Index
L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Gesetzwidrigkeit eines Wiener Plandokuments hinsichtlich der Umwidmung von Grundstücken von "Grünland - Erholungsgebiet Kleingartengebiet" in "Grünland - ländliches Gebiet" mit gleichzeitiger Festlegung eines absoluten Bauverbotes wegen Fehlens einer ausreichenden Grundlagenforschung und der gebotenen Interessenabwägung; keine Erforderlichkeit der Umwidmung aus wichtigen Rücksichten im Sinne der Wr Bauordnung, auch nicht im Hinblick auf die Ausweisung der Grundstücke als WeinbauflurenRechtssatz
Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung von Teilen des Plandokuments Nr 6665, Beschluss des Wr Gemeinderates vom 26.06.96.
Dem Erfordernis der Darlegung konkreter Bauabsichten wird der Antragsteller durch sein Vorbringen, er wolle die gegenständlichen Grundstücke "aufgrund seiner persönlichen Umstände so rasch wie möglich für die Errichtung eines Gartenhauses für die Sommermonate nutzen", gerecht.
Kein zumutbarer Umweg.
Der Aufwand für die Anfertigung der für eine Baubewilligung für ein Kleingartenhaus nach dem Wr KleingartenG erforderlichen Planunterlagen ist nicht als zumutbarer Aufwand im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes anzusehen (vgl §8 Wr KleingartenG).
Richtige Abgrenzung des Aufhebungsumfanges.
Nachdem der im Osten an die im Eigentum des Antragstellers stehende Grundfläche angrenzende Weg, welcher nach den Angaben des Antragstellers im Eigentum Dritter steht, in der planlichen Darstellung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes PD 6665 von den Grundstücken des Antragstellers bzw den in südöstlicher Richtung daran angrenzenden Nachbarparzellen nicht unterscheidbar ist, ist der Aufhebungsumfang im Hauptantrag zulässig abgegrenzt.
Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Wien vom 26.06.96, Plandokument Nr 6665, insoweit, als sie für eine Grundfläche, die in dem Bereich östlich der Verkehrsfläche mit der Nr 12305 und des Wasserbehälters Hackenberg, nördlich des Hackenbergweges (Verkehrsfläche Nr 1704), südlich des Ährengrubenweges (Verkehrsfläche Nr 12453) und westlich des Sieveringer Friedhofes liegt, die Festlegungen "L" ("Grünland - ländliches Gebiet") und "BB 2" (Verbot der Errichtung von Gebäuden und baulichen Anlagen) trifft.
Die im Eigentum des Antragstellers stehenden Grundstücke in der KG Obersievering waren jedenfalls seit der Erlassung des Plandokumentes Nr 2454 vom 17.07.53 als "Grünland - Erholungsgebiet Kleingartengebiet" gewidmet. Dieselbe Widmung trugen auch sämtliche in östlicher und westlicher Richtung daran angrenzenden Liegenschaften.
Der Umwidmung der Grundstücke des Antragstellers in "Grünland Ländliche Gebiete" mit der gleichzeitigen Festlegung des Verbotes der Errichtung von Gebäuden und baulichen Anlagen ist offenkundig - mit Ausnahme der Feststellung der bestehenden Nutzung als Weingarten - keine ausreichende, die konkreten Grundflächen betreffende, Grundlagenforschung vorausgegangen.
Eine raumordnungsfachliche, die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers darstellende und nachvollziehbare Begründung für die konkrete Umwidmung findet sich weder im Vorlagebericht zur Erlassung der Verordnung, noch an einer sonstigen Stelle des dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verordnungsaktes.
Den vorgelegten Verordnungsakten ist auch nicht zu entnehmen, dass der Gemeinderat der Stadt Wien bei der Erlassung der in Rede stehenden Widmung Bedacht auf die Interessen des Grundstückseigentümers im Hinblick auf die aus der Umwidmung resultierende wirtschaftliche Entwertung seiner Liegenschaften genommen hätte, wozu er jedoch aufgrund der zum Zeitpunkt der Umwidmung geltenden Rechtslage (vgl dazu §59 Wr BauO) verpflichtet gewesen wäre.
Dem Verfassungsgerichtshof ist nicht ersichtlich, wie die allgemeinen Ziele ("Erhaltung des charakteristischen Erscheinungsbildes", "weitgehende Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzung" usw) im vorliegenden Fall, in dem die nördlich und südlich jeweils durch eine öffentliche Verkehrsfläche erschlossenen Grundstücke nunmehr als einzige in dem in Rede stehenden Bereich als "Grünland Ländliches Gebiet" gewidmet und mit einem Bauverbot belegt, die östlich und westlich davon gelegenen Grundstücke dagegen durchgehend als Kleingartengebiet gewidmet (geblieben) sind, so wichtige Rücksichten darstellen können, dass sie - angesichts der Intensität der mit der Widmungsänderung verbundenen Nutzungsbeschränkung - das Interesse des Grundstückseigentümers an der Beibehaltung der zuvor bestehenden Kleingartengebietswidmung übersteigen. Dass die Grundstücke des Antragstellers bislang nicht verbaut wurden, ändert an dieser Beurteilung nichts; indem es Änderungen nur unter bestimmt umschriebenen Voraussetzungen vorsieht und gestattet, verleiht das Gesetz dem Flächenwidmungsplan nämlich im Interesse der Rechtssicherheit - unabhängig davon, ob ein Grundstück bereits bebaut ist oder nicht - grundsätzlich erhöhte Bestandskraft. Auch das vom Gemeinderat beigebrachte Argument der Ausweisung der in Rede stehenden Grundflächen als Weinbaufluren ist in diesem Zusammenhang nicht zielführend: Zum einen stand die vor Erlassung des PD 6665 bestehende Widmung der Grundstücke als Kleingartengebiet einer Nutzung derselben als Weingarten schon bisher nicht entgegen; zum anderen kann aus §1 Abs2 und §8 Wr WeinbauG iVm der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien über die Abgrenzung der Weinbaufluren nur eine Berechtigung, aber jedenfalls nicht eine Verpflichtung zum Pflanzen von Weinstöcken auf den antragsgegenständlichen Grundstücken abgeleitet werden, sodass auch dieses Argument nicht zur Begründung des Vorliegens von "wichtigen Rücksichten" zur Planänderung iSd §1 Wr BauO herangezogen werden kann.
Schlagworte
Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, Flächenwidmungsplan, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:V81.2003Dokumentnummer
JFR_09949387_03V00081_01