Index
L2 DienstrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Feststellung des Verlustes von Diensteinkommen eines Beamten der Stadt Wien wegen eigenmächtigem und unentschuldigtem Fernbleiben vom Dienst; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine Anwendbarkeit des Art6 EMRK; vertretbare Annahme einer Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers im ErmittlungsverfahrenSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde Wien.
1.2. Mit Bescheiden vom 1. August 2002, vom 17. März 2003 sowie vom 3. April 2003 stellte der Magistrat der Stadt Wien fest, der Beschwerdeführer habe gemäß §32 Abs1 des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1994) den Anspruch auf sein Diensteinkommen für bestimmte Zeiträume verloren, weil er eigenmächtig und unentschuldigt vom Dienst ferngeblieben sei.
1.3. Mit Bescheid des Dienstrechtssenates der Stadt Wien vom 5. August 2004 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen diese Bescheide teilweise Folge gegeben, im Übrigen wurde sie abgewiesen.
1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.
1.5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Beschwerdeausführungen entgegentritt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
1.6. Daraufhin replizierte der Beschwerdeführer.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
2.1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1994) lauten wie folgt:
"Abwesenheit vom Dienst
§31. (1) Ist der Beamte durch Krankheit, Unfall oder einen anderen wichtigen, seine Person betreffenden Grund verhindert, den Dienst zu versehen, so hat er dies dem Vorgesetzten unverzüglich zu melden. Der Beamte hat den Grund für die Dienstverhinderung unverzüglich zu bescheinigen, wenn es der Vorgesetzte verlangt oder wenn die Dienstverhinderung länger als drei aufeinanderfolgende Kalendertage dauert. Die Dienstverhinderung durch Krankheit oder Unfall ist durch eine ärztliche Bestätigung oder durch eine Aufenthaltsbestätigung einer Krankenanstalt zu bescheinigen.
(2) Ein wegen Krankheit, Unfall oder gemäß §62 vom Dienst abwesender Beamter hat sich auf Verlangen des Magistrats einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, an dieser Untersuchung, sofern es ihm zumutbar ist, mitzuwirken und sich gegebenenfalls einer zumutbaren Krankenbehandlung zu unterziehen. Wurde auf Grund der ärztlichen Untersuchung die Dienstfähigkeit des Beamten durch einen Amtsarzt bescheinigt, so darf abweichend von Abs1 eine innerhalb der darauffolgenden vier Monate eintretende Dienstverhinderung wegen Krankheit nur durch einen Amtsarzt bescheinigt werden. Der Magistrat hat den Beamten unverzüglich nach Einlangen der Meldung über die Dienstverhinderung durch einen Amtsarzt untersuchen zu lassen.
(3) ...
(4) Kommt der Beamte den sich aus Abs1 bis 3 ergebenden Verpflichtungen nicht nach, so gilt die Abwesenheit vom Dienst nicht als gerechtfertigt.
Versäumung des Dienstes
§32. (1) Ein Beamter, der eigenmächtig und unentschuldigt dem Dienst fernbleibt, verliert für die Zeit einer solchen Abwesenheit den Anspruch auf sein Diensteinkommen. [...]
(2) Die Zeit des eigenmächtigen und unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst in der Dauer von mehr als drei Tagen und die Zeit des Fernbleibens vom Dienst infolge Haft wegen eines strafgerichtlich zu ahndenden Verhaltens hemmen den Lauf der Dienstzeit. Sind die Monatsbezüge gemäß Abs1 nachzuzahlen, so erlischt auch rückwirkend die Hemmung des Laufes der Dienstzeit.
...
Dienstrechtssenat
Wirkungsbereich
§74a. (1) Dem Dienstrechtssenat obliegt
1. die Erlassung von Bescheiden gemäß §10 Abs3 bis 5,
2. die Entscheidung über Rechtsmittel gegen Bescheide, die vom Magistrat in den zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gehörenden Angelegenheiten unter Anwendung des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29, erlassen worden sind,
3. die Entscheidung über Rechtsmittel gegen Bescheide der Disziplinarkommission,
4. die Erlassung sonstiger Bescheide, zu deren Erlassung der Dienstrechtssenat nach dem 8. Abschnitt berufen ist.
(2) ...
§74b. (1) Der Dienstrechtssenat besteht aus dem Vorsitzenden, einem rechtskundigen Beisitzer und sieben weiteren Beisitzern. [...]
(2) Der Vorsitzende und seine Stellvertreter müssen Richter des Aktivstandes sein. Für ihre Bestellung kommt dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien ein Vorschlagsrecht zu.
(3) Der rechtskundige Beisitzer und seine Stellvertreter müssen Beamte der Gemeinde Wien sein.
(4) ...
(5) Der Dienstrechtssenat verhandelt und entscheidet in einem Dreiersenat, der aus dem
1. Vorsitzenden,
2. dem rechtskundigen Beisitzer und
3. einem der weiteren Beisitzer, der für Beamte jener Verwendungsgruppe zuständig ist, der der betroffene Beamte im Zeitpunkt des Anhängigwerdens des Verfahrens beim Dienstrechtssenat angehört hat,
besteht.
...
Mitgliedschaft im Dienstrechtssenat
§74c. (1) ...
...
(4) Die Mitglieder des Dienstrechtssenates sind in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden.
...
Geschäftsführung
§74d. (1) ...
...
(4) Dem Vorsitzenden obliegt es, die Bescheide des Dienstrechtssenates zu unterfertigen sowie im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof oder dem Verwaltungsgerichtshof die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen, die zu erstattenden Gegenschriften und Stellungnahmen zu unterfertigen und die Vollmachten der den Dienstrechtssenat vertretenden Organe auszustellen.
..."
2.2. Der Beschwerdeführer ist auf Grund der nachstehenden Erwägungen nicht im Recht:
2.2.1. Der Beschwerdeführer behauptet durch den angefochtenen Bescheid deshalb im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein, "weil die belangte Behörde ... an Stelle der in §74b DO 1994 vorgesehenen Senatsmitglieder nur durch den Vorsitzenden entschieden hat." Dem ist entgegen zu halten, dass - ausgehend von dem dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Beratungs- und Abstimmungsprotokoll über die hier in Betracht kommende Sitzung des Dienstrechtssenates am 5. August 2004 - dem bekämpften Bescheid eine kollegiale Beratung und Beschlussfassung zu Grunde liegt.
Der Umstand, dass die Mitglieder der entscheidenden Kollegialbehörde (zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Dienstrechtssenates vgl. insb. Art118 Abs5 iVm Art112 B-VG sowie VfSlg. 16.176/2001; s. weiters auch VfSlg. 13.304/1992) dem Bescheid nicht entnommen werden können, verletzt weder das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter noch ein sonstiges verfassungsgesetzlich geschütztes Recht (vgl. zB VfSlg. 13.136/1992 mwH).
Insoweit der Beschwerdeführer behauptet, dass "auf Grund der inhaltlich rechtswidrigen Entscheidung ... eine gesetzwidrige Verweigerung einer Sachentscheidung und damit eine Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vorliege" genügt es auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen, der zu Folge durch die unrichtige Anwendung der materiellen Bestimmungen eines Gesetzes das genannte Grundrecht nicht verletzt wird, weil dieses Recht nicht die Gesetzmäßigkeit des Inhalts des betreffenden Verwaltungsaktes gewährleistet (vgl. zB VfSlg. 15.068/1998 mwH).
2.2.2. Was die behauptete Verletzung in dem durch Art6 Abs1 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht anlangt, so ist auf Folgendes hinzuweisen: Die vorliegende Rechtssache fällt, gerade wenn man vom eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers (vgl. S 16 der Beschwerde) ausgeht, der seine dienstlichen Aufgaben im Rahmen der Gestaltung des kommunalen öffentlichen Raumes besonders betont, auch mit Blick auf die neuere Rechtsprechung des EGMR nicht in den Schutzbereich des Art6 EMRK (vgl. dazu VfGH 30.9.2005 B1741/03).
2.2.3. Der Beschwerdeführer behauptet weiters, die belangte Behörde habe §31 Abs4 der Dienstordnung 1994 denkunmöglich angewendet und durch ein fehlerhaftes Ermittlungsverfahren - insbesondere durch die Heranziehung von Amtssachverständigen - den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
Eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür übte.
Da der Verfassungsgerichtshof aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften, so vor allem gegen §31 der Dienstordnung 1994, keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt und die Bescheidbegründung keinen Anhaltspunkt für die Annahme liefert, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Darüber, welche Umstände gegeben sein müssen, damit einer Behörde Willkür anzulasten ist, lässt sich keine allgemeine Aussage treffen. Ob Willkür vorliegt, kann nur dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall entnommen werden (zB VfSlg. 5491/1967, 6404/1971, 6471/1971, 8808/1980, 14.573/1996 uva.).
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001 16.640/2002). Auch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung kann Willkür indizieren (VfSlg. 9561/1982, 14.573/1996).
Keiner dieser Mängel liegt jedoch hier vor. Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, dass das Ermittlungsverfahren mit einem wesentlichen, in die Verfassungssphäre reichenden Mangel behaftet wäre; auch kann weder von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage, noch von denkunmöglicher Gesetzesanwendung die Rede sein.
Die Auffassung des Dienstrechtssenates der Stadt Wien, der Beschwerdeführer habe durch sein - hier maßgebliches - Verhalten seine Mitwirkungspflicht gemäß §31 Abs4 Dienstordnung 1994 verletzt, ist jedenfalls vertretbar. Auch die Heranziehung von Amtssachverständigen zur Ermittlung des verfahrensrelevanten Sachverhaltes stößt auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Abgesehen davon wurde im vorliegenden Fall von der belangten Behörde zudem ein "Übergutachten" eines nichtamtlichen Sachverständigen eingeholt und dieses dem in Beschwerde gezogenen Bescheid nachvollziehbar zu Grunde gelegt.
Zusammenfassend ist also die getroffene behördliche Entscheidung nicht mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel, der eine Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz bewirkte, belastet.
2.2.4. Aus den gleichen Erwägungen, wie sie soeben angestellt wurden, geht auch der Vorwurf des Beschwerdeführers, er sei in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht verletzt worden, von vornherein ins Leere.
2.3. Ob der Entscheidung auch darüber hinaus eine in jeder Hinsicht richtige Gesetzesanwendung zu Grunde liegt, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch nicht in dem - hier vorliegenden - Fall, dass eine Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (vgl. VfSlg. 14.807/1977 uva.).
2.4. Der Beschwerdeführer wurde sohin aus den in der Beschwerde vorgetragenen Erwägungen weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass dies aus anderen, in der Beschwerde nicht dargelegten Gründen der Fall gewesen wäre.
2.5. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Dienstrecht, Bezüge Entfall, Dienstverhinderung, Dienstrechtssenat, Kollegialbehörde, Behördenzusammensetzung, ErmittlungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:B1192.2004Dokumentnummer
JFT_09948871_04B01192_3_00