RS Vfgh 2005/10/5 V23/05

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Veröffentlicht am 05.10.2005
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
Flächenwidmungsplanänderung der Gemeinde Bludesch vom 25.04.02
Vlbg GdG 1985 §40, §41
Vlbg RaumplanungsG 1996 §2, §3, §8 Abs2, §14 Abs2, §15 Abs10, §21, §23
Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991, BGBl 477/1995 idF BGBl III 18/1999, im Bereich "Raumplanung und nachhaltige Entwicklung", BGBl III 232/2002 Art8

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit einer Flächenwidmungsplanänderung hinsichtlich der Widmung von Grundstücken als Bauland/Kerngebiet; Planauflage des Änderungsentwurfes nicht erforderlich; angemessene Frist zur Stellungnahme der betroffenen Grundeigentümer bzw zur Vorbereitung der Mitglieder der Gemeindevertretung; überörtliche Interessen durch die Kerngebietswidmung zur Errichtung eines Einkaufszentrums in zentraler innerörtlicher Lage nicht berührt; keine Verpflichtung zur Verständigung der Nachbargemeinden und der Regionalplanungsgemeinschaft; Erstellen eines räumlichen Entwicklungskonzeptes ausreichender Änderungsanlass; ausreichende Interessenabwägung und Grundlagenforschung; kein Widerspruch zum Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention im Bereich "Raumplanung und nachhaltige Entwicklung"; kein Kostenzuspruch an die Gemeinde

Rechtssatz

Abweisung des Antrags des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg auf Aufhebung der Flächenwidmungsplanänderung der Gemeinde Bludesch vom 25.04.02 hinsichtlich der Widmung von Grundstücken als Bauland/Kerngebiet.

Zum Unterschied von der Neuerlassung eines Flächenwidmungsplanes ist eine Planauflage gemäß §21 Vlbg RaumplanungsG 1996 nach vorheriger Beschlussfassung des Entwurfs einer Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht erforderlich, wenn die betroffenen Grundeigentümer vor der Beschlussfassung nachweislich darüber in Kenntnis gesetzt wurden und ihnen eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt wird (§23 Abs2).

Im Hinblick auf die Intention der Bestimmung des §40 Vlbg GdG 1985, vor einer Beschlussfassung den Mitgliedern der Gemeindevertretung eine ausreichende Vorbereitungszeit zu geben, schadet die Beschlussfassung am 09.04.02 über den Entwurf einer Änderung unter dem Tagesordnungspunkt "Vertraulicher Punkt" mit im vorliegenden Fall einer Vorbereitungszeit von 15 Minuten nicht. Denn nach der Beschlussfassung über den Entwurf des Flächenwidmungsplanes wurde den Grundeigentümern Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Nach Ablauf der angemessenen Stellungnahmefrist erfolgte die Beschlussfassung über die Änderung des Flächenwidmungsplanes am 25.04.02. Zur Sitzung der Gemeindevertretung vom 25.04.02 wurden die Mitglieder der Gemeindevertretung ordnungsgemäß eingeladen. Es waren daher einerseits die betroffenen Gemeindebürger über die beabsichtigte Änderung des Flächenwidmungsplans ausreichend informiert; andererseits konnten sich aber auch die Mitglieder der Gemeindevertretung auf die bevorstehende Beschlussfassung über die Verordnung ausreichend vorbereiten.

Eine irrtümliche Bezeichnung der Grundstücke in den Beschlüssen der Gemeindevertretung führt für sich allein nicht zur Gesetzwidrigkeit der Verordnung. Die Fehlbezeichnung trat auch durch keinen Akt nach außen. Die planliche Darstellung lag der Beschlussfassung der Gemeindevertretung zugrunde. Der Landesvolksanwalt behauptet nicht, dass die Gemeindevertretung darüber im Unklaren war, welche Grundstücke als Kerngebiet ausgewiesen werden sollten.

Der Gesetzgeber geht offensichtlich davon aus, dass die Errichtung eines Einkaufszentrums in "zentraler, innerörtlicher Lage", das eine bestimmte Größe nicht überschreitet, keine überörtlichen Interessen berührt (vgl §14 Abs2, §15 Abs10 Vlbg RaumplanungsG 1996). Eine Änderung eines Flächenwidmungsplanes berührt die Belange der Nachbargemeinden nicht schon deshalb wesentlich, weil Grundstücke als Kerngebiet gewidmet worden sind.

Die Gemeinde Bludesch war daher nicht verpflichtet, die "umliegenden Gemeinden" zu verständigen.

Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung, vor einer Änderung des Flächenwidmungsplanes einer Regionalplanungsgemeinschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Das Erstellen eines räumlichen Entwicklungskonzeptes stellt für sich einen ausreichenden Änderungsanlass iSd §23 Abs1 Vlbg RaumplanungsG 1996 dar. Die Festlegung einer konkreten Widmung hat nicht im räumlichen Entwicklungskonzept sondern im Flächenwidmungsplan zu erfolgen. Das örtliche Entwicklungskonzept dient bloß als Grundlage für die Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung; es hat grundsätzliche Aussagen ua über die angestrebte Siedlungsgestaltung und Entwicklung und Gliederung der Bauflächen (§11 Abs1 lite) zu enthalten.

Der Verfassungsgerichtshof hat nicht darüber zu befinden, welche der dem Verordnungsgeber im Rahmen des Gestaltungsspielraums offen stehenden Möglichkeiten die zweckmäßigste ist; sie muss (nur) mit dem Gesetz in Einklang stehen. Es ist Sache des Verordnungsgebers, ob er in Verfolgung der genannten Ziele die Widmung "Mischgebiet" oder im Falle einer zentralen, innerörtlichen Lage "Kerngebiet" festlegt.

Ob ein Gebiet eine zentrale innerörtliche Lage hat, bestimmt sich nicht danach, ob dieses Gebiet einen geometrischen Mittelpunkt der Gemeinde bildet, sondern vielmehr danach, ob dieses Gebiet auf Grund seines Angebotes im öffentlichen, wirtschaftlichen oder kulturellen und sozialen Bereich einen für das umliegende Ortsgebiet attraktiven Stellenwert einnimmt (örtlich-funktionaler Aspekt). Hiebei ist auch zu berücksichtigen, ob das Gebiet auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar ist.

Ausreichende Interessenabwägung.

Die nunmehr aneinander angrenzenden Widmungen Kerngebiet, in denen auch Wohnungen zulässig sind, und Wohngebiet sind miteinander verträglich. Der Planungsbereich befindet sich in innerörtlicher Lage - neben sonstigen Gebäuden für Verwaltung, kulturellen und sozialen Einrichtungen und einem Parkplatz. Die in Rede stehenden Flächen sind von Bauland umgeben. Für Einrichtungen des Gemeinbedarfs sind gemäß §2 Abs3 lith Vlbg RaumplanungsG geeignete Standorte festzulegen. Durch eine Kerngebietswidmung, in der ein EKZ errichtet wird, wird die Möglichkeit anderer Gemeinden, ebenso Widmungen als Kerngebiet, in denen ein EKZ errichtet werden kann, festzulegen, nicht beschränkt.

Das örtliche Entwicklungskonzept stellt im Zusammenhang mit dem offenkundigen Bemühen der Gemeinde, aus Sicht der Raumordnung geeignete Flächen für einen Nahversorgungsstandort zu finden, eine ausreichende Grundlagenforschung dar. Das Interesse einer konkreten "Betreibergesellschaft" an einer bestimmten Widmung ändert nichts an der Gesetzmäßigkeit der Widmung, wenn die sachlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Kein Widerspruch zu Art8 des Protokolls zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich "Raumplanung und nachhaltige Entwicklung", BGBl III 232/2002.

Dem Begehren der Gemeindevertretung der Gemeinde Bludesch auf Kostenersatz war nicht stattzugeben, da es in einem Fall wie dem vorliegenden zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig war, einen Rechtsanwalt mit der Vertretung der verordnungserlassenden Behörde zu befassen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Verordnungserlassung, Einkaufszentren, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:V23.2005

Dokumentnummer

JFR_09948995_05V00023_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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