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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Bedenken gegen die Regelungen des Dienstgeberabgabegesetzes betreffend eine pauschalierte Dienstgeberabgabe für geringfügig Beschäftigte; Zuordnung zum Kompetenztatbestand "Abgabenwesen"; Vorliegen einer ausschließlichen Bundesabgabe iSd F-VG 1948; Zulässigkeit der vorgesehenen Einhebung der Abgabe durch die Krankenversicherungsträger im übertragenen Wirkungsbereich; Unbedenklichkeit der vorgesehenen Zweckwidmung; kein "verfassungswidriges Sonderopfer" angesichts der entschädigungslosen Einhebungsverpflichtung der Krankenversicherungsträger; keine "unsachliche Sonderbelastung" der DienstgeberRechtssatz
Die Verfassungsmäßigkeit einer öffentlich-rechtlichen Beitragsleistung (wie sie die Dienstgeberabgabe darstellt), je nachdem, ob es sich um einen "Sozialversicherungsbeitrag" im Sinne des Kompetenztatbestandes "Sozialversicherungswesen" (Art10 Abs1 Z11 B-VG) oder aber um eine "Abgabe" im Sinne des "Abgabenwesens" (Art13 Abs1 B-VG iVm §§5 ff F-VG 1948) handelt, hängt nur davon ab, ob die Beitragsleistung den jeweils unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Kriterien entspricht. Wenn die Neuregelung des DienstgeberabgabeG - DAG, BGBl I 28/2003, (vgl zur Aufhebung von Teilen des §53a ASVG betreffend pauschalierte Dienstgeberbeiträge VfSlg 16474/2002) eine Änderung der inhaltlichen Kriterien der nunmehr vom Gesetzgeber intentional als Abgabe gestalteten Beitragsleistung nicht vorsieht und auch die wirtschaftliche Belastung für die Arbeitgeber geringfügig Beschäftigter ganz dieselbe geblieben ist, so kann dies solange zu keiner Verfassungswidrigkeit führen, als die aus der Finanzverfassung und den sonstigen, für Abgaben bedeutsamen verfassungsrechtlichen Vorschriften sich ergebenden Anforderungen erfüllt sind.
Der Gesetzgeber wollte mit der Dienstgeberabgabe eine Abgabe schaffen (vgl die Bezeichnung als "ausschließliche Bundesabgabe" in §1 Abs2 DAG); auch ist die Ertragshoheit des Bundes (§6 Abs1 Z1 F-VG 1948) zu bejahen: Der Bund hat sie im vorliegenden Fall - zulässigerweise - in der Weise ausgeübt, dass er - durch Gesetz (siehe §3 DAG) - selbst jene Zwecke festgelegt hat, für die der Ertrag der Abgabe zu verwenden ist.
Die (zulässigerweise: §11 Abs1 F-VG 1948) mit der Einhebung der Dienstgeberabgabe betrauten Krankenversicherungsträger sind in dieser Funktion in einem - vom Bund - übertragenen Wirkungsbereich (§1 Abs2 DAG) tätig und daher den zuständigen staatlichen Behörden, dh. - wie sich aus §1 Abs2 zweiter Satz DAG und Art102 Abs3 iVm Abs1 zweiter Satz B-VG ergibt - dem Landeshauptmann des betreffenden Landes gegenüber weisungsgebunden.
Auch ist es unbedenklich, dass über den Ertrag der Dienstgeberabgabe bereits im Wege einer Zweckwidmung verfügt worden ist. Die gesetzliche Zweckwidmung ist für die rechtliche Qualität einer Geldleistung ohne Bedeutung (vgl VfSlg 16454/2002).
Das DAG ist somit dem Abgabenwesen iS des Art13 Abs1 B-VG zuzuordnen; die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Gesetzes ergibt sich aus §7 Abs1 F-VG 1948.
Keine Bedenken gegen die Regelungen des DAG unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes.
Kein "verfassungswidriges Sonderopfer".
Es bleibt dem Abgabengesetzgeber überlassen (vgl §11 Abs4 F-VG 1948), den Rechtsträgern mitwirkender Organe einen Vergütungsanspruch zuzuerkennen; eine Beschränkung dieses rechtspolitischen Spielraumes könnte sich nur aus anderen Verfassungsbestimmungen ergeben, insbesondere aus dem Gleichheitssatz und dem diesem innewohnenden Sachlichkeitsgebot.
Dem Verfassungsgerichtshof ist keine Verfassungsnorm erkennbar, die es im vorliegenden Fall geböte, den die Dienstgeberabgabe einhebenden Krankenversicherungsträgern einen Vergütungsanspruch (gegenüber dem Bund) einzuräumen, zumal etwa ein Viertel des Abgabenertrages an den Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger zu überweisen ist, sodass die Einhebung dieser Abgabe (auch) im Interesse der damit betrauten Träger der sozialen Krankenversicherung liegt.
Keine unsachliche Sonderbelastung der Dienstgeber.
Das Vorbringen, die einzelnen Erwerbszweige seien durch das DAG verschieden stark betroffen, ist nicht geeignet, die in Rede stehende Regelung als verfassungswidrig zu erweisen, weil gerade das DAG bewirkt, dass die Beschäftigung von Dienstnehmern nicht zu ungleichen Lohnkosten führt, je nachdem, ob es sich um Unternehmen mit vielen geringfügig Beschäftigten oder solchen mit wenigen oder keinen geringfügig Beschäftigten handelt. Auch kann - beim derzeitigen Inhalt des DAG - nicht gesagt werden, dass die Dienstgeberabgabe einer "Erdrosselungssteuer" gleichkomme.
Der vermehrte Einsatz geringfügig entlohnter, von der Vollversicherung ausgenommener Beschäftigter durch größere Unternehmen in bestimmten Branchen führt nicht nur zu Wettbewerbsverzerrungen, sondern die Wettbewerbsvorteile werden um den Preis erzielt, dass entweder immer größere Teile der Erwerbsbevölkerung der Kranken- und Pensionsversicherung zu entraten bzw als sozial besonders schwache Bevölkerungsgruppe im Wege freiwilliger Versicherung die gesamte Beitragslast aus eigenem zu tragen hätten oder die öffentliche Hand diese Nachteile auf andere Weise aus allgemeinen Steuermitteln ausgleichen müsste.
Die Eignung der mit dem DAG getroffenen Maßnahme, dieser Entwicklung nach dem Verursacherprinzip in wettbewerbs- wie auch sozialpolitisch adäquater Weise zu steuern, wird in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen.
Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht finden, dass die Regelung unverhältnismäßig wäre, entspricht doch die Höhe der Dienstgeberabgabe (16,4 vH des Entgeltes) in etwa dem auf den Dienstgeber eines vollversichert Beschäftigten entfallenden Beitragsteil.
Schließlich macht auch der Umstand, dass ein Dienstgeber erst dann zur Entrichtung der Abgabe verpflichtet ist, wenn die Lohnsumme der bei ihm geringfügig beschäftigten Personen die "Freigrenze" des 1,5-fachen des sich aus §5 Abs2 ASVG ergebenden Betrages übersteigt, das DAG nicht etwa gleichheitswidrig, sondern unterstreicht vielmehr die Absicht des Gesetzgebers, eine den oben genannten Zielen dienende, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende, pauschalierende und für die betroffenen Dienstgeber einfach administrierbare Regelung zu schaffen.
Die gesetzlich vorgesehene Zweckwidmung (§3 DAG) hinsichtlich des auf die Pensionsversicherung entfallenden Anteils des Ertrags der Dienstgeberabgabe erhöht die Finanzkraft der Pensionsversicherung in jenem Umfang, in dem Pensionsversicherungszeiten durch geringfügige Beschäftigung erworben werden können. Im Übrigen ist bei Bemessung einer Abgabe die Regelung über deren Zweckwidmung von der Behörde nicht anzuwenden. Sie wäre daher auch vom Verfassungsgerichtshof bei Behandlung der vorliegenden Beschwerde nicht anzuwenden.
Keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit durch den angefochtenen, eine pauschalierte Dienstgeberabgabe vorschreibenden Bescheid.
Schlagworte
Dienstgeberabgabe, Abgabenbegriff, Finanzverfassung, Abgabenwesen, Sozialversicherung, Beitragspflicht, Pflichtversicherung, Erwerbsausübungsfreiheit, Kompetenz Bund - Länder Sozialversicherung, Sozialpolitik, Verwaltungsökonomie, Bundesverwaltung mittelbareEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B514.2004Dokumentnummer
JFR_09958786_04B00514_01