RS Vfgh 2005/6/22 G177/04

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Veröffentlicht am 22.06.2005
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Index

66 Sozialversicherung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
GSVG §2 Abs1 Z4, §18, §54
VfGG §62 Abs1 zweiter Satz

Leitsatz

Keine sachliche Rechtfertigung der Regelung des GSVG über das Entstehen von Leistungsansprüchen aus der Krankenversicherung frühestens mit der Erstattung der Meldung im Gegensatz zur Möglichkeit eines rückwirkenden Eintritts der Beitragspflicht

Rechtssatz

Dadurch, dass der antragstellende Gerichtshof die in der Revision sowie im rechtswissenschaftlichen Schrifttum vorgetragenen Bedenken im Antrag wiedergegeben und damit zu seinen eigenen erhoben hat, ist mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, worin der OGH die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesstelle erblickt.

§54 zweiter Satz GSVG idF der 22. GSVG-Novelle (Art8 Arbeits- und Sozialrechts-ÄnderungsG 1997 - ASRÄG 1997, BGBl I 139) wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Es liegt zwar grundsätzlich im rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers, im öffentlichen Interesse Meldepflichten vorzusehen und deren Missachtung angemessen zu ahnden. Verstöße gegen die Meldepflicht gemäß §18 GSVG sind aber - im gegebenen Zusammenhang - ohnedies sowohl durch den in §35 Abs6 GSVG vorgesehenen Beitragszuschlag als auch durch die Strafbestimmung des §23 GSVG sanktioniert.

Dem Verfassungsgerichtshof ist nicht erkennbar, dass der Versicherungstatbestand des §2 Abs1 Z4 GSVG ohne die Erstattung von "Meldungen" durch die Betroffenen nicht vollziehbar wäre, ist doch in §229a Abs2 GSVG ausdrücklich vorgesehen, dass die Abgabenbehörden des Bundes der Sozialversicherungsanstalt "zur Einbeziehung der nach diesem Bundesgesetz Pflichtversicherten" und zur Bemessung der Beiträge "unaufgefordert" von Personen, die mit Einkünften aus selbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb veranlagt werden, näher bezeichnete Daten, darunter die Höhe dieser Einkünfte, zu übermitteln haben.

Die angefochtene Bestimmung führt dazu, allein Versicherte gemäß §2 Abs1 Z4 GSVG für Zeiträume vor Erstattung der Meldung gemäß §18 GSVG vom sonst bestehenden Leistungsanspruch für den betreffenden früheren Zeitraum auszuschließen. Unterschiede im Tatsächlichen, die es rechtfertigen könnten, bei diesem Personenkreis - auch - Kostenerstattungsansprüche für jenen Zeitraum auszuschließen, für den die Pflichtversicherung erst auf Grund des Einkommensteuerbescheides - rückwirkend - festgestellt wird, sind dem Verfassungsgerichtshof aber nicht erkennbar, zumal der Gesetzgeber bei diesem Personenkreis gerade nicht davon ausgeht, dass der (für die Meldepflicht gemäß §18 GSVG allein relevante) Eintritt der Voraussetzungen für die Pflichtversicherung immer schon am Beginn des Zeitraums der (nachträglichen) Pflichtversicherung bekannt sein wird.

Gerade deshalb ist für diese Personengruppe die Möglichkeit eröffnet, durch Abgabe einer Versicherungserklärung im Vorhinein eine von Mindesteinkünften unabhängige Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung oder nur in der Krankenversicherung zu erlangen. Wird davon kein Gebrauch gemacht, dann können zwar zunächst - mangels Bestehens einer Krankenversicherung - keine Sachleistungen in Anspruch genommen werden, wohl aber sind - nach Feststellung der Pflichtversicherung im Nachhinein auf Grund des Überschreitens der jeweiligen Versicherungsgrenze - Kostenerstattungsansprüche durchaus denkbar und praktikabel, wie auch §70 GSVG zeigt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Sozialversicherung, Krankenversicherung, VfGH / Bedenken, Meldepflicht (Sozialversicherung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:G177.2004

Dokumentnummer

JFR_09949378_04G00177_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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