anlass der vorliegenden Beschwerden keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Streitigkeiten um die Vertragsarztauswahl und insbesondere die Gleichbehandlung der Bewerber sind kraft §1 JN im Zivilrechtsweg vor den ordentlichen Gerichten auszutragen (vgl etwa OGH 11.07.01, 7 Ob 299/00x).
Im Ergebnis haben die Beschwerdeführer vor dem BVA sohin die Nachprüfung von "Vergabevorgängen" begehrt, die dem BundesvergabeG nicht unterliegen und folglich auch einem Rechtsschutzverfahren vor dem BVA nicht zugänglich gemacht werden können. Der Zurückweisung der Anträge durch das BVA ist daher nicht entgegen zu treten. Dieses Ergebnis steht auch nicht in einem Spannungsverhältnis zum Gemeinschaftsrecht, dessen sekundärrechtliche Vorgaben auf eben jenen Kriterien beruhen, die auch dem BundesvergabeG immanent sind. Auch werfen sich in diesem Zusammenhang keine Fragen auf, die einer Klärung durch den EuGH bedürften.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Behördenzuständigkeit, Bescheidbegründung, EU-Recht Richtlinie, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, Sozialversicherung, Ärzte, VergabewesenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B1278.2002Dokumentnummer
JFR_09958870_02B01278_01