RS Vfgh 2005/10/1 G61/05

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 01.10.2005
beobachten
merken

Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

EMRK 1. ZP Art1
EMRK Art14
AlVG §7 Abs3 Z2
AuslBG §§4 Abs3 Z7

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit der Beschränkung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld auf Personen mit aufenthaltsrechtlicher Berechtigung zur Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung; Zulässigkeit der Gestaltung eines Arbeitslosenversicherungsrechts in Hinblick auf das Risiko des Fehlens einer zumutbaren Beschäftigung; Gleichbehandlung sachlicher und rechtlicher Hindernisse einer Arbeitsaufnahme gerechtfertigt; keine unsachliche Differenzierung aufgrund der Staatsangehörigkeit; sachliche Abgrenzung des versicherten Risikos

Rechtssatz

Keine Verfassungswidrigkeit des §7 Abs3 Z2 AlVG idF BGBl I 71/2003.

Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhält ihrer Zielsetzung nach nur, wer Arbeit sucht und nicht findet, nicht aber, wer nicht arbeiten kann, darf oder will. Versichertes Risiko ist der Mangel eines Arbeitsplatzes; dieses Risiko muss bei Vorliegen einer zumutbaren Beschäftigungsgelegenheit enden können.

Der Anspruch aus Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung fällt im Hinblick auf die zum Erwerb der Anwartschaft erforderliche Gegenleistung als ein vermögenswertes Recht iSd Art1 des 1. ZP EMRK in den Schutzbereich dieses Grundrechts und ist gemäß Art14 EMRK jedermann ohne Benachteiligung zu gewähren. Der Inhalt dieses Anspruchs wird aber als (Sozial-)Versicherungsleistung durch die Umschreibung des versicherten Risikos bestimmt.

Sie kann angesichts der unbeschränkten Freiheit österreichischer Staatsbürger, eine unselbständige Arbeit im Inland anzunehmen, nur Fremde treffen, deren Aufenthaltsberechtigung in Österreich eingeschränkt ist. Wer im Inland keine unselbständige Arbeit aufnehmen darf, ist kein Arbeitsuchender und kann seine Lage nicht durch Aufnahme von Arbeit verändern; ihn trifft nicht das Risiko des Fehlens eines Arbeitsplatzes.

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass es dem Staat einerseits unbenommen ist, den Aufenthalt im Staatsgebiet aus sachlichen Gründen auch bloß zu anderen Zwecken als zur Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung zuzulassen, andererseits eine Arbeitslosenversicherung so gestaltet sein darf, dass sie nur bei Fehlen eines zumutbaren Arbeitsplatzes greift. Die zur Prüfung gestellte Bestimmung trägt nur dem Umstand Rechnung, dass nicht jeder, der sich (auch erlaubter Weise) in Österreich aufhält, hier eine Arbeit aufzunehmen oder auszuüben berechtigt ist.

Dass das Arbeitslosenversicherungsrecht tatsächliche und rechtliche Hindernisse einer Arbeitsaufnahme gleichbehandelt, ist in Ansehung des versicherten Risikos folgerichtig, sodass auch hier die Staatsangehörigkeit aus dem Blickwinkel des Verwaltungsgerichtshofes gesehen "nur über das Aufenthaltsrecht" auf das Arbeitslosenversicherungsrecht einwirkt und daher keine unsachliche Differenzierung herbeiführt.

Kein Eingehen auf Frage der Verhältnismäßigkeit, da die angegriffene Norm keine (übermäßige) Einschränkung eines grundsätzlich bestehenden Anspruchs aus besonderen Gründen ist und kein Eingriff in das Eigentumsrecht vorliegt. Abdeckung eines gänzlich anderen Risikos für Fremde als für Inländer verfassungsrechtlich nicht geboten; sachliche Abgrenzung des versicherten Risikos.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Arbeitslosenversicherung, Arbeitsrecht, Ausländerbeschäftigung, Eigentumseingriff

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:G61.2005

Dokumentnummer

JFR_09948999_05G00061_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten