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96 StraßenbauNorm
StGG Art5Leitsatz
Verletzung im Eigentumsrecht durch Vorschreibung von Tourismusverbandsbeiträgen für Betriebsstätten der ASFINAG; verfassungswidrige Auslegung des Salzburger Tourismusgesetzes durch Qualifizierung von Mauten als beitragspflichtige Umsätze; sachlich gerechtfertigtes Interesse des Bundes an der Freihaltung der Mauteinnahmen von landesgesetzlichen Abgabenbelastungen im Sinne des ASFINAG-Gesetzes; Rücksichtnahme des Landesgesetzgebers auch bei gleichartigen Belastungen durch Tourismusbeiträge gebotenSpruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch die angefochtenen Bescheide in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Das Land Salzburg ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft die mit € 1.815,-- bestimmten Prozesskosten zu Handen der Finanzprokuratur binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheiden der Salzburger Landesregierung vom 6. April 2005 wurden der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (in der Folge: ASFINAG) Tourismusverbandsbeiträge für das Jahr 2004 für die Betriebsstätten Zederhaus, St. Michael im Lungau und Flachau vorgeschrieben.
2. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die beschwerdeführende Gesellschaft die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der bekämpften Bescheide beantragt. In der Beschwerde macht die ASFINAG im Wesentlichen geltend, dass die Festsetzung der Tourismusverbandsbeiträge gegen die Grundsatzbestimmung des ArtII §12 Abs3 des Bundesgesetzes vom 8. Oktober 1982, mit dem eine Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft errichtet wird, mit dem die Planung und Errichtung von Bundesstraßenteilstrecken übertragen wird und mit dem das Bundesministeriengesetz 1973 geändert wird (in der Folge: ASFINAG-Gesetz), verstoße.
3. Zur Rechtslage:
3.1. Der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft, eingerichtet durch BGBl. 591/1982, obliegt die Finanzierung, die Planung, der Bau und die Erhaltung von Bundesstraßen sowie die Einhebung von Mauten und Benützungsgebühren und die Bedienung von Verbindlichkeiten, die zum Zwecke der Planung, des Baus und der Erhaltung von Bundesstraßen eingegangen wurden (vgl. näher ArtII §2 Abs1 ASFINAG-Gesetz, BGBl. 591/1982 idF BGBl. I 113/1997). §2 Abs1 des Bundesgesetzes über die Einbringung der Anteilsrechte des Bundes an den Bundesstraßengesellschaften in die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft und der Einräumung des Rechts der Fruchtnießung zugunsten dieser Gesellschaft (ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997), BGBl. I 113/1997 idF BGBl. I 141/2000, räumt der ASFINAG das Recht des Fruchtgenusses an allen Bestandteilen bestehender und künftig zu errichtender Bundesstraßen gemäß §§1 und 7 Abs1 Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 ein. Die ASFINAG war damit ab 1. Jänner 1997 berechtigt, Mauten und Benützungsgebühren für die Straßen, an denen ein Fruchtgenussrecht bestand, sowie sonstige gesetzlich festgelegte Mauten und Benützungsgebühren von sämtlichen Nutzern einzuheben (vgl. §6 ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997).
Art II §12 Abs3 ASFINAG-Gesetz regelt die abgabenrechtliche Behandlung dieser Mauten und Benützungsgebühren und lautet folgendermaßen:
"(Grundsatzbestimmung) Die auf Grund von bundesgesetzlichen Bestimmungen und auf Grund des Rechtes der Fruchtnießung eingehobenen Mauten, Benützungsgebühren oder Abgaben für die Benützung von Bundesstraßen dürfen nicht mit landesgesetzlich geregelten Abgaben belastet werden. Zur Anpassung entgegenstehender landesgesetzlicher Regelungen wird gemäß §7 Abs4 F-VG 1948 in Verbindung mit Art15 Abs6 B-VG eine Frist von sechs Monaten bestimmt."
3.2. §7 Abs4 F-VG 1948, BGBl. 45/1948 idF BGBl. I 100/2003, bestimmt Folgendes:
"Im übrigen kann die Bundesgesetzgebung hinsichtlich der Landes(Gemeinde)abgaben Bestimmungen zur Verhinderung von Doppelbesteuerungen oder sonstigen übermäßigen Belastungen, zur Anpassung solcher Abgaben an die Bestimmungen des zwischenstaatlichen Steuerrechtes, zur Verhinderung von Erschwerungen des Verkehres oder der wirtschaftlichen Beziehungen im Verhältnis zum Ausland oder zwischen den Ländern und Landesteilen, zur Verhinderung der übermäßigen oder verkehrserschwerenden Belastung der Benutzung öffentlicher Verkehrswege und Einrichtungen mit Abgaben und zur Verhinderung der Schädigung der Bundesfinanzen treffen; sie kann zu diesem Zwecke die notwendigen grundsätzlichen Anordnungen (Art12 und 15 B-VG) erlassen."
3.3. Nach §2 Abs1 des Salzburger Tourismusgesetzes 2003 sind die Unternehmer im Gebiet des Tourismusverbandes seine Pflichtmitglieder. Diese sind gemäß §30 Abs1 iVm §31 Abs1 erster Satz leg.cit. verpflichtet, für jedes Kalenderjahr den Verbandsbeitrag an den Tourismusverband, innerhalb dessen Gebiet der Sitz, Standort oder die Betriebsstätte des Unternehmens gelegen ist, zu entrichten.
§35 Abs1 erster Satz Salzburger Tourismusgesetz 2003 legt als beitragspflichtigen Umsatz "die Summe der im zweitvorangegangenen Jahr erzielten steuerbaren Umsätze im Sinn des §1 Abs1 Z1 und 2 UStG 1994" fest.
Hinsichtlich der Aufteilung der Umsätze auf die einzelnen Tourismusverbände trifft §31 Abs2 letzter Satz Salzburger Tourismusgesetz 2003 für Mautstraßenunternehmungen eine besondere Regelung:
"... Bei Mautstraßenunternehmen erfolgt die Aufteilung in der Weise, dass 10 % der Bemessungsgrundlage dem Tourismusverband am Wohnsitz oder Sitz des Unternehmens oder bei Fehlen eines Verbandes dem Tourismusförderungsfonds (II. Teil) zugeteilt und 90 % der Bemessungsgrundlage nach der Länge der Mautstrecken auf die Tourismusverbände der Gemeinden aufgeteilt werden, durch welche die Mautstraße führt."
4. Zur Begründung ihrer Beschwerde bringt die beschwerdeführende Gesellschaft, die als Mautstraßenunternehmung im Sinne der gerade zitierten Vorschrift anzusehen ist, vor, dass unter dem Begriff der "Abgabe" in ArtII §12 Abs3 ASFINAG-Gesetz nicht nur Abgaben iSd F-VG 1948 verstanden werden dürften, wie dies der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziere. Ein derartiges Verständnis würde gegen den Gleichheitssatz verstoßen, da im Fall von Geldleistungen, über die ein öffentlich-rechtlicher Fonds verfügungsberechtigt sei, die Qualifikation als Abgabe oder Beitrag von der formalen finanzverfassungsrechtlichen Ausgestaltung abhänge. Somit sei aber davon auszugehen, dass in solchen Fällen im Tatsächlichen kein Unterschied zwischen einer Abgabe und einem öffentlich-rechtlichen Beitrag bestehe. Überdies wäre die Umgehungsmöglichkeit des Landesgesetzgebers auch aus dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung bedenklich. Durch die Ausgestaltung von landesgesetzlichen Abgaben auf Mauteinnahmen als öffentlich-rechtliche Pflichtbeiträge habe es der Landesgesetzgeber in der Hand, die Anordnung des Bundes in ArtII §12 Abs3 ASFINAG-Gesetz zu umgehen, womit er in die Mautpolitik des Bundes eingreife.
5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
2.1. Die Beschwerde entspricht in allen entscheidungswesentlichen Belangen der dem hg. Erkenntnis vom 4. März 2005, B1678-1680/03, zugrunde liegenden Beschwerde, die sich gegen die Festsetzung des Tourismusbeitrages für die auch im vorliegenden Fall streitgegenständlichen Betriebsstätten Zederhaus, St. Michael im Lungau und Flachau für das Jahr 2002 wandte. Eine Änderung der Rechtslage ist seit dem zitierten Erkenntnis nicht eingetreten.
2.2. Der Verfassungsgerichtshof kann sich daher darauf beschränken, auf die Entscheidungsgründe seines zu B1678-1680/03 am 4. März 2005 gefällten Erkenntnisses hinzuweisen; aus diesem ergibt sich auch für den vorliegenden Fall, dass die beschwerdeführende Gesellschaft durch die angefochtenen Bescheide in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt wurde und die Bescheide daher aufzuheben waren.
III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den im beantragten Ausmaß zugesprochenen Kosten ist eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG iHv € 180,-- enthalten.
IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Auslegung verfassungskonforme, Finanzverfassung, Abgabenwesen, Fremdenverkehr, Abgaben, Kompetenz Bund - Länder, BerücksichtigungsprinzipEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:B536.2005Dokumentnummer
JFT_09948872_05B00536_00