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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Aufhebung der Kennzeichnung von Grundstücken als Aufschließungsgebiet in einem Flächenwidmungsplan als gesetzwidrig nach der bereinigten Rechtslage; Verpflichtung des Gemeinderates zur Erlassung einer Freigabeverordnung infolge gesicherter Erschließung der Grundstücke durch Straßen und VersorgungsleitungenRechtssatz
Aufhebung des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Wiesen vom 16.01. und 24.03.75, soweit näher bezeichnete Grundstücke als "Aufschließungsgebiet" gekennzeichnet sind.
Gemäß der im Verordnungsprüfungsverfahren anzuwendenden bereinigten Rechtslage (vgl G115/04, E v 09.12.04) sind Baubewilligungen gemäß §20 Abs2 Bgld RaumplanungsG erst zulässig, wenn der Gemeinderat durch Verordnung feststellt, dass die Erschließung durch Straßen und Versorgungsleitungen gesichert ist.
Die Erlassung einer Freigabeverordnung gemäß §20 Abs2 Bgld RaumplanungsG ist nicht in das Belieben der Gemeinde gestellt. Sie hat das Aufschließungsgebiet freizugeben, wenn die Erschließung durch Straßen und Versorgungsleitungen gesichert ist. Behält der Flächenwidmungsplan die Kennzeichnung von Grundstücken als Aufschließungsgebiet über längere Zeit bei, obwohl die Erschließung gesichert ist, so wird der Flächenwidmungsplan gesetzwidrig.
Für die Freigabe der Kennzeichnung als Aufschließungsgebiet kommt es nicht darauf an, ob die Erschließung der konkret beabsichtigten oder einer maximal nach der Widmung zulässigen Nutzung entspricht, sondern bloß darauf, dass die verkehrsmäßige Erschließung für die Bewilligung irgendeines nach den Widmungsbestimmungen zulässigen Bauvorhabens ausreicht.
Im vorliegenden Fall ist die Erschließung der Grundstücke durch Straßen und Versorgungsleitungen großteils seit über 15 Jahren (Straße, Wasser) sichergestellt. Die Gemeinde hat auch nicht behauptet, dass der Ortskanal erst seit kurzem an den Grundstücken vorbeiführe. Der Verfassungsgerichtshof geht aufgrund der Vorbringen und der vorgelegten Akten davon aus, dass der Verordnungsgeber bereits über einen mehrjährigen Zeitraum Kenntnis von der vollen Erschließung der Grundstücke hatte. Der Gemeinderat war daher nach der bereinigten Rechtslage verpflichtet, durch Verordnung festzustellen, dass die Erschließung durch Straßen und Versorgungsleitungen gesichert ist.
Da sich die auf die Sicherung der Erschließung eingeschränkte Freigabevoraussetzung erst aus dem aufhebenden Erkenntnis G115/04 ergibt, sieht sich der Verfassungsgerichtshof veranlasst, gestützt auf Art139 Abs5 letzter Satz B-VG, eine sechsmonatige Frist für das Außerkrafttreten der Kennzeichnung als "Aufschließungsgebiet" zu bestimmen, die es dem Verordnungsgeber ermöglicht, innerhalb des gesetzmäßigen Planungsspielraums weitere Vorkehrungen treffen zu können.
Schlagworte
Anpassungspflicht (des Normgebers), Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Aufschließungsgebiet, Invalidation, VfGH / Anlaßfall, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / FristsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:V75.2002Dokumentnummer
JFR_09949698_02V00075_01