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50 GewerberechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Verstoß gegen das Prinzip der Marktfreiheit durch die Bevorzugung der Marktplatzinhaber des Vorjahres bei der Vergabe von Standplätzen am Christkindlmarkt; Wirkung der geprüften Bestimmung auch für den jeweils kommenden Markt; Schaffung eines geschlossenen Kreises von Marktteilnehmern nicht zulässig trotz der Notwendigkeit von BeschränkungenRechtssatz
Zulässigkeit der aufgrund einer Erweiterung des ursprünglichen Prüfungsbeschlusses von Amts wegen eingeleiteten Prüfung von Teilen des §57 der Wr MarktO 1991 idF ABl Nr 42/2000 betreffend die Vergabe von Standplätzen auf dem Christkindlmarkt.
Dass die Behörden die Anträge der Beschwerdeführer nach den Vorschriften über die Vergabe von Marktplätzen, die nicht zwischen verschiedenen Arten von Standplätzen unterscheiden, behandelt haben, steht außer Zweifel und ist nach den eigenen Darlegungen der Behörde und des Magistrats auch plausibel.
Das Verfahren hat keine Zweifel daran hervorgebracht, dass der Verfassungsgerichtshof bei Erledigung der Beschwerde die Vorschriften über die Zuweisung von Marktplätzen auf Christkindlmärkten anzuwenden hätte, weil die Folgen einer allfälligen Rechtswidrigkeit der Nichtzulassung nach Stattfinden der Veranstaltung sich nur anhand dieser Vorschriften beantworten lassen. Nach diesen bestimmt sich nämlich, ob rechtswidrig Nichtzugelassene zum nächsten Termin bevorzugt behandelt werden müssen. Wäre die Rechtsstellung für den jeweils kommenden Christkindlmarkt für alle Interessenten die gleiche, könnte eine Entscheidung in der Tat keine Wirkung mehr entfalten.
Anwendbar ist allerdings denkmöglich nur die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (und übrigens auch für den Zeitraum der beantragten Zuteilung) maßgebende Fassung ABl Nr 42/2000. Im Hinblick auf die vorher in Geltung gestandene Fassung ABl Nr 8/1998 ist das Verfahren hingegen mangels Präjudizialität einzustellen (ursprünglicher Prüfungsbeschluss).
Die Wortfolge ", die Christkindlmärkte" im Eingangssatz sowie die Wortfolge "und die Christkindlmärkte" in der Z4 des §57 Abs4 der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, mit der für die Wiener Märkte eine Marktordnung erlassen wird (Wr MarktO 1991), ABl Nr 30/1991 idF ABl Nr 42/2000, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Es ist für das Normenprüfungsverfahren ohne Bedeutung, ob der Anlassfall von der angenommenen Gesetzwidrigkeit betroffen ist. Die anzuwendende Verordnung muss als solche im Gesetz Deckung finden.
Die Wendung "Jedermann hat das Recht" in §286 Abs1 GewO 1994 ist innerhalb des durch den Gegenstand des Marktes umschriebenen Rahmens nicht nur als Erteilung einer Erlaubnis zu verstehen, sondern hat offenkundig die dem traditionellen Begriff des Marktes entsprechende Bedeutung, den Zugang zu dieser Einrichtung grundsätzlich jedermann offen zu halten. Es wäre daher unzulässig, den "Markt" als den Prototyp des Wettbewerbsplatzes nur bestimmten Personen (wenngleich ohne Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen der Gewerbeausübung) vorzubehalten.
Zur Verfügung stehender Raum jedoch immer beschränkt - siehe §292 und §293 GewO 1994 (Vormerkungssystem).
Ein solches System darf aber unter den jeweils gegebenen Umständen auch in seinen praktischen Auswirkungen nicht einen geschlossenen Kreis von Marktteilnehmern schaffen.
Dem vom Magistrat der Stadt Wien zutreffend geschilderten Bedürfnis nach Zulassung bekannter und bewährter Anbieter, die nicht nur rechtzeitig planen, sondern auch wünschenswerte längerfristige Investitionen riskieren können, kann durch das Vormerkungssystem ebenso Rechnung getragen werden wie dem Streben nach einer dem Christkindlmarkt entsprechenden Mischung der verschiedenen Warengattungen und der "Gastrostände".
Zulässige Bevorzugung bekannter und bewährter Unternehmer, jedoch unter Beachtung "der vom Prinzip der Marktfreiheit gezogenen Grenze".
Das Missverhältnis zwischen Platzangebot und Nachfrage kann in der Tat ein Ausmaß erreichen, das innerhalb überschaubarer Zeit auch durch einen geplanten Wechsel nicht bewältigt werden kann. Das enthebt den Verordnungsgeber aber nicht der Notwendigkeit, für einen nach den am betroffenen Markt gemachten Erfahrungen nicht von selbst stattfindenden angemessenen Wechsel zu sorgen.
Das Verfahren hat jedenfalls nicht ergeben, dass es nicht auch andere Gestaltungsmöglichkeiten gäbe und dem Prinzip der Marktfreiheit nur um den Preis unverhältnismäßiger Nachteile Rechnung getragen werden könnte (zB Dauervergabe, jedoch Möglichkeit des Wechsels bei Nachfrageüberhang, oder Losentscheid).
Anlassfall: B153/04 ua, E v 03.10.05, Abweisung der Beschwerde; keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter; nach Wegfall des Vormerkungssystems Wegfall des Rechtsschutzinteresses an einer Sachentscheidung mit Ende des Christkindlmarktes.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Erwerbsausübungsfreiheit, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, Gewerberecht, Marktverkehr, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsgegenstand, freier MarktzugangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:V71.2004Dokumentnummer
JFR_09949385_04V00071_01