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20 Privatrecht allgemeinNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Sachliche Rechtfertigung der Regelung des Konsumentenschutzgesetzes über die Verpflichtung zur Einhaltung von Gewinnzusagen; stärkere Verbindlichkeit aufgrund notorischer Missbrauchsmöglichkeiten gerechtfertigt; keine Strafe oder Schadenersatzregelung; öffentliches Interesse gegebenRechtssatz
Zulässigkeit der Individualanträge von Veranstaltern von Gewinnspielen auf Aufhebung des §5j KSchG betreffend die Verpflichtung zur Einhaltung von Gewinnzusagen.
Die angefochtene Bestimmung regelt die Rechtsfolge des von den antragstellenden Gesellschaften erklärtermaßen geübten oder beabsichtigten Verhaltens. Diese erstellen nach ihrer Behauptung Werbeaussendungen, die Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an von ihnen angeschriebene Verbraucher enthalten und nehmen dabei mangels Klarstellung des Gegenteils in Kauf, dass die von ihnen angeschriebenen Personen glauben, sie hätten bereits einen bestimmten Preis gewonnen (weil das - wie die antragstellenden Gesellschaften meinen - anerkannten Grundsätzen der Werbewirtschaft entspreche und die angesprochenen Verbraucher dadurch nicht geschädigt würden). Diese Rechtsfolge - die Pflicht zur Leistung des Zugesagten an die Verbraucher - tritt ohne gerichtliche (oder verwaltungsbehördliche) Entscheidung kraft Gesetzes ein und es ist den Unternehmen - entgegen der Auffassung der Bundesregierung und unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Strafe oder bloß zivilrechtliche Verpflichtung handelt - mit Rücksicht auf das Gewicht dieser Rechtsfolge im Verhältnis zur gewollten Wirkung nicht zumutbar, deren Eintritt zu provozieren und die Verurteilung durch ein Gericht abzuwarten.
Zurückweisung hingegen des Antrags einer Gesellschaft aufgrund Gerichtsanhängigkeit eines Strafverfahrens.
Keine Verfassungswidrigkeit des §5j KSchG.
Der angegriffene §5j KSchG erfasst nur solche Zusagen (Mitteilungen), deren Gestaltung beim Verbraucher den Eindruck erweckt, dass er einen bestimmten Preis gewonnen habe.
Dass das Motiv des Gesetzgebers für eine Regelung, die das Risiko eines Missverständnisses dem Erklärenden aufbürdet, die Unterbindung täuschender Praktiken ist, macht die getroffene Lösung weder zu einer Strafe noch zu einer schadenersatzrechtlichen Sanktion. Wird beim Empfänger einer Zusendung durch deren Gestaltung der Eindruck erweckt, dass er einen bestimmten Preis gewonnen habe, so entspricht es dem Grundgedanken rechtsgeschäftlicher Privatautonomie, den Zusagenden zur Leistung dieses Preises an den Empfänger zu verhalten.
Dass Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an persönlich angesprochene Verbraucher angesichts der aus unterschiedlichen Fähigkeiten und Absichten der Beteiligten folgenden notorischen Missbrauchsmöglichkeiten besondere Maßnahmen rechtfertigen, ist offenkundig.
Warum es unsachlich oder inadäquat sein soll, den Unternehmer zur Hintanhaltung von Missverständnissen bei sonstiger Verbindlichkeit seiner Erklärung zu einer Klarstellung zu zwingen, hat der Antrag nicht darzutun vermocht.
Für die Angemessenheit der bindenden Wirkung einer Erklärung ist neben dem Grad ihrer Deutlichkeit und den Folgen für den Erklärenden nicht nur das Ausmaß der allfälligen Schädigung des enttäuschten Partners, sondern auch die Möglichkeit von Bedeutung, diese Enttäuschung zu verhindern. Der Annahme eines öffentlichen Interesses am Schutz der Verbraucher vor einer vermeidbaren, dem Vorteil eines anderen dienenden (Ent-)Täuschung kann der Verfassungsgerichtshof nicht entgegentreten.
Behauptete Unbestimmtheit der Regelung sowie Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit nicht nachvollziehbar.
Schlagworte
Konsumentenschutz, VfGH / Individualantrag, Werbung, Strafe, Schadenersatz, ZivilrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:G20.2005Dokumentnummer
JFR_09949386_05G00020_01