TE Vfgh Erkenntnis 2005/11/30 B560/05

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Veröffentlicht am 30.11.2005
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7200 Beschaffung, Vergabe

Norm

B-VG Art14b Abs2 Z1 lita, Abs2 Z2 lita, Abs3
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art138 Abs1 litc
BundesvergabeG 2002 §20 Z4, §135 Abs2
Krnt VergaberechtsschutzG §6 Abs2
VfGG §50, §51, §52

Leitsatz

Feststellung der Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates (UVS) für Kärnten zur Entscheidung über Nachprüfungsanträge der Bietergemeinschaft STRABAG und der Bietergemeinschaft Bögl im Vergabeverfahren betreffend den Bau des EM-Stadions für die Fußball-Europameisterschaft 2008 in Klagenfurt; Stadt Klagenfurt als öffentlicher Auftraggeber; Aufhebung des die Anträge der Bietergemeinschaften wegen Unzuständigkeit zurückweisenden Teiles des angefochtenen Bescheides; keine gesonderte Entscheidung in den Beschwerdeverfahren

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben insoweit mit diesem Bescheid der Teilnahmeantrag der Bietergemeinschaft PORR Technobau & Umwelt Aktiengesellschaft und der Alpine Mayreder Bau GmbH wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen wurde.

Das Land Kärnten ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.556,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Österreichische Fußballbund und der Schweizer Fußballverband haben den Zuschlag zur Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft 2008 (EURO 2008) erhalten. Als Austragungsort ist u.a. Klagenfurt vorgesehen, wobei das Stadion Klagenfurt den Vorgaben des Europäischen Fußballverbandes (UEFA)entsprechen muss. Die Fußballeuropameisterschaft soll vom 7. bis 29. Juni 2008 stattfinden.

2. Am 3. Jänner 2004 erfolgte eine Vergabebekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 2004-S 2-001322. Hiebei wird der öffentliche Auftraggeber wie folgt bezeichnet:

"Offizieller Name und Anschrift des öffentlichen

Auftraggebers: Republik Österreich BUND, ÖISS Österreichisches Institut für Schul- und Sportstättenbau, Att Dir. DI Peter Gattermann, Prinz-Eugen-Straße 12, A-1040 Wien,

Tel: ++43-1-505 88 99 0. Fax: ++43-1-505 88 99-20.

E-Mail: gattermann.oeiss.org. URL: www.oeiss.org."

Die Bezeichnung des Auftrags durch den Auftraggeber lautet:

"Die Stadionneubau inkludierend Baufreimachung, Planung und Errichtung in Klagenfurt Waidmannsdorf für EURO 2008 - 30.000 Sitzplätze netto sowie Rückbau."

Als Beschreibung/Gegenstand des Auftrags wird ausgeführt:

"Generalübernehmerauftrag, Planung und Bauausführung".

Die "Verfahrensart" wird als "Verhandlungsverfahren" bezeichnet.

Ferner erfolgt eine Vergabebekanntmachung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 12. Jänner 2004. Diese Bekanntmachung lautet:

"Vergabebekanntmachung. Verhandlungsverfahren:

Österreich BUND, ÖISS Österreichisches Institut für Schul- und Sportstättenbau. Auftragsbezeichnung: Stadionneubau inkludierend Baufreimachung, Planung und Errichtung in Klagenfurt Waidmannsdorf für EURO 2008 - 30.000 Sitzplätze netto sowie Rückbau; Gegenstand des Auftrags: Generalübernehmerauftrag, Planung und Bauausführung".

Ein Kostenrahmen wird nicht angegeben.

3. In der "Generalunternehmerausschreibung Verhandlungsverfahren" wird der Auftraggeber wie folgt bezeichnet (Punkt I./2.1):

"AUFTRAGGEBER AG

Stadt Klagenfurt gemeinsam mit deren Gründung befindlichen zweckbestimmten Errichtungs- und Betriebsgesellschaft, die diese vertreten durch Österreichisches Institut für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS)."

(Hervorhebungen im Original)

Ferner wird in den Ausschreibungsunterlagen (Punkt I.1.) erwähnt, dass das Vergabeverfahren als "Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung gemäß §25 Abs3 Z3 BVergG 2002" durchgeführt wird.

4. Eine formelle Berichtigung der Vergabebekanntmachung nach §37 Abs5 BVergG in den Publikationsorganen ist nicht erfolgt. Keiner der Bieter hat im Nachprüfungsverfahren Einspruch betreffend die nunmehrige Auftraggebereigenschaft der Stadt Klagenfurt erhoben.

Auch hat keine der Parteien die Ausschreibung, in welcher die Stadt Klagenfurt als öffentlicher Auftraggeber bezeichnet ist, innerhalb der im Anhang zum Kärntner Vergaberechtsschutzgesetz, LGBl. Nr. 17/2003, genannten Frist bekämpft.

5. Nach Durchführung des Vergabeverfahrens teilte die Stadt Klagenfurt sämtlichen Bietern am 8. März 2005 die Zuschlagserteilung mit. Diese Mitteilung lautet wie folgt:

                                       "DIE LANDESHAUPTSTADT IM SÜDEN

                                               Dkfm. Harald Scheucher

                                                    Der Bürgermeister

                                               Rathaus, Neuer Platz 1

                                                   A- 9010 Klagenfurt

Projekt: Stadionneubau Klagenfurt für EURO 2008

Mit 30.000 Sitzplätzen netto sowie Rückbau auf ca. 12.000 Sitzplätze

Die Landeshauptstadt Klagenfurt gibt bekannt, dass der Zuschlag an die Bietergemeinschaft Porr, Technobau und Umwelt AG, NL Kärnten, 9020 Klagenfurt, Robertgasse, und der Alpine Mayreder Bau GmbH, NL Kärnten, 9021 Klagenfurt, Neunergasse 7, erteilt werden soll (Zuschlagsentscheidung).

Mit freundlichen Grüßen

Für die Landeshauptstadt

Der Bürgermeister

Dkfm. Harald Scheucher"

Ferner teilte die Landeshauptstadt Klagenfurt, vertreten durch ihren Bürgermeister, am 8. März 2005 der Bietergemeinschaft STRABAG AG/Siemens AG Österreich/HBM Stadion und Sportstättenbau GmbH/Wayss Freytag Schlüsselfertig Bau AG (im Folgenden: Bietergemeinschaft STRABAG) Folgendes mit:

"Die Landeshauptstadt Klagenfurt gibt bekannt, dass das Hauptangebot sowie das Alternativangebot 1 der Bietergemeinschaft STRABAG AG/Siemens AG Österreich/HBM Stadion und Sportstättenbau GmbH/Wayss Freytag Schlüsselfertig Bau AG wegen einer nicht nachvollziehbaren Reduktion des Angebotspreises von ca. 10,70% im Verhältnis zum Erstangebot sowie weiterer technischer Ausscheidungsgründe, die Alternativangebote 2 und 3 zusätzlich wegen technischer Ausscheidensgründe ausgeschieden werden."

6. Am 14. März 2005 langte ein Nachprüfungsantrag des Bieters Swietelsky Baugesellschaft m.b.H. verbunden mit dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Generalübernehmerausschreibung Stadionneubau Klagenfurt für die EURO 2008" beim unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten ein. Am 15. März 2005 langte beim UVS für Kärnten ein ausdrücklich als Nachprüfungsantrag bezeichneter (Seite 2) Schriftsatz der Bietergemeinschaft STRABAG ein.

Die Bietergemeinschaften Granit GmbH/AST Baugesellschaft (im Folgenden: Bietergemeinschaft Granit/AST) und Max Bögl Austria GmbH/gmp von Gerkan, Marg und Partner (im Folgenden: Bietergemeinschaft Bögl ua.) stellten Teilnahmeanträge samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Ein weiterer Teilnahmeantrag wurde von der Bietergemeinschaft Porr Technobau und Umwelt AG/Alpine Mayreder Bau GmbH PORR/Alpine eingebracht.

Am Schluss der mündlichen Verhandlung vom 6. April 2005 erließ der UVS für Kärnten einen mündlichen Bescheid, der anschließend schriftlich ausgefertigt wurde und dessen Spruch lautet:

"I. Der Nachprüfungsantrag der Swietelsky Baugesellschaft mbH betreffend das Vergabeverfahren 'Stadionneubau Klagenfurt für EURO 2008' und die Teilnahmeanträge der Bietergemeinschaft STRABAG AG u. a., der Bietergemeinschaft Max Bögl Austria GmbH u.a., der Bietergemeinschaft Granit GmbH u.a. und der Bietergemeinschaft PORR Technobau und Umwelt AG u.a. werden wegen Unzuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten gemäß §6 Abs2 iVm §1 K-VergRG zurückgewiesen.

II. Die Anträge der Bietergemeinschaft Max Bögl Austria GmbH u. a. und der Bietergemeinschaft Granit GmbH u.a. auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung werden zurückgewiesen.

III. Die mit Bescheid vom 22. März 2005, Zahl: KUVS-K2-490/5/2005 und KUVS-K2-495/6/2005, erlassene einstweilige Verfügung tritt gemäß §16 Abs5 K-VergRG mit sofortiger Wirkung außer Kraft."

Der UVS für Kärnten begründete seine Unzuständigkeitsentscheidung damit, dass das Vergabeverfahren durch die Vergabebekanntmachungen ausgelöst wird und dort der Bund als öffentlicher Auftraggeber genannt ist. Eine Änderung des Ausschreibungsinhaltes in wesentlichen Punkten könne nur in Form einer Berichtigung der Ausschreibung erfolgen (§78 BVergG 2002 iVm §37 Abs1 BVergG 2002). Aus den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes sei daher eindeutig abzuleiten, dass die Vergabebekanntmachung bindende Wirkung habe. Dies sei auch dem Urteil des EuGH vom 25. April 1996, Rs C-87/94 zu entnehmen.

Mit Schlussbrief und Gegenschlussbrief vom 7. April 2005 wurde der Bauauftrag an die Bietergemeinschaft PORR vergeben.

Gegen den obgenannten Bescheid des UVS für Kärnten richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, mit welcher die Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht wird.

Der UVS für Kärnten erstattete eine Gegenschrift, in der er im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Bescheid verweist.

Mit Erkenntnis KI-2/05 u.a. vom 13. Oktober 2005 entschied der Verfassungsgerichtshof auf Antrag der Bietergemeinschaften STRABAG und Bögl, dass der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten für das Vergabenachprüfungsverfahren zuständig ist und hob den Bescheid insofern auf, als damit die Feststellungs- bzw. Teilnahmeanträge dieser Bietergemeinschaften zurückgewiesen wurden.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis zu KI-2/05 u.a., 13. Oktober 2005, den angefochtenen Bescheid des UVS Kärnten betreffend die Beschwerdeführerin nicht aufgehoben, weil sie nicht Partei des Verfahrens nach Art138 Abs1 litc B-VG war. Die Zurückweisung des Teilnahmeantrages der Beschwerdeführerin durch den UVS Kärnten ist daher aufrecht und würde der beschwerdeführenden Gesellschaft in dem nunmehr vom UVS fortzusetzenden Verfahren die Parteistellung nehmen. Insofern ist sie durch den angefochtenen Bescheid beschwert.

2. In der Sache:

Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

Wie der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis zu KI-2/05 u.a. ausgesprochen hat, hat der UVS Kärnten seine Unzuständigkeit zu Unrecht angenommen. Durch diese Verweigerung einer Sachentscheidung wurde die beschwerdeführende Partei in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides war daher, insoweit er die beschwerdeführende Partei betrifft, aufzuheben.

3. Der Beschwerdeführerin wurden Kosten antragsgemäß zugesprochen. Im zugesprochenen Betrag sind € 396,-- an Umsatzsteuer, € 180,-- an Eingabengebühr und € 180,-- an Streitgenossenzuschlag enthalten.

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Bescheid Trennbarkeit, Bundesverwaltung, Landesverwaltung, Unabhängiger Verwaltungssenat, Vergabewesen, VfGH / Kompetenzkonflikt, VfGH / Kosten, VfGH / Beteiligter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B560.2005

Dokumentnummer

JFT_09948870_05B00560_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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