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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten zuhanden ihres Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg (in der Folge: UFS), vom 3. März 2005 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft, die gewerblich mit Kraftfahrzeugen handelt, auf Vergütung der Normverbrauchsabgabe gem. §12a des Bundesgesetzes, mit dem eine Abgabe für den Normverbrauch von Kraftfahrzeugen eingeführt wird (Normverbrauchsabgabegesetz - NoVAG 1991), für drei ursprünglich im Inland verwendete Fahrzeuge nach deren Überstellung ins Ausland als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die beschwerdeführende Gesellschaft die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie unter anderem die Verfassungswidrigkeit des §12a NoVAG 1991 geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt.
3. Der UFS legte fristgerecht die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er unter anderem auf die vom Unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Innsbruck, zu B623/04 erstattete Gegenschrift verweist.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die (zulässige) Beschwerde erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 30. November 2005, G99/05, die Worte ",das gemäß §1 Z2 der gewerblichen Vermietung dient, nach Ablauf der Vermietung im Inland" sowie "an den Vermieter" in §12a des Bundesgesetzes, mit dem eine Abgabe für den Normverbrauch von Kraftfahrzeugen eingeführt wird (Normverbrauchsabgabegesetz - NoVAG 1991), BGBl. 695/1991, in der Fassung BGBl. I 132/2002, als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988); darüber hinaus muss der das Verwaltungsverfahren einleitende Antrag vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. II.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes gestellt worden sein (VfGH 15.10.2005, B844/05).
3. Die nichtöffentliche Beratung des Verfassungsgerichtshofes im Gesetzesprüfungsverfahren G99/05 fand am 30. November 2005 statt; der dieses Gesetzesprüfungsverfahren einleitende Prüfungsbeschluss wurde am 27. Juli 2005 bekannt gemacht. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 19. April 2005 eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; da der ihr zugrunde liegende, das Verwaltungsverfahren auslösende Antrag ausweislich der Verwaltungsakten auch vor Bekanntgabe des Prüfungsbeschlusses, nämlich am 12. November 2003, gestellt worden ist, ist der ihr zugrunde liegende Fall somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
4. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, dass diese Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft nachteilig war. Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde somit wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind eine Eingabengebühr iHv € 180,-- und Umsatzsteuer iHv € 360,-- enthalten.
IV. Diese Entscheidung wurde gem. §19 Abs4 Z3 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen.
Schlagworte
VfGH / Anlaßfall, VfGH / AnlaßverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:B441.2005Dokumentnummer
JFT_09948797_05B00441_00