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44 ZivildienstNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Entscheidung der Landesregierung über die Berufung eines Zivildieners über die Wohnkostenbeihilfe; Zuständigkeit des Landeshauptmannes iSd Zivildienstgesetzes iVm dem Heeresgebührengesetz 2001 gegebenSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.160,-
bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der nunmehrige Beschwerdeführer stellte am 5.10.2004 beim Magistrat Graz gemäß §34 Zivildienstgesetz, BGBl. Nr. 679/1986, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 133/2000 idF vor der ZDG-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 106/2005, (im Folgenden: ZDG) iVm §31 Heeresgebührengesetz 2001 idF BGBl. I Nr. 31/2001, (im Folgenden: HGG 2001) einen Antrag auf Zuerkennung von Wohnkostenbeihilfe.
Mit Bescheid des Magistrats Graz vom 22.11.2004 - obgleich der Bescheid "für den Bürgermeister" gefertigt wurde, ist er dem Magistrat zuzurechnen, da der Bürgermeister in Städten mit eigenem Statut zugleich Bezirkshauptmann ist - wurde der Antrag mit der Begründung abgewiesen, dass der Antragsteller über keine "eigene Wohnung" iSd §31 Abs2 HGG 2001 verfüge, da die von ihm genutzten Räumlichkeiten keine selbständige Benützbarkeit ohne Beeinträchtigung der anderen im Wohnungsverband liegenden Wohnungen gewährleiste; der Antragsteller führe keinen selbständigen Haushalt, sondern lebe in einer Wohngemeinschaft mit zwei anderen Personen, welche die Küche und Sanitäranlagen mitbenützen.
2. Gegen diesen Bescheid des Magistrats Graz erhob der nunmehrige Beschwerdeführer am 2.12.2004 Berufung "an die Rechtsmittelinstanz".
Mit Bescheid vom 12.1.2005 gab die Steiermärkische Landesregierung der Berufung gegen den Bescheid "des Bürgermeisters der Stadt Graz" gemäß §34 Abs1 und 2 ZDG iVm §31 HGG 2001 keine Folge.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Hilfsweise wird die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.
4. Die Steiermärkische Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der beantragt wird, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1.1. §34 des Bundesgesetzes über den Zivildienst (Zivildienstgesetz 1986 - ZDG), BGBl. Nr. 679/1986, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 133/2000 idF vor der ZDG-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 106/2005, lautete (Hervorhebung nicht im Original; §34 ZDG idgF trat erst mit 1.10.2005 in Kraft und ist im Beschwerdefall nicht maßgeblich):
"§34. (1) Der Zivildienstpflichtige, der
1. einen ordentlichen Zivildienst oder
2. einen außerordentlichen Zivildienst gemäß §8a Abs6 im Anschluß an einen in Z1 genannten Zivildienst leistet, hat Anspruch auf Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe, wie er einem Wehrpflichtigen nach §26 HGG 1992 zusteht.
(2) Auf den Familienunterhalt und die Wohnkostenbeihilfe sind die Bestimmungen des V. Hauptstückes des HGG 1992 sowie dessen §§48, 49 Abs1 bis 3 und §50 nach Maßgabe des Abs3 anzuwenden. Hiebei treten an die Stelle
1.
des Heeresgebührenamtes die Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel der Hauptwohnsitz des Zivildienstpflichtigen liegt und
2.
der militärischen Dienststelle die Einrichtung, die im Zuweisungsbescheid angegeben ist (§11 Abs1) und
3.
des Bundesministers für Landesverteidigung in §36 Abs3 HGG 1992 der Landeshauptmann, in §50 Abs3 HGG 1992 der Bundesminister für Inneres und
4.
der Zustellung des Einberufungsbefehls in den §§30 Abs1 und 2, 31 Abs1 und 3 sowie 33 Abs1 Z1 HGG 1992 die Genehmigung des Zuweisungsbescheides.
(3) Der Antrag auf Zuerkennung oder Änderung von Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe kann auch bei der Gemeinde eingebracht werden, in der der Zivildienstpflichtige seinen Hauptwohnsitz hat. Diese hat den Antrag an die Bezirksverwaltungsbehörde weiterzuleiten. Die Auszahlung des Familienunterhalts und der Wohnkostenbeihilfe erfolgt durch das Bundesministerium für Inneres. Die Bescheide über deren Zuerkennung oder Änderung sind auch dem Bundesministerium für Inneres zuzustellen. Die dem Zivildienstleistenden gebührenden Geldleistungen sind so rechtzeitig zu überweisen, dass ihm diese an dem im §32 Abs2 angeführten Auszahlungstermin zur Verfügung stehen."
1.2. §75a Abs2 ZDG, BGBl. Nr. 679/1986, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 31/2001, lautete (§75a ZDG idgF trat erst mit 1.10.2005 in Kraft und ist im Beschwerdefall nicht maßgeblich):
"§75a. (...)
(2) Soweit in diesem Bundesgesetz auf das HGG 1992 verwiesen wird, gilt dies nach dessen Aufhebung als Verweis auf die entsprechenden Bestimmungen der Regelung der Bezüge und sonstigen Ansprüche im Präsenz- und Ausbildungsdienst."
2. Im Hinblick auf die zuletzt zitierte Gesetzesstelle sind folgende Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz |ber die Bezüge und sonstigen Ansprüche im Präsenz- und Ausbildungsdienst (Heeresgebührengesetz 2001 - HGG 2001) erlassen sowie das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird, BGBl. I Nr. 31/2001, idF vor dem Wehrrechtsänderungsgesetz 2005, BGBl. I Nr. 58/2005, von Bedeutung:
2.1. §31 HGG 2001 lautet:
"3. Abschnitt
Wohnkostenbeihilfe
Anspruch
§31. (1) Mit der Wohnkostenbeihilfe sind Anspruchsberechtigten jene Kosten abzugelten, die ihnen nachweislich während des Wehrdienstes für die erforderliche Beibehaltung jener eigenen Wohnung entstehen, in der sie nach den Bestimmungen des Meldegesetzes 1991 (MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992, gemeldet sind. Dabei gilt Folgendes:
1.
Ein Anspruch besteht nur für jene Wohnung, in der der Anspruchsberechtigte bereits zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Einberufung gegen Entgelt gewohnt hat.
2.
Wurde der Erwerb einer Wohnung nachweislich bereits vor dem Zeitpunkt nach Z1 eingeleitet, so besteht ein Anspruch auch dann, wenn die Wohnung erst nach diesem Zeitpunkt bezogen wird.
3.
Hat der Anspruchsberechtigte nach dem Zeitpunkt nach Z1 eine andere eigene Wohnung bezogen und sich in dieser Wohnung gemeldet, so gebühren, sofern nicht Z2 anzuwenden ist, an Stelle der Kosten für diese Wohnung die ehemaligen Kosten jener eigenen Wohnung, in der der Anspruchsberechtigte zu diesem Zeitpunkt gewohnt hat.
4.
Ein Anspruch besteht auch dann, wenn das Nutzungsrecht des Anspruchsberechtigten an der Wohnung erst nach dem Zeitpunkt nach Z1 durch Eintritt in den Mietvertrag nach §14 Abs2 des Mietrechtsgesetzes (MRG), BGBl. Nr. 520/1981, oder sonstigen Übergang von Todes wegen oder auf Grund einer Ehescheidung entstanden ist.
(2) Als eigene Wohnung gelten Räumlichkeiten, die eine abgeschlossene Einheit bilden und in denen der Anspruchsberechtigte einen selbständigen Haushalt führt. Gehören die Räumlichkeiten zu einem Wohnungsverband, so müssen sie eine selbständige Benützbarkeit ohne Beeinträchtigung der anderen im Wohnungsverband liegenden Wohnungen gewährleisten.
(3) Als Kosten für die Beibehaltung der eigenen Wohnung gelten
1.
alle Arten eines Entgeltes für die Benützung der Wohnung samt dem nach §15 Abs1 MRG auf die Wohnung entfallenden Anteil an den Betriebskosten und laufenden öffentlichen Abgaben,
2.
allfällige zusätzliche Leistungen (Pauschale) für die als Bestandteil des jeweiligen Rechtsverhältnisses mit dem Recht zur Wohnungsbenützung verbundene Berechtigung zur Inanspruchnahme von Gemeinschaftseinrichtungen,
3.
Rückzahlungen von Verbindlichkeiten, die zur Schaffung des jeweiligen Wohnraumes eingegangen wurden und
4.
ein Grundgebührenpauschbetrag in der Höhe von 0,7 vH des Bezugsansatzes."
2.2. §33 HGG 2001, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 103/2002, lautet:
"4. Abschnitt
Verfahren
Allgemeines
§33. (1) Der Antrag auf Zuerkennung oder Änderung von Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe kann eingebracht werden
1. beim Heerespersonalamt oder
2. nach Antritt des Wehrdienstes auch bei jener militärischen Dienststelle, bei der der Anspruchsberechtigte Dienst zu leisten hat. Diese Dienststelle hat den Antrag und die beigebrachten Unterlagen unverzüglich an das Heerespersonalamt weiterzuleiten.
(2) Erlangt die Behörde auf andere Weise als durch einen Antrag Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Familienunterhalt, so hat sie das Verfahren auf Zuerkennung von Familienunterhalt von Amts wegen einzuleiten. Erlangt die Behörde diese Kenntnis später als drei Monate nach Antritt des Wehrdienstes durch den Anspruchsberechtigten, so beginnt ein Anspruch auf Familienunterhalt erst mit dem der Kenntnisnahme nachfolgenden Monatsersten.
(3) Bei der Zuerkennung von Familienunterhalt ist diese Geldleistung nach den jeweiligen Personen nach §30 Abs1 bis 3 aufzugliedern. Berufungen gegen die Höhe des Familienunterhaltes oder der Wohnkostenbeihilfe haben keine aufschiebende Wirkung.
(4) Der Arbeitgeber eines Anspruchsberechtigten ist verpflichtet, alle Bestätigungen auszustellen, die zur Bemessung von Familienunterhalt oder Wohnkostenbeihilfe erforderlich sind, und diese Bestätigungen sowie alle sonst erforderlichen Unterlagen dem Anspruchsberechtigten auszuhändigen."
2.3. §51 HGG 2001, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 103/2002, lautet:
"Behördenzuständigkeit
§51. (1) Die Zuständigkeit zur Erlassung von Bescheiden nach diesem Bundesgesetz obliegt, sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist,
1. in erster Instanz dem Heerespersonalamt und
2. in zweiter Instanz dem Bundesminister für Landesverteidigung.
(2) Die Behörden nach Abs1 dürfen die für die Vollziehung dieses Bundesgesetzes erforderlichen Daten verarbeiten."
2.4. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf §36 Heeresgebührengesetz 1992, BGBl. Nr. 422/1992 idF BGBl. Nr. 259/1995, auf den in §34 Abs2 Z3 ZDG ausdrücklich verwiesen wird. Die Zitierung dieser durch BGBl. I Nr. 31/2001 bereits aufgehobenen Bestimmung dient lediglich einem besseren Überblick über die Rechtslage (Hervorhebung nicht im Original).
"Entscheidung über den Antrag
§36. (1) Die Entscheidung in allen Angelegenheiten des Familienunterhaltes und der Wohnkostenbeihilfe obliegt dem Heeresgebührenamt. Sofern der Antrag spätestens sechs Wochen vor dem festgesetzten Tag des Antrittes des Präsenzdienstes eingebracht wird, hat das Heeresgebührenamt den Bescheid so zeitgerecht zu erlassen, daß er zwei Wochen vor diesem Tag bei der für den Wehrpflichtigen nach Antritt des Präsenzdienstes zuständigen militärischen Dienststelle einlangt. In allen anderen Fällen hat das Heeresgebührenamt binnen zwei Wochen nach Einlangen des Antrages bei ihm, jedenfalls aber binnen vier Wochen nach Antragstellung den Bescheid zu erlassen.
(2) Wird ein Anspruch zuerkannt, so ist zugleich die Höhe des Familienunterhaltes und der Wohnkostenbeihilfe festzusetzen. In dem Bescheid ist der Familienunterhalt nach §32 Abs1 bis 3 aufzugliedern und für den Kalendermonat zu berechnen. Der Bescheid hat ferner auszusprechen, an welche Personen die Zahlungen zu leisten sind.
(3) Berufungen gegen die Höhe des Familienunterhaltes oder der Wohnkostenbeihilfe haben keine aufschiebende Wirkung. Über Berufungen hat der Bundesminister für Landesverteidigung zu entscheiden.
(4) Die entscheidenden Behörden haben ihre Bescheide der militärischen Dienststelle, bei welcher der Wehrpflichtige
1. den Präsenzdienst anzutreten hat oder
2. Dienst leistet oder
3. unmittelbar vor seiner Entlassung aus dem Präsenzdienst Dienst geleistet hat,
zur Kenntnis zu bringen."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).
2. Für Anträge auf Zuerkennung einer Wohnkostenbeihilfe von Zivildienstpflichtigen, die gemäß §34 Abs1 ZDG einen Anspruch auf Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe haben, wie er einem Wehrpflichtigen zusteht, ist gemäß §34 Abs2 Z1 (vgl. auch §75a Abs2 ZDG iVm §51 Abs1 Z1 HGG 2001 in der jeweils unter Punkt II. zitierten Fassung) in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig, in deren Sprengel der Hauptwohnsitz des Zivildienstpflichtigen liegt; über Berufungen gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde hat gemäß §34 Abs2 Z3 (vgl. auch §75a Abs2 ZDG iVm §51 Abs1 Z2 HGG 2001 in der jeweils unter Punkt II. zitierten Fassung) der Landeshauptmann zu entscheiden.
3. Die Steiermärkische Landesregierung als belangte Behörde hat dadurch, dass sie über die Berufung des nunmehrigen Beschwerdeführers in der Sache entschieden hat, eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen. Die sachlich zuständige (Berufungs-)Behörde wäre der Landeshauptmann von Steiermark gewesen.
Die belangte Behörde hat sohin bei Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Kompetenz in Anspruch genommen, die ihr von Gesetzes wegen nicht zukam, und deshalb den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl. etwa VfSlg. 9696/1983, 11.405/1987 und 15.636/1999).
4. Der Bescheid war daher aufzuheben.
IV. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in Höhe von € 360,- enthalten.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Behördenzuständigkeit, Militärrecht, Heeresgebühren, ZivildienstEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:B250.2005Dokumentnummer
JFT_09948871_05B00250_00