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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine gesetzliche Deckung der Aufnahme der Beschwerde führenden Gesellschaft im Anlassverfahren in das Tiroler Abfallwirtschaftskonzept mangels des im Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz vorgeschriebenen Abschlusses einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Land und dem privaten AnlagenbetreiberSpruch
§8a Abs1 und 2 der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 1. Dezember 1992, LGBl. 1/1993 idF LGBl. 13/2000, werden als gesetzwidrig aufgehoben.
§8a Abs3 der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 1. Dezember 1992, LGBl. 1/1993 idF LGBl. 13/2000, war gesetzwidrig.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30.Juni 2006 in Kraft.
Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B398/04 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:
1.1. Die Beschwerde führende Partei des Anlassbeschwerdeverfahrens, die Thöni Industriebetriebe GmbH, betreibt am Standort Kufstein eine mechanisch-biologische Restmüllsplittinganlage, die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 27. Jänner 2000 gewerberechtlich genehmigt wurde.
1.2. Die genannte Gesellschaft beantragte mit Schreiben vom 29. Jänner 2003 - aufgrund einer Aufforderung der Tiroler Landesregierung - die Erteilung einer Genehmigung des von ihr für die Abfallbehandlung festgesetzten Tarifs. Die Antragstellerin vertrat allerdings die Auffassung, dass die gegenständliche Anlage keine öffentliche Behandlungsanlage iSd Tiroler AbfallwirtschaftsG sei und daher der (nur für öffentliche Anlagen geltenden) Tarifgenehmigungspflicht des §23 leg. cit. gar nicht unterfalle.
1.3. Über diesen Antrag entschied die Tiroler Landesregierung (als erste und letzte Instanz) mit Bescheid vom 6. Februar 2004. Die Behörde stellte fest, dass es sich bei der in Rede stehenden Anlage "zweifelsfrei" um eine öffentliche Behandlungsanlage iSd TAWG handle. Dies ergebe sich aus der Definition des §2 Abs5 TAWG, LGBl. 50/1990 idF 44/2003, iVm §8a der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 1. Dezember 1992, mit der ein Abfallwirtschaftskonzept erlassen wird, LGBl. 1/1993 idF 13/2000 (im Folgenden: TAWK). Der Antrag auf Tarifgenehmigung wurde abgewiesen.
2. Bei Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §8a TAWK entstanden. Diese Bestimmung wurde daher mit Beschluss vom 13. Juni 2005, B398/04, in Prüfung gezogen.
Der Verfassungsgerichtshof ist im Einleitungsbeschluss vorläufig davon ausgegangen, dass die Beschwerde zulässig ist, die belangte Behörde bei Erlassung des im Anlassverfahren angefochtenen Bescheides (auch) die Bestimmung des §8a TAWK angewendet hat und der Gerichtshof diese Verordnungsstelle bei der Beschwerdebehandlung ebenfalls anzuwenden hätte.
II. Zur Rechtslage:
Vorausgeschickt sei, dass das TAWG seit seiner Stammfassung LGBl. 50/1990 zwischen öffentlichen und nicht öffentlichen Behandlungsanlagen (und Deponien) unterscheidet. Die Einstufung einer Behandlungsanlage als "öffentlich" ist für den Inhaber einer solchen Anlage mit nachhaltigen Folgen wie spezifischen Betriebspflichten (§22 TAWG) und der Pflicht zur (genehmigungsbedürftigen) Tariffestlegung (§23 leg. cit.) verbunden.
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des (auf §5 TAWG idF LGBl. 76/1998 gestützten) TAWK, LGBl. 1/1993 idF 13/2000 (mit der §8a eingefügt wurde), haben folgenden (auszugsweise wiedergegebenen) Wortlaut (die in Prüfung gezogenen Stellen sind unterstrichen):
"§7
Entsorgungsbereiche
In Tirol werden folgende Einzugsbereiche von Deponien für Hausmüll und betriebliche Abfälle festgelegt:
a) - e) ...
f) Entsorgungsbereich 5 (Ost): Dieser Entsorgungsbereich umfasst das Gebiet sämtlicher Gemeinden der Bezirke Kitzbühel und Kufstein mit Ausnahme der Gemeinden Aurach bei Kitzbühel, Jochberg und Kitzbühel;
g) - h) ...
§8
Deponiestandorte
Als Standorte für Deponien für Hausmüll und betriebliche Abfälle werden festgelegt:
a) - e) ...
f) im Entsorgungsbereich 5 die Gste. Nr. 980/3, 980/7, 980/8, 980/9, 980/10, 980/11 und 980/12, GB 83020 Wörgl-Kufstein, mit der Mülldeponie Wörgl-Riederberg;
g) - h) ...
§8a
Standort für eine Behandlungsanlage
(1) Als Standort für eine Behandlungsanlage für Hausmüll wird im Entsorgungsbereich 5 das Grundstück Nr. 513/3, GB 83008 Kufstein, mit der Anlage der Thöni Industriebetriebe G. m. b. H. festgelegt.
(2) Der Hausmüll der Gemeinden Alpbach, Angath, Angerberg, Bad Häring, Brandenberg, Brixlegg, Ellmau, Erl, Kirchbichl, Kramsach, Kufstein, Langkampfen, Mariastein, Niederndorf, Niederndorferberg, Radfeld, Rattenberg, Reith im Alpbachtal, Scheffau, Schwoich, Söll, Thiersee und Wildschönau ist der im Abs1 festgelegten Behandlungsanlage zuzuführen.
(3) Der nach der Behandlung verbleibende, nicht verwertbare Restmüll ist auf die Deponie gemäß §8 litf zu verbringen."
2. Zum Zeitpunkt der Novellierung des TAWK durch die Verordnung vom 22. Februar 2000, LGBl. 13/2000, lauteten die maßgeblichen Bestimmungen des TAWG, LGBl. 50/1990 idF 76/1998, auszugsweise:
"§2
Begriffsbestimmungen
(1) Hausmüll sind alle diesem Gesetz unterliegenden Abfälle, die üblicherweise in einem Haushalt anfallen, sowie die in einem Betrieb anfallenden Anfälle gleicher Art. Nicht zum Hausmüll zählen jene Abfälle, die der Verpackverordnung 1996, BGBl. Nr. 648, in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 232/1997 unterliegen.
(2) Sperrmüll ist jener Hausmüll, der wegen seiner Größe oder Form nicht in die für die Sammlung des Hausmülls auf den einzelnen Grundstücken bestimmten Müllbehälter eingebracht werden kann.
(3) Betriebliche Abfälle sind alle diesem Gesetz unterliegenden Abfälle mit Ausnahme des Hausmülls.
(4) Baurestmassen sind die in der Anlage 2 der Deponieverordnung, BGBl. Nr. 164/1996, genannten Abfälle, sofern sie bei Abbruch- oder Sanierungsarbeiten anfallen.
(5) Die Entsorgung von Abfällen umfaßt die Sammlung, die Abfuhr, die Zwischenlagerung, die Verwertung, die Behandlung und die Ablagerung von Abfällen.
(6) - (8)...
§5
Abfallwirtschaftskonzept
(1) Die Landesregierung hat für das ganze Land ein Entwicklungsprogramm nach §4 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, LGBl. Nr. 4, in der jeweils geltenden Fassung zu erlassen, in dem die zur Verwirklichung der Grundsätze für die Abfallwirtschaft nach §4 erforderlichen Maßnahmen festzulegen sind (Abfallwirtschaftskonzept). Soweit einzelne Maßnahmen für das ganze Land oder für Teile des Landes vordringlich sind, können vorläufig nur jene Teile des Abfallwirtschaftskonzeptes erlassen werden, die diese Maßnahmen enthalten.
(2) Die Bestandsaufnahme für das Abfallwirtschaftskonzept hat insbesondere zu enthalten: die Arten und die Mengen der in Tirol anfallenden Abfälle, die voraussehbare Entwicklung des Anfalls von Abfällen, die bestehenden Möglichkeiten, Abfälle einer Verwertung zuzuführen, und die bestehenden Behandlungsanlagen und Deponien und deren Entsorgungsbereiche.
(3) Im Abfallwirtschaftskonzept sind jedenfalls festzulegen:
a) unter Berücksichtigung der diesbezüglichen bundesrechtlichen Vorschriften jene Abfälle, die zum Zweck ihrer Verwertung oder ihrer gesonderten Behandlung oder Ablagerung getrennt zu sammeln sind,
b) unter Berücksichtigung der diesbezüglichen bundesrechtlichen Vorschriften die Systeme zur Durchführung der Sammlung der getrennt zu sammelnden Abfälle, insbesondere die Systeme für die Sammlung solcher Abfälle, die dem Hausmüll zuzuordnen sind, in den Gemeinden und die Art der Abfuhr zu den Zwischenlagern im Land,
c) die zur geordneten Entsorgung der im Land anfallenden Abfälle, mit Ausnahme von Inertabfällen und Baurestmassen, erforderlichen öffentlichen Behandlungsanlagen und öffentlichen Deponien sowie unter Bedachtnahme auf die Arten und die Mengen der anfallenden Abfälle, auf die Anzahl der Einwohner und der Betriebe und auf die verkehrstechnischen Verhältnisse die Standortbereiche und die Entsorgungsbereiche dieser Anlagen,
d) unter Bedachtnahme auf die geologischen, die hydrogeologischen, die topographischen, die klimatischen und die sonstigen umweltrelevanten Verhältnisse die für die Errichtung der nach litc festgelegten öffentlichen Behandlungsanlagen und öffentlichen Deponien erforderlichen Grundflächen.
...
§9
Vorsorge für Entsorgungsanlagen
(1) Das Land Tirol hat für die Errichtung und den Betrieb der nach dem Abfallwirtschaftskonzept erforderlichen öffentlichen Behandlungsanlagen, Deponien und Zwischenlager für die getrennt zu sammelnden Abfälle zu sorgen.
(2) Sofern das Land Tirol die Entsorgungsanlagen im Sinne des Abs1 nicht selbst errichtet und betreibt, hat es die Errichtung und den Betrieb dieser Anlagen durch zivilrechtliche Verträge mit Gemeinden, Gemeindeverbänden oder geeigneten Unternehmen sicherzustellen. In solchen Verträgen sind die Arten der Abfälle, für die die Anlage bestimmt ist, und deren Entsorgungsbereich festzulegen.
§10
Allgemeine Pflichten
(1) Unbeschadet der bundesrechtlichen Vorschriften müssen alle Abfälle nach den Bestimmungen dieses Gesetzes und der in seiner Durchführung erlassenen Verordnungen gesammelt und abgeführt werden, soweit im Abs2 nichts anderes bestimmt ist.
...
§22
Betriebspflichten für
Behandlungsanlagen und Deponien
(1) Der Inhaber einer öffentlichen Behandlungsanlage oder einer öffentlichen Deponie, für die im Abfallwirtschaftskonzept ein Entsorgungsbereich festgelegt ist, ist verpflichtet, jene im Entsorgungsbereich angefallenen Abfälle zu übernehmen, für die die Anlage bestimmt ist.
(2) - (6)...
§23
Tarife für öffentliche Behandlungsanlagen und
öffentliche Deponien
(1) Der Inhaber einer öffentlichen Behandlungsanlage oder einer öffentlichen Deponie hat die Entgelte für die Behandlung bzw. für die Ablagerung von Abfällen in einem Tarif festzulegen.
(2) Die Tarife nach Abs1 bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung der Landesregierung. Dem Antrag auf Erteilung der Genehmigung sind die erforderlichen Unterlagen zum Nachweis der Angemessenheit der Tarife anzuschließen. Die Genehmigung ist mit schriftlichem Bescheid zu erteilen, wenn die im Tarif festgelegten Entgelte betriebswirtschaftlich angemessen und in einem angemessenen Verhältnis zu den Tarifen anderer öffentlicher Behandlungsanlagen und öffentlicher Deponien in Tirol stehen. Die Genehmigung ist befristet auf höchstens fünf Jahre zu erteilen und kann unter Auflagen und Bedingungen erteilt werden.
(3) In einem Verfahren nach Abs2 sind die im Entsorgungsbereich der betreffenden öffentlichen Behandlungsanlage oder öffentlichen Deponie liegenden Gemeinden zu hören.
(4) Der Inhaber einer öffentlichen Behandlungsanlage oder einer öffentlichen Deponie hat den Organen der Landesregierung die zur Überprüfung der Angemessenheit der Tarife erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihnen Einsicht in die entsprechenden Geschäftsunterlagen zu gewähren.
(5) Treten nach der Erteilung der Genehmigung Umstände ein, die den Tarif als nicht mehr angemessen erscheinen lassen, so ist von Amts wegen eine Überprüfung durchzuführen. Stellt sich bei der Überprüfung heraus, daß der ursprünglich genehmigte Tarif auf Grund der geänderten Umstände betriebswirtschaftlich nicht mehr angemessen ist, so kann die Landesregierung den Tarif von Amts wegen neu festsetzen."
3. In der Zeit zwischen der Kundmachung der (am 29. Februar 2000 versendeten) Novelle zum TAWK, LGBl. 13/2000 (mit der die Bestimmung des §8a TAWK eingefügt wurde) und der Erlassung des angefochtenen Bescheides (durch Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung an die Beschwerde führende Gesellschaft am 11. Februar 2004) hat das TAWG weitere Änderungen erfahren.
So wurden einzelne Bestimmungen durch das LG vom 26. März 2003, LGBl. 44/2003, folgendermaßen modifiziert und in §2 Abs5 TAWG nachstehende Neuregelung aufgenommen:
"§2
Begriffsbestimmungen
(1) - (4) ...
(5) Öffentlich ist eine Behandlungsanlage oder Deponie, deren Standort und Einzugsbereich nach §5 Abs3 litc festgelegt sind."
"§5
(3) [Im Abfallwirtschaftskonzept sind jedenfalls festzulegen:]
c) die zur geordneten Beseitigung der im Land anfallenden Abfälle, mit Ausnahme von Bodenaushub und Baurestmassen, erforderlichen öffentlichen Behandlungsanlagen und öffentlichen Deponien sowie unter Bedachtnahme auf die Arten und Mengen der anfallenden Abfälle, auf die Anzahl der Einwohner und der Betriebe und auf die verkehrstechnischen Verhältnisse die Standortbereiche und die Einzugsbereiche dieser Anlagen,"
"§9
Vorsorge für Behandlungsanlagen und Deponien
(1) Das Land Tirol hat für die Errichtung und den Betrieb der nach dem Abfallwirtschaftskonzept erforderlichen öffentlichen Behandlungsanlagen und öffentlichen Deponien zu sorgen.
(2) Sofern das Land Tirol die Anlagen im Sinne des Abs1 nicht selbst errichtet und betreibt, hat es die Errichtung und den Betrieb dieser Anlagen durch zivilrechtliche Verträge mit anderen geeigneten Rechtspersonen sicherzustellen. In solchen Verträgen sind die Arten der Abfälle, für die die Anlage bestimmt ist, und deren Einzugsbereich festzulegen.
(3) ..."
In §22 wurden die Absätze 2 bis 6 aufgehoben; die Absatzbezeichnung "(1)" entfiel.
4. Mit Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 29. Juni 2004, LGBl. 51/2004, wurde §8 TAWK neu erlassen. Die lite dieser Bestimmung lautet nunmehr:
"im Einzugsbereich 5 die Gst. Nr. 980/3, 980/7, 980/8, 980/9, 980/10, 980/11 und 980/12, alle GB 83020 Wörgl-Kufstein, mit der Mülldeponie Wörgl-Riederberg;".
Die litf der genannten Bestimmung hat nunmehr folgenden Wortlaut:
"im Einzugsbereich 5a die Gst. Nr. 1553 und 1554, beide GB 82105 Jochberg, mit der Mülldeponie Jochberg;".
Mit derselben Verordnung wurde in §8a Abs3 TAWK die Wendung "Deponie gemäß litf" durch die Wendung "Deponie gemäß lite" ersetzt.
III. 1.1. Aus folgenden Erwägungen hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass §8a TAWK gegen die Vorschrift des §5 Abs3 litc iVm §9 TAWG idF LGBl. 76/1998 verstößt und daher mit Gesetzwidrigkeit belastet sein dürfte:
"... Die Verordnung vom 22. Februar 2000, LGBl. 13/2000, mit der §8a in das TAWK eingefügt wurde, stützt sich auf §5 TAWG, LGBl. 50/1990 idF LGBl. 76/1998. Abs3 litc dieser Bestimmung normiert die Festlegung der in Tirol erforderlichen öffentlichen Behandlungsanlagen und öffentlichen Deponien sowie deren Standort- und Entsorgungsbereiche als zwingende Bestandteile des Abfallwirtschaftskonzeptes.
... Schon der Stammfassung des §9 Abs1 TAWG, LGBl. 50/1990, zufolge trägt das Land Tirol grundsätzlich die Verantwortung für die Errichtung und den Betrieb der nach dem Abfallwirtschaftskonzept erforderlichen öffentlichen Behandlungsanlagen (und Deponien). Im §9 Abs2 leg. cit. sieht der Gesetzgeber zwei Möglichkeiten der Vorsorge für öffentliche Behandlungsanlagen vor: Erstens, dass die Anlage durch das Land selbst errichtet und betrieben wird; zweitens, dass das Land die ihm obliegenden Aufgaben durch ein vertraglich begründetes Rechtsverhältnis an geeignete private Betreiber überträgt. Voraussetzung für die Inpflichtnahme einer anderen Rechtsperson bildet somit der Abschluss einer diesbezüglichen zivilrechtlichen Vereinbarung. Hiezu führen die EB zur RV (S 30) betreffend das TAWG in der Stammfassung LGBl. 50/1990 aus:
'In erster Linie wird das Land - gestützt auf §9 Abs2 des Entwurfes - danach trachten, private Betreiber für diese Anlage zu finden und vertraglich zu verpflichten. Soweit es dem Land aber nicht gelingt, für diese Aufgabe Private zu gewinnen, müssen diese Anlagen ... vom Land selbst ... errichtet und betrieben werden.'
Weiters heißt es zu §9 (S 54):
'Diese Bestimmung überträgt dem Land Tirol die Verantwortung
dafür, daß die für die geordnete Entsorgung der in Tirol anfallenden
Abfälle erforderlichen Behandlungsanlagen ... geschaffen werden. Die
konkrete Festlegung der hiefür erforderlichen Anlagen ... hat im
Abfallwirtschaftskonzept zu erfolgen (siehe §5 Abs3). Es ist der
Entscheidung der zuständigen Organe des Landes überlassen, ob es die
erforderlichen Anlagen selbst errichtet und betreibt ... oder ob es
diese Aufgaben durch vertragliche Vereinbarung nach Abs2 Privaten überträgt. ...'
... Die Konzeption des §5 Abs3 litc iVm §9 Abs1 und 2 TAWG
(sowohl nach der Stammfassung LGBl. 50/1990 als auch nach der zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung relevanten Fassung LGBl. 76/1998) scheint mithin darauf hinauszulaufen, dass in das Abfallwirtschaftskonzept nur solche Behandlungsanlagen als 'öffentliche' aufgenommen werden dürfen, deren Errichtung und Betrieb entweder vom Land selbst oder von einer sonstigen Person aufgrund einer vertraglichen Regelung mit dem Land besorgt wird.
... Vor dem Hintergrund dieser - gesetzessystematischen - Interpretation dürfte eine allfällige Rechtsmeinung, dass die Qualifikation einer Behandlungsanlage als 'öffentlich' (nunmehr iSd §2 Abs5 TAWG idF LGBl. 44/2003) durch (einseitigen) generellen Rechtsakt, nämlich durch die (auf §5 TAWG idF LGBl. 76/1998 gestützte) Verordnungsbestimmung des §8a TAWK idF LGBl. 13/2000 festgelegt werden darf, unzutreffend sein. Von dieser Auffassung scheint die Landesregierung bei Erlassung der in Rede stehenden Verordnung indes ausgegangen zu sein. Dafür dürften auch die EB zum Verordnungsentwurf sprechen, die folgende Ausführungen enthalten:
'Zu 8a:
Es ist beabsichtigt, für Hausmüll des Bezirkes Kufstein die Anlage der Thöni Industriebetriebe GmbH in Kufstein als 'öffentliche Behandlungsanlage' festzulegen. Diese Festlegung erfolgt mit Abs1.
Im Hinblick auf die Regelung im Abs1 bestimmt Abs2, dass der im Bezirk Kufstein anfallende Hausmüll der parzellenmäßig bestimmten Anlage zuzuführen ist.
...'
... Bemerkt sei, dass auch mit Blick auf die ... Novellierung des §2 Abs5 TAWG durch LGBl. 44/2003 eine öffentliche Behandlungsanlage nur dann vorliegt, wenn 'deren Standort und Einsatzbereich nach §5 Abs3 litc festgelegt' ist. Den EB zur diesbezüglichen RV (S 1 f.) zufolge soll diese Definition der 'Klarstellung' dienen, weil der Begriff 'öffentlich' häufig in Bezug auf den Rechtsträger der jeweiligen Anlage interpretiert worden sei. ''Öffentlich' im Zusammenhang mit Anlagen nach dem Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz bedeutet jedoch, dass deren Standorte einschließlich der Einzugsbereiche gemäß §5 Abs3 litc festgelegt sind' (EB S 1).
... Der Verfassungsgerichtshof nimmt vorderhand an, dass weder die Errichtung noch der Betrieb der verfahrensgegenständlichen Behandlungsanlage vom Land Tirol besorgt noch zwischen dem Land und der beschwerdeführenden Gesellschaft ein privatrechtlicher Vertrag über diese Aufgaben abgeschlossen worden ist. Daher dürfte nach dem zu Punkt 2.6. Gesagten die Aufnahme der Anlage der beschwerdeführenden Gesellschaft in das TAWK gesetzwidrig sein, §8a TAWK somit gegen §5 Abs3 litc iVm §9 TAWG in der im Zeitpunkt der Verordnungserlassung geltenden Fassung verstoßen.
... Die von den vorläufigen Bedenken erfasste mögliche Gesetzwidrigkeit dürfte sich nicht nur auf die Standortfestsetzung in Abs1, sondern auch auf die damit in engem Konnex stehenden Pflichten in Abs2 und 3 des §8a TAWK idF LGBl. 13/2000 beziehen. Diese Anordnungen scheinen ausschließlich die Übertragung der dem Land obliegenden anlagebezogenen Pflichten an die beschwerdeführende Gesellschaft zum Ziel zu haben."
1.2. Die Tiroler Landesregierung erstattete folgende Äußerung:
"Es trifft zu, dass weder die Errichtung noch der Betrieb der mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlage in Kufstein vom Land Tirol besorgt worden ist. Diese Anlage wurde von der Thöni Industriebetriebe GmbH errichtet und wird von dieser Gesellschaft auch betrieben.
Wie dem Akt U-3745 entnommen werden kann, hat die Betreiberin der gegenständlichen Anlage trotz über Jahre gehenden, umfangreichen Schriftverkehrs einen entsprechenden zivilrechtlichen Vertrag bis dato nicht unterfertigt, sodass die diesbezüglichen Ausführungen ebenfalls zutreffend sind.
Im übrigen darf auf die Äußerung in der Gegenschrift vom 03.09.2004, Zahl U-3745/180, verwiesen werden."
In dieser - im Anlassbeschwerdeverfahren zu B398/04 erstatteten - Stellungnahme (vom 3. September 2004) hat die Landesregierung ausgeführt, dass das TAWG als geschlossenes System konzipiert sei, weshalb die Landesregierung zu erheben habe, welche Behandlungsanlagen oder Deponien für eine geordnete Abfallwirtschaft in Tirol erforderlich seien. Diese Anlagen seien im TAWK als öffentliche Behandlungsanlagen festzulegen. Jede dieser Anlagen sei daher "öffentlich", weil sie im Interesse der Tiroler Abfallwirtschaft notwendig sei. Auch bei der Anlage der Beschwerde führenden Gesellschaft handle es sich - seit der Änderung des TAWK mit LGBl. 13/2000 - um eine öffentliche Behandlungsanlage. Die Übernahme von Hausmüll durch nicht öffentliche Behandlungsanlagen sei in Tirol unzulässig.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist zulässig. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, die gegen die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der Beschwerde und die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnungsstelle sprechen würden.
2.2. Es treffen auch die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnungsvorschrift zu:
Die Tiroler Landesregierung ist den im Prüfungsbeschluss angestellten Erwägungen im Ergebnis nicht entgegengetreten. Der Gerichtshof bleibt bei seiner Rechtsauffassung, dass das Bundesland Tirol nach der Konzeption des §5 iVm §9 Abs1 und 2 TAWG idF LGBl. 76/1998 - ebenso wie nach der Novellierung durch LGBl. 44/2003 - seine Verantwortlichkeit zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Behandlungsanlage - sofern es diese Verpflichtung nicht selbst wahrnimmt - nur im Wege eines zivilrechtlichen Vertrages an einen geeigneten Dritten übertragen kann (§9 Abs2 leg. cit.). Eine andere Möglichkeit der Aufnahme einer Behandlungsanlage in das Abfallwirtschaftskonzept, insbesondere durch generellen Rechtsakt, räumt das TAWG nämlich nicht ein.
Unabdingbare Voraussetzung für die Aufnahme einer nicht vom Land selbst errichteten und betriebenen öffentlichen Behandlungsanlage in das Tiroler Abfallwirtschaftskonzept ist also der Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Land und dem privaten Anlagenbetreiber.
Die Tiroler Landesregierung bestätigt in ihrer Stellungnahme, dass mit der im Anlassverfahren Beschwerde führenden Gesellschaft kein zivilrechtlicher Vertrag iSd §9 Abs2 TAWG idF LGBl. 76/1998 zustande gekommen ist. Damit findet die dennoch erfolgte Aufnahme der Beschwerde führenden Gesellschaft in das TAWK in den Vorschriften des TAWG idzF keine Deckung. §8a TAWK ist daher insofern mit der schon im Prüfungsbeschluss angenommenen Gesetzwidrigkeit belastet.
Da den Gründen für das Unterbleiben eines zivilrechtlichen Vertrages mit dem privaten Anlagenbetreiber im gegebenen Zusammenhang keine Relevanz zukommt, ist auf das diesbezügliche Vorbringen der Landesregierung nicht weiter einzugehen. Auch die Berücksichtigung der im Anlassbeschwerdeverfahren zu B398/04 erstatteten Gegenschrift vom 3. September 2004 ist nicht geeignet, die Annahmen über die Gesetzwidrigkeit der in Prüfung stehenden Verordnungsstellen zu zerstreuen: Geht die Landesregierung in ihrer auf den vorliegenden Problemkreis bezogenen Argumentation doch augenscheinlich von der nach dem Dargelegten verfehlten Rechtsmeinung aus, berechtigt zu sein, die Anlage eines privaten Betreibers durch Festlegung ihres Standortes als Behandlungsanlage in §8a TAWK, mithin aufgrund einseitiger genereller Anordnung, in eine öffentliche Anlage umzuwandeln.
Die gegen die Regelung des §5 Abs3 litc iVm §9 Abs1 und 2 TAWG idF LGBl. 76/1998 verstoßende Bestimmung des §8a TAWK ist daher (und zwar auch mit Blick auf die unter Punkt II.3. dargestellte, den Kern der hier relevanten §§5 Abs3 litc und 9 Abs1 und 2 TAWG unberührt lassende Novellierung des TAWG durch LGBl. 44/2003) gesetzwidrig.
Angesichts des engen Sachzusammenhanges der in den Abs2 und 3 des §8a TAWK geregelten Pflichten mit der in Abs1 rechtswidrig vorgenommenen Standortfestlegung strahlt die aufgezeigte - primär den Abs1 betreffende - Gesetzwidrigkeit auf den gesamten §8a der Verordnung (der zur Gänze die Übertragung der dem Land obliegenden anlagenbezogenen Pflichten an die Thöni Industriebetriebe GesmbH zum Inhalt hat) aus.
3. Da die Tiroler Landesregierung mit Verordnung LGBl. 51/2004 (s. Pkt. II.4.) im Abs3 des §8a TAWK die Wendung "Deponie gemäß litf" durch die Wendung "Deponie gemäß lite" ersetzt hat, hatte sich der Verfassungsgerichtshof hinsichtlich des Abs3 gemäß Art139 Abs4 B-VG auf den Ausspruch zu beschränken, dass der genannte Absatz gesetzwidrig war. Die Abs1 und 2 des §8a TAWK waren hingegen als gesetzwidrig aufzuheben.
4. Der Ausspruch über die Kundmachungspflicht stützt sich auf Art139 Abs5 erster Satz B-VG.
5. Im Hinblick auf eine allfällige Ersatzregelung war für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Verordnungsbestimmung eine Frist zu setzen. Der diesbezügliche Ausspruch beruht auf Art139 Abs5 letzter Satz B-VG.
6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Abfallwirtschaft, Privatwirtschaftsverwaltung, Privatrecht - öffentliches RechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:V81.2005Dokumentnummer
JFT_09948799_05V00081_00