TE Vfgh Erkenntnis 2005/12/1 V43/04, V87/04

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Veröffentlicht am 01.12.2005
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art18 Abs2
ChemikalienG 1996 §17
Kohlenwasserstoff-VerbotsV, BGBl II 447/2002 §12 Abs2 Z3 lita

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung der Kohlenwasserstoff-Verbotsverordnung betreffend Ausnahmen vom Verwendungsverbot teilfluorierter Kohlenwasserstoffe unter einem bestimmten Treibhauspotential als Löschmittel mangels Umschreibung der gesetzlich vorgesehenen Befristung; Auslegung dieser Bestimmung im Sinne der Verordnungsermächtigung im Chemikaliengesetz zur Ermächtigung des Landeshauptmannes zur Erteilung befristeter Ausnahmebewilligungen

Spruch

§12 Abs2 Z3 lita der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Verbote und Beschränkungen teilfluorierter und vollfluorierter Kohlenwasserstoffe sowie von Schwefelhexafluorid, BGBl. II Nr. 447/2002, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit 30.6.2006 in Kraft.

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof (zu B240/04) und beim Verwaltungsgerichtshof (zu A2004/07/0009) sind gegen einen Bescheid (Parallel)Beschwerden anhängig, denen jeweils folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:

Der Landeshauptmann von Wien stellte mit Bescheid vom 22.5.2003 über Antrag der Beschwerde führenden Gesellschaft, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Feuerlöschanlagen befasst, fest, dass die Verwendung des Löschmittels Trigon 300 (HFKW-23) - eines zu den teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW) zählenden Löschgases mit einem hohen (im GWP-Wert ausgedrückten) Treibhauspotential - gemäß §12 Abs2 Z3 lita der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Verbote und Beschränkungen teilfluorierter und vollfluorierter Kohlenwasserstoffe sowie von Schwefelhexafluorid (HFKW-FKW-SF6-V), BGBl. II 447/2002, (im Folgenden: Kohlenwasserstoff-VerbotsVO) zur Befüllung von ortsfesten Gaslöschanlagen in bestimmten Einsatzbereichen zulässig ist.

Diese Entscheidung des Landeshauptmannes von Wien wurde vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit Bescheid vom 8.1.2004 in Ausübung seines Aufsichtsrechts gemäß §68 Abs4 Z1 und 2 AVG als nichtig erklärt:

Durch die Erlassung des gegenständlichen Bescheides habe der Landeshauptmann seine Kompetenz überschritten; darüber hinaus werde bei Befolgung dieses rechtswidrigen Bescheides ein verwaltungsstrafrechtswidriger Erfolg iSd. §71 Abs1 Z4 Chemikaliengesetz 1996 herbeigeführt.

Gegen diesen Bescheid erhob das betreffende Unternehmen Beschwerden an beide Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts.

2. Der Verwaltungsgerichtshof begehrte aus Anlass der bei ihm eingebrachten Beschwerde mit dem zu V43/04 protokollierten Antrag gemäß Art139 Abs1 B-VG, die lita des §12 Abs2 Z3 der Kohlenwasserstoff-VerbotsVO, in eventu den gesamten §12 dieser Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Aus Anlass der beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde leitete dieser von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Wortfolge "wenn das Treibhauspotential (GWP-Wert) der eingesetzten teilfluorierten Kohlenwasserstoffe (HFKW) unter 3 000 liegt" in §12 Abs2 Z3 Kohlenwasserstoff-VerbotsVO ein. Ferner schloss sich der Gerichtshof im Interesse eines einheitlichen Prüfungsverfahrens vorläufig den vom Verwaltungsgerichtshof vorgetragenen Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der lita des §12 Abs2 Z3 der genannten Verordnung an und unterzog auch diese Bestimmung der amtswegigen Prüfung (VfGH 2.12.2004, B240/04).

4. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft legte die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der er die in Prüfung gezogene Bestimmung mit näherer Begründung verteidigt.

Auch die Beschwerde führende Gesellschaft reichte als beteiligte Partei eine Stellungnahme ein.

5. Mit Erkenntnis vom 9.6.2005, V87/04, hob der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "wenn das Treibhauspotential (GWP-Wert) der eingesetzten teilfluorierten Kohlenwasserstoffe (HFKW) unter 3 000 liegt" in §12 Abs2 Z3 Kohlenwasserstoff-VerbotsVO wegen Verstoßes gegen §2 Abs3 NotifikationsG 1999 (unter Bestimmung einer Frist bis 31.12.2005) auf. Ein Abspruch über die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der lita des §12 Abs2 Z3 der genannten Verordnung wurde einer gesonderten Entscheidung vorbehalten (dort Punkt I.4.).

II. Zur Rechtslage:

1.1. Die Kohlenwasserstoff-VerbotsVO gründet sich nach ihrem Einleitungssatz auf §17 Abs1 und 2 ChemikalienG 1996, BGBl. I 53/1997 idF I 108/2001 (im Folgenden: ChemG 1996).

1.2. Gemäß §3 dieser Verordnung ist die Verwendung von HFKW ua. "zulässig, soweit in den §§4 bis 17 in bestimmten Teilanwendungsbereichen die Zulässigkeit nicht an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist".

1.3. Der hier relevante, im IV. Abschnitt der Kohlenwasserstoff-VerbotsVO mit der Überschrift "Löschmittel" enthaltene §12 hat folgenden Wortlaut (der nunmehr in Prüfung stehende Teil ist hervorgehoben):

"§12. (1) Vorbehaltlich der Abs2 und 3 ist die Verwendung von vollfluorierten Kohlenwasserstoffen (FKW) oder teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW) als Löschmittel verboten.

(2) Die Verwendung von teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW) als Löschmittel ist erlaubt:

1. bis zum 30. Juni 2003 zur Befüllung von bis zu diesem Zeitpunkt errichteten Brandschutzeinrichtungen und hergestellten Feuerlöschern,

2. bis zum 30. Juni 2003 ist die Herstellung, der Bezug aus einem EWR-Vertragsstaat und das In-Verkehr-Setzen von Handfeuerlöschern erlaubt,

3. bis auf weiteres zur Befüllung von nach dem In-Kraft-Treten des entsprechenden Verwendungsverbotes errichteten Anlagen und Feuerlöschern, jedoch nur, wenn das Treibhauspotential (GWP-Wert) der eingesetzten teilfluorierten Kohlenwasserstoffe (HFKW) unter 3 000 liegt:

a) wenn die Errichtung zum Schutz der Gesundheit von Menschen zwingend erforderlich ist und dieser Schutz nach dem Stand der Technik durch die Verwendung anderer Löschmittel oder anderer Technologien in Verbindung mit anderen brandschutztechnischen Maßnahmen nicht erreicht werden kann; diese Voraussetzungen sind durch ein Gutachten einer nach den hiefür in Betracht kommenden Rechtsvorschriften befugten Person oder Stelle dem Landeshauptmann nachzuweisen;

b) in solchen Einsatzbereichen, die im Anhang ('kritische Verwendungszwecke') zur HalonbankV, BGBl. II Nr. 77/2000, angeführt sind; diesfalls hat vom Betreiber der Brandschutzeinrichtung eine Mitteilung unter genauer Bezeichnung des 'kritischen Verwendungszweckes' an den Landeshauptmann zu erfolgen.

(3) Die Verwendung von teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW) oder vollfluorierten Kohlenwasserstoffen (FKW) als Löschmittel ist zur Instandhaltung und Wartung von Brandschutzeinrichtungen und Feuerlöschern im Sinne der Abs1 und 2 weiterhin dann zulässig, wenn alle nachgenannten Voraussetzungen vorliegen:

1. Diese Brandschutzeinrichtungen und Feuerlöscher zu den obfestgelegten Zeitpunkten (Abs1 oder 2) mit diesen Stoffen bereits befüllt waren,

2. Brandschutzeinrichtungen und Feuerlöscher zu den obfestgelegten Zeitpunkten (Abs1 oder 2) bereits zulässig in Betreib waren und

3. ein Einsatz durch weniger für Umwelt und Gesundheit gefährliche Löschmittel nach dem Stand der Technik nicht möglich ist.

(4) Das Herstellen, das In-Verkehr-Setzen und der Bezug aus einem EWR-Vertragsstaat von teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW) und vollfluorierten Kohlenwasserstoffen (FKW) für die im Abs1 und 2 genannten Verwendungszwecke ist ab dem Datum des In-Kraft-Tretens der jeweiligen Verwendungsbeschränkung verboten."

2.1. §17 ChemG 1996 (dessen zwei erste Absätze - wie erwähnt - als gesetzliche Grundlage der Kohlenwasserstoff-VerbotsVO genannt werden) lautet auszugsweise:

"Generelle Verbote und Beschränkungen

§17. (1) Soweit es zur Vermeidung von Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für die Umwelt erforderlich ist, hat der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie durch Verordnung festzulegen, dass

1. bestimmte Stoffe, Zubereitungen oder Fertigwaren, die gefährliche Eigenschaften im Sinne des §3 Abs1 aufweisen, oder deren bestimmungsgemäße oder vorhersehbare Verwendung oder Behandlung als Abfall mit Risken verbunden ist, nicht, nur in bestimmter Beschaffenheit, Menge, Aufmachung, Verpackung oder Kennzeichnung, nur für bestimmte Zwecke oder nur mit Beschränkungen hergestellt, in Verkehr gesetzt oder verwendet werden dürfen;

2. Herstellungs- oder Verwendungsverfahren, bei denen bestimmte gefährliche Stoffe oder gefährliche Zubereitungen anfallen, verboten werden;

3. für bestimmte Stoffe oder Zubereitungen, die gefährlich im Sinne des §3 Abs1 Z9 bis 15 sind, auch Bestimmungen des III. Abschnittes ['Besondere Bestimmungen über den Verkehr mit Giften'] anzuwenden sind;

(2) Für bestimmte Stoffe, Zubereitungen oder Fertigwaren, die gefährliche Eigenschaften im Sinne des §3 Abs1 aufweisen oder deren bestimmungsgemäße oder vorhersehbare Verwendung oder Behandlung als Abfall mit Risken verbunden ist, kann der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie durch Verordnung Beschränkungen der Herstellung, des Inverkehrsetzens oder der Verwendung erlassen, soweit andere Stoffe, Zubereitungen oder Fertigwaren verfügbar sind, deren Herstellung, Verwendung oder Behandlung als Abfall das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder die Umwelt nicht oder nur in geringerem Maße gefährdet.

(3) Anstelle der in Abs1 und 2 angeführten Verordnungsbestimmungen können auch einschlägige technische Normen durch Verordnung für verbindlich erklärt werden.

(4) Soweit es mit den Schutzzielen dieses Bundesgesetzes in Einklang steht, kann in Verordnungen nach den Abs1 bis 3 der Landeshauptmann ermächtigt werden, in Einzelfällen mit Bescheid befristete Ausnahmen vom Verbot der Herstellung, des Inverkehrsetzens oder der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe, Zubereitungen oder Fertigwaren zuzulassen. In der Verordnung ist dann jedenfalls festzulegen, für welche Verwendungszwecke Ausnahmebewilligungen erteilt werden dürfen, wer zur Antragstellung berechtigt ist, welche Bewilligungsvoraussetzungen vorliegen müssen und für welchen Zeitraum eine Ausnahmebewilligung maximal in Anspruch genommen werden kann.

(5) Über die Berufung gegen einen Bescheid gemäß Abs4 entscheidet der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

(6) Der Landeshauptmann hat einen Bescheid, mit dem gemäß Abs4 eine Ausnahme vom Verbot der Herstellung, des Inverkehrsetzens oder der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe, Zubereitungen oder Fertigwaren bewilligt worden ist, binnen zwei Wochen nach Rechtskraft unter Anschluß der Entscheidungsunterlagen dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vorzulegen. Dieser kann gegen den Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben.

(7) ..."

2.2. Die diesbezügliche Vorgängerbestimmung des §14 ChemG 1987, BGBl. 326/1987, hat folgenden Wortlaut:

"Generelle Verbote und Beschränkungen

§14. (1) Soweit es zur Vermeidung von Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für die Umwelt erforderlich ist, hat der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie nach Anhörung der Chemikalienkommission durch Verordnung festzulegen, daß

1. bestimmte gefährliche Stoffe, gefährliche Zubereitungen oder gefährliche Fertigwaren nicht, nur in bestimmter Beschaffenheit, Menge, Aufmachung, Verpackung oder Kennzeichnung, nur für bestimmte Zwecke oder nur mit Beschränkungen hergestellt, in Verkehr gesetzt oder verwendet werden dürfen,

2. Herstellungs- oder Verwendungsverfahren, bei denen bestimmte gefährliche Stoffe oder gefährliche Zubereitungen anfallen, verboten werden,

3. für bestimmte Stoffe oder Zubereitungen, die gefährlich im Sinne des §2 Abs5 Z9 bis 15 sind, auch Bestimmungen des III. Abschnittes anzuwenden sind.

(2) Soweit es zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen oder der Umwelt vor schädlichen Einwirkungen im Sinne des §1 Abs1 erforderlich ist, kann der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie nach Anhörung der Chemikalienkommission durch Verordnung Herstellungs- oder Verwendungsbeschränkungen für bestimmte gefährliche Stoffe, gefährliche Zubereitungen oder gefährliche Fertigwaren erlassen, wenn für denselben Zweck andere Stoffe, Zubereitungen oder Fertigwaren verfügbar sind, deren Herstellung, Verwendung oder Beseitigung das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder die Umwelt nicht oder nur in geringerem Maße gefährdet."

III. 1. Der Verwaltungsgerichtshof hegte - unter Bezugnahme auf §17 Abs4 ChemG 1996 sowie auf die diesbezüglichen E zur RV (414 BlgNR XX. GP) - folgende Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des §12 Abs2 Z3 lita Kohlenwasserstoff-VerbotsVO, die der Verfassungsgerichtshof in seinem Einleitungsbeschluss vorläufig teilte:

"... §17 Abs4 ChemG 1996 ermächtigt den Verordnungsgeber, in Einzelfällen Ausnahmen vom Verbot der Herstellung, des In-Verkehr-Bringens oder der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe, Zubereitungen oder Fertigwaren zuzulassen, verpflichtet ihn aber, für diese Fälle ausdrücklich die Rechtssatzform des Bescheides und eine Zuständigkeit des Landeshauptmannes zur Erlassung solcher Bescheide über eine Ausnahmegenehmigung vorzusehen sowie Bestimmungen über die Antragsberechtigung und den Zeitraum der Ausnahmebewilligung in die Verordnung aufzunehmen.

        ... [B]ei §12 Abs2 Z. 3 lita der Kohlenwasserstoff-VerbotsVO

handelt es sich um eine Regelung über eine 'Ausnahme in

Einzelfällen', die aber nicht den gesetzlichen Vorgaben des §17 Abs4

ChemG 1996 entspricht[,] ... weil kein Ausnahmegenehmigungsbescheid

durch den LH vorgesehen ist und Bestimmungen darüber fehlen, wer antragsberechtigt ist und für welchen Zeitraum eine Ausnahme maximal in Anspruch genommen werden kann.

Allerdings enthält §17 ChemG 1996 in den Absätzen 1 und 2 nicht nur die Ermächtigung des Verordnungsgebers zur Erlassung eines Totalverbotes für die dort genannten Stoffe; der Verordnungsgeber wird vielmehr im §17 Abs1 auch ermächtigt, festzulegen, dass bestimmte Stoffe, Zubereitungen oder Fertigwaren nur in bestimmter Beschaffenheit, Menge, Aufmachung, Verpackung oder Kennzeichnung, nur für bestimmte Zwecke oder nur mit Beschränkungen hergestellt, in Verkehr gesetzt oder verwendet werden dürfen. §17 Abs2 ChemG 1996 sieht eine Ermächtigung zur Beschränkung der Herstellung, des In-Verkehr-Setzens oder der Verwendung vor.

§17 Abs1 und 2 ChemG 1996 enthält Ermächtigungen zu generellen Regelungen, §17 Abs4 leg. cit. solche für Einzelfälle.

§12 HFKW-FKW-SF6-V enthält im Abs1 als Grundsatz ein Totalverbot der Verwendung der dort genannten Stoffe; Abs2 sieht Ausnahmen vor. Eine solche Regelungstechnik könnte grundsätzlich im Ergebnis eine durch §17 Abs1 und 2 ChemG 1996 gedeckte Verwendungsbeschränkung darstellen, wenn sie generellen Charakter aufweist.

Die Gesetzmäßigkeit des §12 Abs2 Z. 3 lita HFKW-FKW-SF6-V hängt daher ... davon ab, ob die Bestimmung (in Verbindung mit §12 Abs1) als generelle Verwendungsbeschränkung im Sinne des §17 Abs1 oder 2 ChemG 1996 oder als Regelung einer Ausnahme für den Einzelfall anzusehen ist.

§12 Abs2 Z. 3 lita HFKW-FKW-SF6-V erlaubt die Verwendung von teilfluorierten Kohlenwasserstoffen als Löschmittel zur Befüllung von nach dem In-Kraft-Treten des entsprechenden Verwendungsverbotes errichteten Anlagen und stellt dabei darauf ab, ob die Errichtung (dieser Lösch- bzw. Brandschutzanlagen) zum Schutz der Gesundheit von Menschen zwingend erforderlich ist und dieser Schutz nach dem Stand der Technik durch die Verwendung anderer Löschmittel oder anderer Technologien in Verbindung mit anderen brandschutztechnischen Maßnahmen nicht erreicht werden kann. Diese Voraussetzungen sind durch ein Gutachten dem Landeshauptmann nachzuweisen.

Ob die Errichtung einer Anlage zum Schutz der Gesundheit von Menschen zwingend erforderlich ist, kann ebenso wie auch das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nur dann in einem Gutachten beurteilt werden, wenn eine konkrete Anlage (oder mehrere konkrete Anlagen) der Beurteilung zugrunde gelegt wird. Es handelt sich also um eine Einzelfallbeurteilung. §12 Abs2 Z. 3 lita HFKW-FKW-SF6-V stellt daher eine Regelung für 'Ausnahmen in Einzelfällen' im Sinne des §17 Abs4 ChemG 1996 dar, genügt aber nicht den Anforderungen dieser Gesetzesstelle.

Dafür, dass §12 Abs2 Z. 3 lita HFKW-FKW-SF6-VO eine Ausnahmeregelung für Einzelfälle darstellt, spricht auch die Systematik der HFKW-FKW-SF6-V.

[Diese] sieht in einer Reihe von Bestimmungen (z.B. §§4, 5, 7, 8, 10, 11) zunächst (in einem Abs1) ein Verbot bestimmter Stoffe vor, von dem dann in den jeweils nachfolgenden Absätzen entweder Einschränkungen genereller Art oder Ausnahmen für den Einzelfall oder beides vorgesehen werden.

Die nach den Vorgaben des §17 Abs4 ChemG 1996 gestalteten Ausnahmen für den Einzelfall (§4 Abs7, §5 Abs2, §7 Abs4, §8 Abs2, §10 Abs4 und 6 HFKW-FKW-SF6-V) zeichnen sich gegenüber den generellen 'Ausnahmen' jeweils dadurch aus, dass ein Nachweis für das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen gefordert wird. Nach diesem System unterscheiden sich also generelle Verbotseinschränkungen auf der einen und Einzelfallausnahmen auf der anderen Seite u.a. durch das Erfordernis eines Nachweises (Gutachten; vgl. §4 Abs8 HFKW-FKW-SF6-V). Da §12 Abs2 Z. 3 lita HFKW-FKW-SF6-V ebenfalls einen Nachweis für das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen durch ein Gutachten vorsieht, ist diese Bestimmung den 'Ausnahmen in Einzelfällen' zuzurechnen.

Einen Beleg dafür, dass die vom Verordnungsgeber im §12 Abs2 Z. 3 lita HFKW-FKW-SF6-V gewählte Konstruktion dem §17 Abs4 ChemG 1996 widerspricht, erblickt der Verwaltungsgerichtshof in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu §17 Abs4 ChemG 1996 (414 Blg. NR XX. GP). Dort heißt es:

'Bei nahezu allen bisher verfügten Verboten oder Beschränkungen auf der Grundlage des alten §14 Chemikaliengesetz hat sich gezeigt, dass Ausnahmebestimmungen für einzelne Verwendungsbereiche der grundsätzlich verbotenen Chemikalien erforderlich sind, da Ersatzstoffe oft zwar für die überwiegende Zahl, nicht jedoch für alle Verwendungen zur Verfügung stehen. Bislang hat sich der Verordnungsgeber damit beholfen, die Inanspruchnahme einer Ausnahmebestimmung von der Vorlage eines Gutachtens an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie abhängig zu machen, mit dem die Erforderlichkeit der weiteren Verwendung und das Fehlen von geeigneten Substituten darzulegen war.

Von den betroffenen Unternehmen wurde des öfteren die geringere Rechtssicherheit dieses Systems im Vergleich mit bescheidmäßig verfügten Ausnahmen beklagt. Ein weiterer Nachteil liegt darin, dass es dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie zwar gut möglich ist die Frage zu prüfen, ob geeignete Substitute vorliegen, die Erforderlichkeit des betreffenden Stoffes im konkreten Betrieb jedoch besser von den Überwachungsorganen der Länder vor Ort beurteilt werden kann.

Es soll daher dem Verordnungsgeber künftig die Möglichkeit eröffnet werden, in Verordnungen nach §17 ChemG den Landeshauptmann zur Erteilung von befristeten Ausnahmebewilligungen zu ermächtigen. Wie dies im Forstgesetz im Zusammenhang mit der Erteilung von Rodungsbewilligungen vorgesehen ist, soll jedoch dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie die Möglichkeit eröffnet werden, gegen Ausnahmebescheide gemäß Abs4 beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde zu führen.'

Diesen Ausführungen in den Materialien zufolge wollte der Gesetzgeber des ChemG 1996 mit der Bestimmung des §17 Abs4 einem bestimmten, im Geltungsbereich des Chemikaliengesetzes 1987, BGBl. Nr. 326/1987, praktizierten System von Ausnahmen von den Verwendungsverboten ein Ende bereiten, weil sich dieses System nicht bewährt hatte. Dieses System, wie es z.B. die Lösungsmittelverordnung 1995, BGBl. Nr. 872/1995, vorsah, besteht darin, die Inanspruchnahme einer Ausnahmebestimmung von der Vorlage eines Gutachtens abhängig zu machen, mit dem die Notwendigkeit der weiteren Verwendung des betreffenden Stoffes und das Fehlen von geeigneten Substituten darzulegen ist.

Genau nach diesem System der durch ein Gutachten zu belegenden Ausnahmevoraussetzungen ist §12 Abs2 Z. 3 lita HFKW-FKW-SF6-V konstruiert. Eben diese Regelungstechnik aber wollte der Gesetzgeber wegen der damit verbundenen Nachteile, insbesondere der damit einhergehenden Rechtunsicherheit, vermeiden."

Der Verwaltungsgerichtshof stellte eventualiter den Antrag auf Aufhebung des gesamten §12 der Kohlenwasserstoff-VerbotsVO; dies für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertreten sollte, eine Aufhebung der lita des §12 Abs2 Z3 der in Rede stehenden Verordnung allein komme auf Grund eines untrennbaren Zusammenhanges mit anderen Teilen der Verordnung wegen einer durch eine solche Teilaufhebung bewirkten völligen Veränderung des Norminhalts oder aus sonstigen Gründen nicht in Frage.

2. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft brachte in seiner (auf den Antrag des Verwaltungsgerichtshofes bezogenen) Stellungnahme mit Blick auf die historische Entwicklung des Chemikalienrechtes zusammengefasst Folgendes vor:

Mit dem ChemG 1987, der Vorgängerregelung zum ChemG 1996, seien in Österreich Chemikalien erstmals allgemein einem Regelungsregime unterworfen worden. Im Rahmen von "Verbotsverordnungen gemäß §14 ChemG 1987" habe der Gesetzgeber (wegen Fehlens spezifischer Strukturen und personeller Ressourcen für die Vollziehung des Gesetzes in den einzelnen Bundesländern) dem Umweltminister - ihm üblicherweise nicht zuzuordnende - Vollzugsaufgaben vorbehalten. In mehreren derartigen "Verbotsverordnungen" (zB FCKW-VO, LösungsmittelV, Trichlorethan-VO, CadmiumV) sei die Inanspruchnahme spezifischer Ausnahmen von Verboten und Beschränkungen im Einzelfall durch Vorlage eines Gutachtens an den Bundesminister für das In-Verkehr-Setzen von Chemikalien ("Produktgutachten") oder für deren Verwendung in bestimmten Anlagen ("anlagenbezogenen Gutachten") ermöglicht worden. Wegen der verfassungsrechtlichen Problematik der Ausnahmegewährung "auf höchster Vollzugsebene" habe diese Regelung lediglich eine "Übergangslösung" darstellen können.

Zufolge neu entstandener Rahmenbedingungen im Chemikalienbereich in den Ländern sei schließlich in Verbotsverordnungen - so erstmals in der noch auf Basis des ChemG 1987 erlassenen LösungsmittelV 1995 - das Konzept der mittelbaren Bundesverwaltung in Bezug auf die Gewährung von Ausnahmen auch tatsächlich umgesetzt und die Verantwortlichkeit im "zentralen Bereich" der Beurteilung anlagenbezogener Ausnahmegutachten vom Umweltminister auf den Landeshauptmann (als "zentrale chemikalien- und gewerberechtliche Überwachungsbehörde") übertragen worden, der in Zweifelsfällen einen Feststellungsbescheid über das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen zu erlassen hatte. Der ferner vorgesehene Kompetenzübergang betreffend die Beurteilung ausnahmerelevanter "Produktgutachten" sei aufgrund des Widerstandes der Bundesländer und der betroffenen Wirtschaftskreise unterblieben.

Aus legistischer Sicht bestünden in Bezug auf die bundesweite Geltung von Ausnahmen grundsätzlich zwei Lösungsansätze: einerseits die Zulassung von Produktausnahmen in Bescheidform, andererseits die Normierung von "Tatbestandsvoraussetzungen in Form generell-abstrakter Regelungen, die durch Vorlage eines Gutachtens zwecks Inanspruchnahme einer Ausnahme nachzuweisen sind", wobei aufgrund des Interesses von Produzenten und Importeuren an der bundesweiten In-Verkehr-Setzung von Chemikalien die Zuständigkeit des Bundesministers zur Gutachtensbeurteilung nahe liege. Da im ChemG 1987 die Bescheidform für Produktausnahmen nicht vorgesehen gewesen sei, habe in Verbotsverordnungen gemäß §14 ChemG 1987 auch in Bezug auf Produktgutachten nur die Möglichkeit bestanden, Ausnahmen aufgrund von Tatbestandsregelungen mittels Nachweises an den Bundesminister festzulegen.

Ausnahmen von Verboten und Beschränkungen in chemikalienrechtlichen Verordnungen, die als "normale" Vollzugsaufgaben zu gelten haben, "[sollten] ... [a]uch aus rechtsstaatlichen Überlegungen dem Landeshauptmann übertragen werden", weil die Betrauung des Landeshauptmannes und somit die Ermöglichung eines Rechtszuges an den Bundesminister die "bessere Lösung" darstelle, um einen "angemessenen Rechtsschutz" zu gewähren. Keine Probleme habe es bei den "anlagenbezogenen Ausnahmen (Gutachten)" gegeben, weil die zu beurteilende Ausnahme eine bestimmte Anlage betroffen habe (Verwendung einer Chemikalie in einer konkreten Anlage), die ohnedies der gewerberechtlichen Kontrolle des zuständigen Landeshauptmannes unterlegen sei.

Mit dem ChemG 1996 seien schließlich die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen worden, den dargestellten "besseren Lösungsansatz" - nämlich die Gewährung von "Produktausnahmen" durch Bescheid - zu verwirklichen.

Zu §17 ChemG 1996 führte der Bundesminister (nach Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH zum Grundsatz des freien Warenverkehrs) wörtlich aus:

        "§17 Abs1 ChemG 1996 hat Fälle vor Augen, in denen wegen der

besonderen Gefahrenlage Beschränkungen gleichsam 'an und für sich'

statuiert werden. Abs2 ... Fälle nicht derart gravierender Gefahren

..., in denen sich die Rechtfertigung der Beschränkung daraus ergibt,

dass weniger gefährliche Alternativprodukte verfügbar sind. Während

nach Abs1 Beschränkungen also 'absolut' statuiert werden, sind

Beschränkungen nach Abs2 stets 'relativer' Natur .... Sowohl aufgrund

von Abs1 als auch aufgrund von Abs2 sind generell-abstrakte Verhaltensvorschriften zu erlassen.

Aus der Befugnis, generelle Regelungen in Form von Beschränkungen zu erlassen, ergibt sich auch, entsprechende Tatbestandsvoraussetzungen in Form generell-abstrakter Regelungen im Hinblick auf die Möglichkeit, Ausnahmen in Verordnungen vorsehen zu können (Berücksichtigungsgebot des Standes der Technik). Diese Ausnahmen aktualisieren sich nur dann, wenn der einzelne sich auf diese berufen will; im Ergebnis ist diese Ausnahme immer eine Ausnahme für den Einzelnen/für einen Einzelfall. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich bei der gewählten Rechtskonstruktion um eine generell-abstrakte Regelung (Verhaltensvorschrift) handelt.

Um die Ausnahme in einem konkret vorliegenden Fall, der unter die Tatbestandsvoraussetzungen subsumiert werden kann, in Anspruch nehmen zu können, verlangt der Verordnungsgeber den Nachweis von demjenigen, der diese Ausnahme in Anspruch nehmen will, nämlich ein Gutachten für das Vorliegen der in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen als Beweismittel.

Der Begriff 'Einzel(fall)ausnahme' ist im Rahmen des ChemG - wie sich aus der historischen Entwicklung eindeutig belegen lässt - nicht auf die Fälle beschränkt, die nach §17 Abs4 ChemG 1996 (explizite Verwendung des Begriffes 'Einzelfall') mit Bescheid zu erledigen sind, sondern geht eindeutig darüber hinaus ... .

Der Verwaltungsgerichtshof übersieht ..., dass die chemikalienrechtliche 'Einzelfallausnahme' weiter gefasst ist und setzt daher die Einzelausnahme der vormaligen Gutachtenslösung mit dem in §17 Abs4 ChemG 1996 vorgesehenen Bescheid in Einzelfällen gleich. Er übersieht auch, dass der neue Chemikaliengesetzgeber eine Unterscheidung zwischen anlagenbezogenen und produktbezogenen Ausnahmen trifft, die historisch immer vorhanden waren, sich jedoch früher nicht in der Rechtssatzform der Erledigung widergespiegelt haben, weil früher nur die Gutachtenslösung möglich war. Vom neuen Chemikaliengesetzgeber wurde diesbezüglich eine Differenzierung vorgenommen, indem er die Einzelfallausnahme, die immer zwischen Anlagen und Produkt unterschieden war, nunmehr auch in einer unterschiedlichen Rechtssatzform der Erledigung zum Ausdruck bringt.

...

Der gegenständliche Fall der anlagenbezogenen Ausnahme (Löschanlage; §12 Abs2 Z3 lita HFKW-V) ist eindeutig als solcher Fall zu qualifizieren, der durch Tatbestandsregelung zu erledigen ist, weil aus verwaltungsökonomischen Gründen ein Bescheid im Hinblick auf die Schutzziele des ChemG 1996 keinen zusätzlichen Gewinn im Vergleich zu dieser Tatbestandslösung bringt; im Zweifel kann über die Stichhaltigkeit des vorgelegten Gutachtens ohnehin ein Feststellungsbescheid erwirkt werden. Eine zeitliche Ausnahmebefristung (wie in §17 Abs4 ChemG 1996 für solche Fälle gefordert) macht bei Löschanlagen keinen Sinn, da diese auf eine lange Einsatzdauer ausgelegt sind. Im speziellen hat der Verordnungsgeber im Regelungsbereich 'Löschmittel' aus verwaltungsökonomischen Gründen keine eigene Ausnahmegenehmigung per Bescheid vorgesehen, sondern die Gutachtenslösung vorgesehen, weil eine überwiegende Anzahl von Löschanlagen unzweifelhaft in Zusammenhang mit gewerberechtlich relevanten anlagenbezogenen Sachverhalten steht und somit die Löschanlagen in diesbezügliche Verfahren auch miteinbezogen werden."

Zusammenfassend gelangte der Bundesminister zum Ergebnis, dass in der Kohlenwasserstoff-VerbotsVO unter Berücksichtigung des in mittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehenden ChemG 1996 (iSd. §17 Abs4 leg. cit.) ein zweigliedriger Instanzenzug für Einzelausnahmen hinsichtlich produktbezogener Regelungen etabliert worden sei. Daneben sollte gemäß §17 Abs1 und 2 ChemG 1996 die Möglichkeit der Erwirkung einer Ausnahme mittels Vorlage eines anwendungsbezogenen Gutachtens bestehen bleiben.

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

1.1. Es ist nichts hervorgekommen, was der Annahme zuwiderläuft, dass die in Prüfung gezogene Verordnungsvorschrift sowohl vom Verfassungsgerichtshof als auch vom Verwaltungsgerichtshof in den dort jeweils anhängigen (Anlass)Beschwerdeverfahren anzuwenden wäre. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren ebenso wie der Hauptantrag des Verwaltungsgerichtshofes als zulässig.

1.2. Ein Eingehen auf das vom Verwaltungsgerichtshof gestellte Eventualbegehren erübrigt sich im Hinblick auf die Zulässigkeit des Hauptantrages (vgl. VfSlg. 14.969/1997, 16.855/2003 S 568).

2. In der Sache:

Die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnungsstelle treffen zu:

2.1. Der Gerichtshof ist in seinem Einleitungsbeschluss (in Übereinstimmung mit der Argumentation des Verwaltungsgerichtshofes) davon ausgegangen, dass der Verordnungsgeber die Vorschrift des §12 Abs2 Z3 lita der Kohlenwasserstoff-VerbotsVO aufgrund der Ermächtigung des §17 Abs4 ChemG 1996 als "Regelung über eine Ausnahme in Einzelfällen" konstruiert, hiebei jedoch die vorgegebenen inhaltlichen Determinanten in gesetzwidriger Weise außer Acht gelassen haben dürfte.

Diese vorläufige Annahme hat sich im Verordnungsprüfungsverfahren - wie die folgenden Ausführungen zeigen - zunächst insoweit bestätigt, als die in Rede stehende Verordnungsstelle als Ermächtigung zur einzelfallbezogenen Ausnahmebewilligung im Sinne und aufgrund §17 Abs4 ChemG 1996 verstanden werden muss.

2.2. §17 Abs1 bis 3 ChemG 1996 ermächtigt den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft für gefährliche und risikoreiche Chemikalien generelle Verbote oder Beschränkungen - und damit generelle Ausnahmeregelungen vom Verwendungsverbot - durch Verordnung festzulegen.

In den Abs4 bis 6 des §17 leg. cit. wurde dem Bundesminister ferner die Befugnis eingeräumt, in derartigen, gemäß den Abs1 bis 3 leg. cit. erlassenen Verordnungen den Landeshauptmann bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen "in Einzelfällen" zur bescheidmäßigen Erteilung befristeter Ausnahmebewilligungen zu ermächtigen. Eine derartige, in eine Verordnung nach §17 Abs1 bis 3 leg. cit. aufzunehmende Möglichkeit zur ausnahmsweisen Erlaubnis muss jedenfalls den Kreis der Antragsberechtigten, die Bewilligungsvoraussetzungen und den maximalen zeitlichen Geltungsbereich der danach zu erteilenden Ausnahmebewilligung festlegen.

Mag sich nun die Kohlenwasserstoff-VerbotsVO zwar ausdrücklich nur auf die Abs1 und 2 des §17 ChemG 1996 und nicht (auch) auf den Abs4 des §17 ChemG 1996 berufen, so bildet dennoch für die einzelfallbezogene Ausnahme von den Anordnungen der Verordnung, wie sie §12 Abs2 Z3 lita der Kohlenwasserstoff-VerbotsVO vorsieht, §17 Abs4 ChemG 1996 die im Sinne des Art18 Abs2 B-VG maßgebliche gesetzliche Grundlage für die Zulassung individueller Ausnahmebewilligungen durch Verordnung.

Die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung stehenden Verordnungsbestimmung ist daher an den Vorgaben des Art17 Abs4 ChemG 1996 zu messen.

2.3. Die in Prüfung stehende Verordnungsvorschrift des §12 Abs2 Z3 lita Kohlenwasserstoff-VerbotsVO statuiert als Determinanten für eine Ausnahmebewilligung die Notwendigkeit (" ... zwingend erforderlich") der Errichtung der Anlage (des Feuerlöschers) "zum Schutz der Gesundheit von Menschen" und das Fehlen geeigneter Surrogate. Verfahrensrechtlich verlangt sie die Vorlage eines Gutachtens einer entsprechend befugten Person oder Stelle.

Hingegen fehlt es - im Widerspruch zu §17 Abs4 ChemG 1996 - an jedwedem Hinweis, "für welchen Zeitraum eine Ausnahmebewilligung maximal in Anspruch genommen werden kann".

Wie auch der Bundesminister nicht in Abrede stellt, weist die verfahrensgegenständliche Verordnungsvorschrift keine den gesetzlichen Anforderungen einer Befristung genügende Umschreibung auf. Der Wortlaut der Z3 des §12 Abs2 der Kohlenwasserstoff-VerbotsVO, wonach der (ausnahmsweise) Einsatz von HFKW "bis auf weiteres" erlaubt ist, sofern "nach dem Stand der Technik" keine geeigneten Substitute bestehen, lässt selbst unter Berücksichtigung des äußersten Wortsinnes eine dahin gehende Deutung, dass daraus eine Determinierung des maximalen Zeitraumes für die Gewährung einer einzelfallbezogenen Ausnahme erschlossen werden könnte, nicht zu. Die Argumentation des Bundesministers, wonach eine zeitliche Limitierung der Ausnahme in Anbetracht der Langlebigkeit von Brandschutzanlagen nicht zweckmäßig sei, ist angesichts des eindeutigen Wortlautes der gesetzlichen Regelung (vgl. E zur RV 414 BlgNR XX. GP) nicht geeignet die Gesetzmäßigkeit darzutun.

2.4. Die in Prüfung stehende Verordnungsstelle ist daher jedenfalls schon mangels Festlegung einer Frist für eine (auch nach der Darstellung des Bundesministers in Zweifelsfällen in Form eines Feststellungsbescheides vom Landeshauptmann auszusprechende oder zu verweigernde) Ausnahmebewilligung mit Gesetzwidrigkeit behaftet, ein Umstand, der bereits für sich allein zur Aufhebung des hievon betroffenen Verordnungsteiles führt. Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben, ob die Bestimmung den übrigen Anforderungen des §17 Abs4 ChemG 1996 entspricht.

Schon angesichts des engen Sachzusammenhanges zwischen dem Regelungsinhalt der beiden - auch sprachlich - miteinander verwobenen Halbsätze der lita des §12 Abs2 Z3 der Kohlenwasserstoff-VerbotsVO (Festschreibung der Voraussetzungen für die Ausnahme im ersten Halbsatz, Anordnung eines Nachweises dieser Voraussetzungen durch Expertisenvorlage an den Landeshauptmann im zweiten Halbsatz) war die gesamte lita des §12 Abs2 Z3 leg. cit. aus dem Rechtsbestand auszuscheiden.

2.5. Die lita des §12 Abs2 Z3 der Kohlenwasserstoff-VerbotsVO war daher als gesetzwidrig aufzuheben.

3.1. Die Kundmachungsverpflichtung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ergibt sich aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG.

3.2. Der Ausspruch über eine Fristbestimmung für das Außerkrafttreten des aufgehobenen Verordnungsteiles beruht auf Art139 Abs5 letzter Satz B-VG.

4. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG abgesehen werden.

Schlagworte

Chemikalien, Umweltschutz, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Verfahren, VfGH / Verwerfungsumfang, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:V43.2004

Dokumentnummer

JFT_09948799_04V00043_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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