RS Vwgh 2002/11/21 2001/07/0027

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 21.11.2002
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Index

L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Tirol
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
40/01 Verwaltungsverfahren
80/06 Bodenreform

Norm

AVG §69;
AVG §70;
AVG §71;
B-VG Art7 Abs1;
B-VG Art83 Abs2;
FlVfGG §34 Abs1;
FlVfGG §34 Abs3;
FlVfGG §34 Abs4;
FlVfGG §34 Abs5;
FlVfLG Tir 1996 §29;
VwRallg;

Rechtssatz

Betrachtet man ein Wiederaufnahmeverfahren als "anhängiges Verfahren" in dem Sinne, dass es Teil des abgeschlossenen Verfahrens ist, das durch die Wiederaufnahme wieder eröffnet werden soll, dann kann die Abschlussverordnung gem. § 34 Abs 1 FlVfGG bzw. des § 29 Tir FlVfLG 1996, die dieses alte Zusammenlegungsverfahren beendet hat, kein Hindernis für die Wiederaufnahme aus dem Titel einer Beendigung der Zuständigkeit der Agrarbehörden sein. Für dieses Verständnis der Zulässigkeit einer Wiederaufnahme eines Zusammenlegungsverfahrens nach Erlassung einer Abschlussverordnung spricht auch, dass die gegenteilige Auffassung, nach Inkrafttreten der Abschlussverordnung seien die Agrarbehörden für eine Wiederaufnahme nicht mehr zuständig, erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Die genannte Auffassung hätte nämlich zur Folge, dass es für im Rahmen eines Zusammenlegungsverfahrens getroffene Entscheidungen, und zwar sowohl für Entscheidungen in "Eigenmaterien" als auch für Entscheidungen in "Fremdmaterien", überhaupt keine Wiederaufnahme gäbe. Bei bestimmten "Fremdmaterien", so zB. bei Angelegenheiten bürgerlichen Rechts könnte zwar an eine Wiederaufnahmeklage (§ 530 ZPO) gedacht werden. Eine solche kommt aber schon deswegen nicht in Betracht, weil die Entscheidung eines Gerichtes über einen verwaltungsbehördlichen Bescheid (hier: des Landesagrarsenates) mit dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung unvereinbar ist. Der VwGH hat in seiner Rechtsprechung zu jenen Bereichen, die vom Geltungsbereich des AVG ausgenommen waren (bzw. sind), die Auffassung vertreten, es gibt einen Kernbereich rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze, die auch dort anzuwenden sind, wo der Gesetzgeber dies nicht vorsieht. Zu diesen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens zählt der VwGH auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Wiederaufnahme eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens(Hinweis E VfGH 15. 12. 1994, B1045/94, VfSlg 13987/1994; E 23. 1. 1950, 273/49, VwSlg 1196 A/1950; E 3. 3. 1951, VwSlg 1977 A/1951). Eine Regelung, die das zum Wesen eines rechtsstaatlichen Verfahrens gehörende Institut der Wiederaufnahme ausschließt, ist daher mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang zu bringen. Sie steht aber auch im Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz, ist doch keine sachliche Rechtfertigung dafür zu finden, dass ausgerechnet im Zusammenlegungsverfahren eine Wiederaufnahme nicht möglich sein sollte. Noch krasser wird diese Unsachlichkeit, wenn man den Sitz der Unmöglichkeit einer Wiederaufnahme in der Rechtssatzform der Verordnung für den Abschluss des Verfahrens sähe, da in diesem Fall eine Wiederaufnahme im Zusammenlegungsverfahren nicht, im Flurbereinigungsverfahren aber sehr wohl möglich wäre.

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001070027.X04

Im RIS seit

05.03.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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