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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art10 Abs1 Z3Leitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des Asylgesetzes in der Fassung der Asylgesetz-Novelle 2003 betreffend die mit einer Abweisung von Asylanträgen zu verbindende Ausweisung durch die Asylbehörden; keine kompetenzrechtlichen Bedenken; keine Bedenken gegen die Vollziehung durch eigene Bundesbehörden; kein Widerspruch zum Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander im Hinblick auf die im Ermessen der Fremdenpolizeibehörden stehende Ausweisung von Fremden; grundrechtliche Position von Asylwerbern im Sinne der EMRK bei der Ausweisungsentscheidung zu beachten; ausreichende Bestimmtheit der RegelungenRechtssatz
Zurückweisung des (Haupt-)Antrags des Unabhängigen Bundesasylsenates (UBAS) zu G78/04 auf Aufhebung des Wortes "Ausweisung" in §8 Abs2 AsylG 1997 idF BGBl I 101/2003.
Die Aufhebung bloß dieses Wortes würde zu einem unverständlichen Torso führen.
Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung des §8 Abs2 zur Gänze.
Der antragstellende UBAS hat seine sämtlichen Bedenken in einem Antrag selbst darzulegen. Die in diesem Antrag nicht im Einzelnen dargelegten Bedenken können weder in einem nachfolgenden Schriftsatz oder in einer Verhandlung nachgeholt werden, noch reicht zur Darlegung der Bedenken aus, auf Äußerungen des selben Antragstellers in anderen Verfahren hinzuweisen, ohne dass eine präzise Zuordnung der Bedenken erfolgt und ohne dass der Antrag des selben Antragstellers, auf den verwiesen wird, schon beim Verfassungsgerichtshof eingelangt ist. Hinweise auf andere schriftliche Ausführungen, wie etwa Schriftsätze, Gutachten, Aufsätze oder gar - wie im vorliegenden Fall - auf andere Anträge, deren Einbringung überhaupt erst beabsichtigt ist, mögen zeigen, dass solche Bedenken auch sonst geäußert werden, und damit der Bestärkung der geltend gemachten Bedenken dienen, können aber die Darlegung dieser Bedenken im Antrag nicht ersetzen.
Zulässigkeit des Antrags zu G88/04 auf Aufhebung des §6 Abs3 AsylG, " überdies in eventu (dh für den Fall der Stattgebung des Antrages)" den gesamten §8 Abs2 AsylG, jeweils idF BGBl I 101/2003.
Die vom UBAS im Antrag behauptete Verfassungswidrigkeit, mit der die Ausweisung nach §6 Abs3 bekämpft wird, kann nur durch Aufhebung sowohl des §6 Abs3 als auch des §8 Abs2 AsylG beseitigt werden.
Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung der Zeichenfolge "8, 15," in §44 Abs3 AsylG in Folge eines untrennbaren Zusammenhanges der Zeichenfolge '8,' - dem Sitz der Verfassungswidrigkeit - mit der folgenden Zeichenfolge '15,'.
Abweisung der Anträge des UBAS auf Aufhebung des §6 Abs3, §8 Abs2 und der Verweisungsnorm des §44 Abs3 AsylG 1997 idF BGBl I 101/2003.
Keine kompetenzrechtlichen Bedenken.
Der Verfassungsgesetzgeber ging bei Erlassung der Verfassungsbestimmung des §10 Abs1 Z1 AsylG 1991 (betr. Einrichtung des Bundesasylamtes) davon aus, dass die in diesem Gesetz geregelten und von den Asylbehörden zu besorgenden Angelegenheiten kompetenzrechtlich solche der "Fremdenpolizei" iSd Art10 Abs1 Z7 bzw Art102 Abs2 B-VG sind. Für die im Fremdenpolizeigesetz, auf das im AsylG 1991 mehrfach Bezug genommen wird, geregelten Angelegenheiten kann ebenso wenig etwas anderes gelten, wie insb. für die in §9 Abs2 AsylG 1991 getroffene Regelung betreffend die Verfügung der Ausweisung eines Asylwerbers (nach Verlust seiner Aufenthaltsberechtigung) durch die Fremdenpolizeibehörde.
Die Aufhebung des Verfassungsranges dieser Bestimmung (vgl Art7 Abs1 Z21 des KundmachungsreformG 2004, BGBl I 100/2003) erfolgte allein deshalb, weil nach Aufhebung des §15 Behörden-ÜG mit der B-VG-Novelle 1991 für Angelegenheiten der "Fremdenpolizei" iSd Art102 Abs2 B-VG, wozu die im AsylG (und auch im FremdenpolizeiG) geregelten Angelegenheiten zählen, die bundesverfassungsgesetzliche Sondernorm, die die Vollziehung dieser Angelegenheiten im Bereich der Länder durch eigene, von den Sicherheitsdirektionen verschiedene Bundesbehörden ermöglichte, entbehrlich wurde.
Der Begriff "Asylsache" iSd Art129c B-VG ist im B-VG nicht näher bestimmt.
Der Verfassungsgesetzgeber ging anlässlich der Einfügung des Art129c durch die B-VG-Novelle 1997 von einem Verständnis des Begriffs "Asylsachen" aus, das nicht auf den konkreten Inhalt des unter einem beschlossenen AsylG 1997 beschränkt war, sondern auch Regelungen einbezog, die ihrer Art nach schon bei der Erlassung der B-VG-Novelle 1997 in asylrechtlichen Vorschriften enthalten waren. Kam aber zu diesem Zeitpunkt auf Grund des (§9 Abs1) AsylG 1991 den Asylbehörden (auch) die Vollziehung gesetzlicher Regelungen zu, die die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Ausweisung von Asylwerbern, somit einen Teilbereich der Aufenthaltsbeendigung, betrafen, so muss angenommen werden, dass auch die Verfügung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme noch zu den "Asylsachen" iSd Art129c B-VG zählt.
Kein Widerspruch des §6 Abs3 und des §8 Abs2 AsylG zum Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander.
Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegen getreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt.
Bei Entscheidungen über die Ausweisung von Asylwerbern ist deren grundrechtliche Position zu beachten (vgl E v 15.10.04, G237/03 ua). Auch bei Entscheidungen nach §33 und §34 FremdenG 1997 ist in der Regel die grundrechtliche Position des Fremden das ausschlaggebende Kriterium, so dass die Unterschiede in der Ermessensentscheidung über die Ausweisung von Fremden nach §33 und §34 FremdenG 1997 einerseits und der Entscheidung über die Ausweisung von Asylwerbern nach §6 Abs3 und §8 Abs2 AsylG andererseits nicht ins Gewicht fallen.
Bei einer Ausweisungsentscheidung nach §6 Abs3 und §8 Abs2 AsylG ist auch auf Art8 EMRK Bedacht zu nehmen.
Keine Unbestimmtheit des §6 Abs3, §8 Abs2 und der Verweisungsnorm des §44 Abs3 AsylG 1997 idF BGBl I 101/2003.
In der Ausweisung liegt zunächst die an den Fremden gerichtete Aufforderung, das Bundesgebiet zu verlassen. Verlässt der Fremde das Bundesgebiet nicht freiwillig, so ist zur Durchsetzung der Ausweisung dessen Abschiebung durch die Fremdenpolizeibehörden vorgesehen. Da die Asylbehörden das Refoulementverbot nur in Bezug auf den Herkunftsstaat zu prüfen haben (vgl §8 Abs1 AsylG), kann die Ausweisung nach §8 Abs2 AsylG auch nur die Grundlage für eine Abschiebung in diesen Herkunftsstaat bilden. Gleiches gilt auch für Ausweisungen nach §6 Abs3 AsylG.
§37 FremdenG legt Kriterien fest, die sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art8 EMRK in Fällen der Außerlandesschaffung eines Fremden ergeben und die von den Asylbehörden bei Ausweisungen nach §8 Abs2 AsylG, auch wenn sie dort nicht genannt sind, zu beachten sind. Auch insofern ist §8 Abs2 AsylG nicht unbestimmt. Divergenzen zwischen der Beurteilung der Interessenabwägung durch die Fremdenpolizeibehörden und durch die Asylbehörden können sich aber allein deshalb ergeben, weil die Asylbehörden nur die Zulässigkeit der Ausweisung in den Herkunftsstaat zu beurteilen haben, während Fremdenpolizeibehörden bei der Interessenabwägung bezüglich des möglichen Aufenthaltes nach einer Ausweisung eine Vielzahl von Möglichkeiten in Betracht zu ziehen haben. Auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden mag bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sein. Dies macht aber §8 Abs2 AsylG nicht unbestimmt.
Das Gesetz lässt bei einer systematischen Betrachtungsweise des Verhältnisses von FremdenG und AsylG eine unter Berücksichtigung des §20 AsylG nachvollziehbare Auslegung zu.
Verfügt ein Asylwerber, dessen Antrag abgewiesen wird, über einen Aufenthaltstitel, so ist zwar nach §8 Abs2 AsylG dennoch die Ausweisung auszusprechen, aber die Ausweisung ist bis auf weiteres, nämlich so lange der Aufenthaltstitel besteht, nicht durchsetzbar, und der Betreffende kann nicht abgeschoben werden.
Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes haben die Asylbehörden eine Ausweisung auch dann zu verfügen, wenn bereits vor Entscheidung über einen Asylantrag ein Aufenthaltsverbot durch die Fremdenpolizeibehörden verhängt wurde. Die "doppelte" Verfügung der Ausweisung kann dann Sinn machen, wenn beide im Rechtsmittelweg oder bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes bekämpft werden und möglicherweise eine davon aufgehoben wird.
Die Asylbehörden haben auch in Fällen des §6 AsylG eine Refoulementprüfung durchzuführen.
Die Refoulementprüfung durch die Asylbehörden beschränkt sich auf die Sicherheit im Herkunftsstaat, in Fällen des §4 AsylG auf die Sicherheit in einem Drittstaat. Fällt diese Prüfung zu Lasten des Asylwerbers aus, so ist für die Fremdenpolizei eine neuerliche Prüfung (§75 Abs1 FremdenG 1997) nicht erforderlich.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Auslegung systematische, Behördenzuständigkeit, Bundesverwaltung mittelbare, Bundesverwaltung unmittelbare, Determinierungsgebot, Fremdenpolizei, Ausweisung, Fremdenrecht, Kompetenz Bund - Länder Fremdenpolizei, Privat- und Familienleben, Unabhängiger Bundesasylsenat, VfGH / Bedenken, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, VerweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:G78.2004Dokumentnummer
JFR_09949683_04G00078_01