RS Vfgh 2005/6/6 B76/04

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Veröffentlicht am 06.06.2005
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7200 Beschaffung, Vergabe

Norm

B-VG Art83 Abs2
BundesvergabeG 2002 §100
Krnt VergaberechtsschutzG §11, §14

Leitsatz

Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Nachprüfungsantrages als verspätet; Verlängerung der Stillhaltefrist bis zur Zuschlagserteilung durch verspätete Auskunftserteilung hinsichtlich der Bekanntgabe der Gründe für die Zuschlagsentscheidung

Rechtssatz

§100 Abs1 BundesvergabeG verpflichtet den Auftraggeber, die Zuschlagsentscheidung den Bietern gesondert bekannt zu geben und sie von der Zuschlagserteilung zu trennen:

Bei sonstiger Nichtigkeit ist es dem Auftraggeber binnen einer "Stillhaltefrist" (im vorliegenden Fall des nicht offenen Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung: eine Woche) nach Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung untersagt, den Zuschlag zu erteilen. Der Zweck der Bestimmung liegt ganz offenkundig darin, dass dem Bieter die Möglichkeit eröffnet sein soll, die Zuschlagsentscheidung rechtzeitig, also vor Zuschlagserteilung, einer Überprüfung und allfälligen Nichtigerklärung durch den UVS zuzuführen.

Der Verfassungsgerichtshof erachtet deshalb auch vor dem Hintergrund der in diesem Punkt klaren Gemeinschaftsrechtslage (vgl EuGH 28.10.99, Rs. C-81/98, Alcatel Austria AG, Slg 1999, I-07671) eine Auslegung des §100 BundesvergabeG als zwingend, wonach dem Bieter nach Auskunftserteilung (über rechtzeitiges Begehren) jedenfalls noch drei Tage Stillhaltefrist offen stehen müssen. Eine verspätete Auskunftserteilung durch den Auftraggeber muss also zu einer entsprechenden Verlängerung der Stillhaltefrist führen.

Wenn der UVS im angefochtenen Bescheid offenbar davon ausgeht, dass ein Bieter möglicherweise schon vor Beantwortung des Auskunftsersuchens den Antrag auf Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung stellen müsse, vernachlässigt er, dass dem Nachprüfungsregime des Krnt VergaberechtsschutzG ein von konkreten Vorwürfen losgelöster Provisorialrechtsschutz fremd ist: Ein Nachprüfungsantrag aber hat gemäß §11 Abs1 Z6 Krnt VergaberechtsschutzG die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, zu bezeichnen. Dies ist ohne Bekanntgabe der (vermeintlichen) Vorzüge des erfolgreichen Angebots aber oft nicht möglich (vgl VfGH B190/02 vom 12.06.04).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rechtsschutz, Vergabewesen, Fristen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B76.2004

Dokumentnummer

JFR_09949394_04B00076_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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