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21 Handels- und WertpapierrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine sachliche Rechtfertigung und Verletzung im Eigentumsrecht hinsichtlich des Ausschlusses der Kleinaktionäre von der Antragstellung auf gerichtliche Überprüfung der angebotenen Barabfindung bzw des SpaltungsbeschlussesRechtssatz
Die Wortfolge "§225c Abs3 und 4 sowie" im dritten Satz des §9 Abs2 des Bundesgesetzes über die Spaltung von Kapitalgesellschaften (SpaltG), BGBl 304/1996, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
§9 Abs2 SpaltG bewirkt in Zusammenhang mit §225c Abs3 und Abs4 AktienG, dass Aktionäre, deren Beteiligung ein Prozent bzw einen Nennbetrag von EUR 70.000,-- (so genannte "Ernstlichkeitsschwelle" oder "Erheblichkeitsschwelle") nicht erreicht, weder einen Antrag auf Überprüfung der angebotenen Barabfindung stellen noch den Spaltungsbeschluss mit der Begründung bekämpfen können, dass das Umtauschverhältnis der Anteile oder die angebotene Barabfindung nicht angemessen seien. Sie müssen sich also in jedem Fall entweder mit der angebotenen Barabfindung begnügen oder keinen Widerspruch erheben, was aber zur Folge hat, dass sie zwar Gesellschafter der abgespaltenen Gesellschaft werden, die aber zu Bedingungen errichtet wurde, die im Spaltungsbeschluss unanfechtbar (§9 Abs2 1. Satz SpaltG) festgelegt wurden.
Es besteht neben dem vom OGH angenommenen öffentlichen Interesse an einer Strukturbereinigung auch ein Interesse der Mehrheitsgesellschafter, Minderheitsgesellschafter zu möglichst günstigen Bedingungen hinauszudrängen.
Die Prüfung durch den Spaltungsprüfer bietet keine absolute Gewähr für die Richtigkeit des Umtauschverhältnisses und der Barabfindung, schließt das Gesetz doch eine Überprüfung durch das Gericht nicht schlechthin, sondern nur für Aktionäre aus, deren Beteiligung 1 % des Grundkapitals oder EUR 70.000,-- nicht erreicht.
Im übrigen wird der Spaltungsprüfer vom Aufsichtsrat der übertragenden Gesellschaft, also einem Organ bestellt, dessen Mitglieder überwiegend vom Mehrheitsgesellschafter bestellt werden.
Die Missbrauchsmöglichkeit kann es nicht rechtfertigen, Minderheitsgesellschaftern den Rechtsschutz zu nehmen, steht doch dieser Möglichkeit auch die Versuchung des Mehrheitsgesellschafters gegenüber, Umstrukturierungen auch vorzunehmen, um Minderheitsgesellschafter möglichst günstig abfinden zu können.
Einem Antrag auf Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung können durchaus Werte zu Grunde liegen, die zumindest für einen Kleinanleger bedeutend sein können.
Das Hinausdrängen (squeeze-out) von Gesellschaftern unter gleichzeitigem Ausschluss von Gesellschaftern, deren Beteiligung unter der so genannten "Erheblichkeitsschwelle" liegt, vom Antragsrecht nach §9 Abs2 SpaltG, stellt daher einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentum dar und ist auch sachlich nicht zu rechtfertigen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Wertpapierrecht, Rechtsschutz, GesellschaftsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:G129.2004Dokumentnummer
JFR_09949384_04G00129_01