RS Vfgh 2004/12/2 B1843/02 - B475/03, B173/03

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Veröffentlicht am 02.12.2004
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Index

97 Vergabewesen
97/01 Vergabewesen

Norm

B-VG Art83 Abs2
BundesvergabeG 1997 §6Abs1
BundesvergabeG 2002 §173, §188

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Antrags auf Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung aufgrund der verfehlten Annahme der weiteren Anwendbarkeit einer bereits vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Schwellenwertregelung; Vorliegen eines offenkundigen Redaktionsfehlers bei Bezeichnung der verbindlich zu erklärenden Fassung des Bundesvergabegesetzes 1997 in der Übergangsbestimmung des Bundesvergabegesetzes 2002; verfassungskonforme Auslegung hinsichtlich der Einbeziehung der Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt bei Beurteilung der anzuwendenden Rechtslage geboten

Rechtssatz

Im Hinblick auf das BundesvergabeG 1997 hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt die Auffassung vertreten, dass es einer sachlichen Rechtfertigung entbehrt, vergabeverfahrensrechtliche Regelungen nur für den Bereich oberhalb der gemeinschaftsrechtlich relevanten Schwellenwerte vorzusehen bzw nur für diesen Bereich vergabespezifische Rechtsschutzinstrumentarien zugänglich zu machen (vgl etwa VfSlg 16315/2001, ua).

Die Übergangsbestimmung des §188 Abs3 BundesvergabeG 2002 nimmt auf die mit BGBl I 61/2002 bereits erfolgte Aufhebung (VfSlg 16445/2002; Kundmachung der Aufhebung einer Schwellenwertregelung in §6 Abs1 BundesvergabeG 1997) von Bestimmungen des BundesvergabeG 1997 nicht Bezug. Dies scheint darauf zurückzuführen zu sein, dass gerade am Tag der Kundmachung der Aufhebung mit BGBl I 61/2002 (16.04.02) die Regierungsvorlage für das BundesvergabeG 2002 im Nationalrat einlangte. Dass man im Gesetzgebungsprozess offenkundig die Richtigstellung der zuletzt gültigen Fassung des BundesvergabeG 1997 verabsäumte - es sich bei der Bezeichnung der verbindlich zu erklärenden Fassung des BundesvergabeG 1997 sohin um einen Redaktionsfehler handelt -, erweist sich auch anhand der Bestimmung des §188 Abs6 Z3 BundesvergabeG 2002: Dieser zufolge soll zugleich mit dem In-Kraft-Treten des BundesvergabeG 2002 das BundesvergabeG 1997 (ebenfalls) "in der Fassung BGBl I Nr 136/2001" außer Kraft treten. Der Gesetzgeber schien davon auszugehen, dass die Fassung BGBl I 136/2001 die letztgültige Fassung des BundesvergabeG 1997 vor In-Kraft-Treten des (neuen) BundesvergabeG 2002 darstellen würde. Den Materialien (AB 1118 BlgNR XXI. GP) lässt sich demgegenüber kein Hinweis darauf entnehmen, dass für ab 01.09.02 anhängige Verfahren bereits als verfassungswidrig erkannte Schwellenwerte über das vom Verfassungsgerichtshof angeordnete Außer-Kraft-Tretensdatum (31.08.02) hinaus neuerlich verbindlich erklärt werden sollten. Eine solche Anordnung durch den einfachen Gesetzgeber wäre auch verfassungswidrig. Schon in verfassungskonformer Interpretation des §188 Abs3 BundesvergabeG 2002 und eingedenk des Umstands, dass eine Behörde ihre Zuständigkeit stets im Entscheidungszeitpunkt zu beurteilen hat, hätte das Bundesvergabeamt - BVA aus diesem Grund eine meritorische Entscheidung über die Nachprüfungsanträge nicht verweigern dürfen.

(zur verfassungskonformen Auslegung des §188 BundesvergabeG 2002 siehe bereits B v 09.03.04, B475/03 - Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde; weiters auch E 28.02.05, B173/03: keine Bedenken gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gem §173 BundesvergabeG 2002; Anwendung der Übergangsbestimmung nur im Hinblick auf die Organisation des BVA, nicht in nachprüfungs-verfahrensrechtlicher Hinsicht).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Auslegung verfassungskonforme, Bescheiderlassung (Zeitpunkt maßgeblich für Rechtslage), Übergangsbestimmung, Vergabewesen, VfGH / Aufhebung Wirkung, Behördenzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B1843.2002

Dokumentnummer

JFR_09958798_02B01843_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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