RS Vfgh 2005/6/9 V87/04

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Veröffentlicht am 09.06.2005
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art18 Abs2
ChemikalienG 1996 §2 Abs15
Kohlenwasserstoff-VerbotsV, BGBl II 447/2002 §12 Abs2 Z3
Normen-Info-RL des Rates 98/34/EG idF RL 98/48/EG Art8
NotifikationsG 1999 §2 Abs3

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung der Kohlenwasserstoff-Verbotsverordnung betreffend eine Ausnahme vom Verwendungsverbot teilfluorierter Kohlenwasserstoffe unter einem bestimmten Treibhauspotential als Löschmittel wegen Nichteinhaltung von Vorschriften des Notifikationsgesetzes 1999 über die neuerliche Mitteilungspflicht im Fall einer Verschärfung; korrekte (teilweise) Transformation der Normen-Informations-Richtlinie in das nationale Recht durch das Notifikationsgesetz 1999

Rechtssatz

Die Wortfolge "wenn das Treibhauspotential (GWP-Wert) der eingesetzten teilfluorierten Kohlenwasserstoffe (HFKW) unter 3 000 liegt" in §12 Abs2 Z3 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Verbote und Beschränkungen teilfluorierter und vollfluorierter Kohlenwasserstoffe sowie von Schwefelhexafluorid, BGBl II 447/2002, (HFKW-FKW-SF6-V - Kohlenwasserstoff-VerbotsV) wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Mit dem NotifikationsG 1999, durch das eine korrekte (teilweise) Transformation der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.06.98 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft idF RL 98/48/EG (Normen-Info-RL) in das nationale Recht erfolgte, wurden für den Verordnungsgeber in Bezug auf technische Spezifikationen verfahrensrechtliche Obliegenheiten (insbesondere die Mitteilungspflicht und die Einhaltung bestimmter, einen Informationsaustausch ermöglichender Fristen) statuiert. Als übergeordnete (Verfahrens)Norm entfaltet das NotifikationsG 1999 beim Zustandekommen genereller (hier auf technische Spezifikationen bezogener) Rechtsvorschriften daher spezielle, zu sonstigen innerstaatlich normierten Erzeugungsbedingungen hinzutretende Rechtswirkungen.

Die Unterlassung der neuerlichen Notifikation der für ausnahmefähiges HFKW einen GWP-Wert von unter 3000 festlegenden Verordnungsstelle bewirkt einen beachtlichen, ihre Aufhebung bedingenden Verfahrensmangel.

Den im NotifikationsG 1999 angeordneten Erzeugungsregeln kann - ungeachtet ihres primär europarechtlich determinierten Inhaltes - nicht bloß die Bedeutung einer für das Verordnungsverfahren vernachlässigbaren formalen Anleitung über den Ablauf des Informationsaustausches im EU-Raum beigemessen werden. Vielmehr bringt das Gesetz damit das Interesse Österreichs an der Sicherung der Reaktionsmöglichkeit der Kommission zur Geltung.

Damit erweist sich das NotifikationsG 1999 als geeigneter Prüfungsmaßstab iSd Art139 B-VG.

Die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Vorschriften der Normen-Info-RL kann angesichts ihrer korrekten (partiellen) Umsetzung durch das NotifikationsG 1999 außer Betracht bleiben, weil die gemeinschaftsrechtliche Folge einer nicht richtlinienkonformen Notifikation nur Platz greift, solange eine ordnungsgemäße Transformation der Richtlinienvorgaben in das nationale Recht aussteht. Auf Grund der mit der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle verbundenen Rechtsbereinigungsfunktion iVm dem NotifikationsG 1999 ist der Verfassungsgerichtshof berufen, nicht nur den Erzeugungsprozess einer von der Behörde angewendeten generellen Rechtsvorschrift auf seine Übereinstimmung mit den in einer übergeordneten nationalen Norm angeordneten Erzeugungsbedingungen zu prüfen, sondern die gesetzwidrig zustandegekommene Regelung auch formell zu beseitigen.

Das Motiv, das für die Ergänzung des notifizierten Verordnungstextes ausschlaggebend war, ist für die Beantwortung der Frage, ob die in Rede stehende Modifikation gegenüber dem angezeigten Entwurf eine wesentliche Änderung iS einer Verstrengerung der Spezifikation nach §2 Abs3 NotifikationsG 1999 darstellt, ohne Belang. Angesichts des eindeutigen Wortlautes und Sinngehaltes der Anordnung des §2 Abs3 NotifikationsG 1999 löst jede dort näher umschriebene (wesentliche) Änderung (mag sie auch sachlich begründet sein) eine weitere Anzeigepflicht aus, um den Mitgliedstaaten und der Kommission vor dem Hintergrund der Hintanhaltung potentieller Handelshemmnisse eine Reaktionsmöglichkeit zu dieser Änderung einzuräumen.

Zusätzliche Verschärfung durch neues Limit; keine bloße Präzisierung des Standes der Technik.

Der Begriff "Stand der Technik" ist ein der Auslegung zugänglicher Begriff, der sich im jeweiligen Zusammenhang objektiv ermitteln lässt.

Die in §2 Abs15 ChemikalienG 1996 (ua) zum Einsatz von Stoffen aufgezählten (vor allem ökonomische Aspekte betreffenden) Kriterien (Gebrauchstauglichkeit, Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen für den - hier - Umweltschutz und Vorsorgegrundsatz) lassen (abgesehen davon, dass der Begriff "Stand der Technik" zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung noch nicht im ChemikalienG 1996 definiert war) nicht den Schluss zu, dass Löschmittel mit einem 3000 GWP überschreitenden Treibhauspotential von vornherein außerhalb des in dieser Definition abgesteckten Rahmens stehen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Chemikalien, EU-Recht Richtlinie, Notifikation, Rechtsstaatsprinzip, Transformation, Verordnungserlassung, VfGH / Prüfungsmaßstab, Umweltschutz, Rechtsbegriffe unbestimmte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:V87.2004

Dokumentnummer

JFR_09949391_04V00087_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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