RS Vfgh 2005/6/13 B1519/04

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 13.06.2005
beobachten
merken

Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
StGG Art17a
EMRK Art7, Art10 Abs2
DSt 1990 §1 Abs1
RAO §8, §10 Abs2, §15
ZPO §31

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen herabwürdigender, abstoßend verzerrender Darstellung zweier Frauen auf der Kanzleihomepage sowie der Erteilung von Substitutionsvollmachten an eine zur Vertretung nicht berechtigte Kanzleimitarbeiterin

Rechtssatz

Keine Verletzung des Klarheitsgebotes iSd Art7 EMRK.

Die belangte Behörde hat sich bei der Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers im Rahmen dessen gehalten, was bei vernünftiger Interpretation der Begriffe "Ehre und Ansehen des Standes" für den Beschwerdeführer erkennbar sein musste, nämlich, dass er sich durch eine derartige Abbildung auf seiner Kanzleihomepage einer Bestrafung aussetzt.

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter; keine Willkür.

Keine Verletzung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung und auf Freiheit der Kunst.

Standesrechtlich vorgesehene Disziplinarmaßnahmen sind zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer in einer demokratischen Gesellschaft notwendig. Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertritt, dass die inkriminierte Abbildung "von zwei im Wasser stehenden Frauen mit grotesk-karikierend dargestellten, gigantischen bis zu den Knien reichenden Brüsten und dem Text 'Why Women Shouldn't Take Viagra'" auf der Homepage der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdeführers schon insbesondere wegen ihrer Herabwürdigung des weiblichen Geschlechts und der Eignung, in der Öffentlichkeit Anstoß zu erregen, der prinzipiellen Standespflicht des Rechtsanwaltes widerspricht, gemäß §10 Abs2 RAO durch Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit in seinem Benehmen die Ehre und Würde des Standes zu wahren.

Die Normen der RAO und des DSt sind ihrer Zielsetzung nach nicht darauf gerichtet, künstlerische Betätigung zu verhindern. Jedoch muss nicht alles, was ein Künstler in seiner künstlerischen Darstellung tun darf, einem Rechtsanwalt, der zur Wahrung der Ehre und des Ansehen des Standes verpflichtet ist, zugestanden werden. Das Schutzniveau eines Rechtsanwaltes ist im Hinblick auf Art17a StGG niedriger angesetzt als das eines Künstlers.

§8 und §15 RAO regeln die Vertretungspflichten der Rechtsanwälte. In §31 ZPO und §15 RAO ist geregelt, in welchen Fällen sich ein Rechtsanwalt entweder durch einen substitutionsberechtigten Rechtsanwaltsanwärter, einen anderen Rechtsanwaltsanwärter oder durch einen mit einer Beglaubigungsurkunde ausgestatteten Kanzleimitarbeiter vertreten lassen darf. Diese gesetzlichen Bestimmungen sind nicht nur jedermann, insbesondere einem Rechtsanwalt, zugänglich, sondern gehören außerdem zum juristischen Basiswissen jedes Rechtsanwaltes.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht, Kunstfreiheit, Meinungsäußerungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B1519.2004

Dokumentnummer

JFR_09949387_04B01519_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten