RS Vfgh 2005/10/11 V133/03 - V12/04, V17/04

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Veröffentlicht am 11.10.2005
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art18 Abs1, Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
ElWOG §25, §55, §66a Abs6
Energie-RegulierungsbehördenG §3, §7, §8
Systemnutzungstarife-Verordnung 2003 der Energie-Control Kommission (SystemnutzungstarifeV 2003 - SNT-VO 2003)
VfGG §57 Abs1

Leitsatz

Teils Zurückweisung, teils Abweisung des Individualantrags eines Netzbetreibers auf Aufhebung von Bestimmungen der Systemnutzungstarife-Verordnung 2003; Unzulässigkeit einzelner Anträge und Eventualanträge mangels ausreichender Darlegung der Bedenken im Einzelnen bzw mangels Darlegungen über die unmittelbare Betroffenheit bzw wegen zu engen Anfechtungsumfanges; zur Zuständigkeit der Energie-Control Kommission zur Verordnungserlassung Hinweis auf die Vorjudikatur; keine Bedenken gegen die Festsetzung der Grundsätze und der Systemnutzungstarife in einem Rechtsakt; Gesetzmäßigkeit der Festlegung eines "generellen Effizienzfaktors"; Unbedenklichkeit der Festlegung der Tarife in Verordnungsform; ausreichendes Ermittlungsverfahren vor Verordnungserlassung

Rechtssatz

Teilweise Zulässigkeit des Antrags der EVN AG auf Aufhebung der (bzw einzelner Bestimmungen der) Systemnutzungstarife-Verordnung 2003 der Energie-Control Kommission (SystemnutzungstarifeV 2003 - SNT-VO 2003).

Zur Zulässigkeit des Individualantrags siehe E v 17.03.05, V120/03.

An der aktuellen Betroffenheit ändert auch die Tatsache nichts, dass die angefochtene Verordnung inzwischen geändert wurde. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Tarife in der Stammfassung der SNT-VO 2003 auf frühere Sachverhalte noch anzuwenden sind, ist die antragstellende Gesellschaft noch aktuell in ihrer Rechtssphäre betroffen (vgl VfSlg 15888/2000, 17094/2003).

Zurückweisung von Haupt- und Eventualanträgen zu den einzelnen Bestimmungen mangels ausreichender Darlegung der Bedenken im Einzelnen (Bedenken teils nicht den einzelnen Bestimmungen zuordenbar), mangels Darlegungen der unmittelbaren Betroffenheit bzw wegen zu engen Anfechtungsumfanges (zB Anfechtung lediglich allgemeiner Grundsatzbestimmungen ohne gleichzeitige Anfechtung der Tarifbestimmungen); Eventualanträge teils in Widerspruch zum jeweiligen Hauptantrag.

Einzelne zu Hauptanträgen gestellte Eventualanträge sind inhaltlich enger gefasst als der - im Wesentlichen zulässige - dritte Eventualantrag zum Hauptantrag g), sodass diese mit der Entscheidung über diesen Antrag inhaltlich als erledigt anzusehen sind.

Zulässigkeit des 3. Eventualantrags zum Hauptantrag g), der nicht nur die Aufhebung der allgemeinen Bestimmungen der SNT-VO 2003, sondern auch die Aufhebung der Festsetzung des Netzbereitstellungsentgelts (§18), des Netznutzungsentgeltes (§19), des Netzverlustentgeltes (§20) und der Bestimmung der Höchstpreise für das Entgelt für Messleistungen begehrt, mit Ausnahme des Antrages auf Aufhebung des §19 Abs1 Z1 lita (betr. Netzebene 1, da das Netz der antragstellenden Gesellschaft von Netzebene 1 ausgenommen ist).

Zulässigkeit auch des Antrags h) auf Aufhebung einer Wortfolge in §2 SNT-VO 2003 betreffend das Netzzutrittsentgelt.

Abweisung der Anträge auf Aufhebung des §2 bis §7, §9 bis §16 sowie §18 Abs1 Z4 und Abs2, §19 Abs1 Z2 lita, Z3 litc, Z4 litd, Z5 litd, Z6 litd, Z7 litd, §20 Z1 und Z5 sowie §22 SNT-VO 2003.

Zuständigkeit der Energie-Control Kommission zur Regelung der allgemeinen Bestimmungen des §2 bis §7, §9 bis §16 SNT-VO 2003 (vgl E v 17.03.05, V120/03).

Der behauptete Widerspruch des §2 SNT-VO 2003 zu §25 ElWOG trifft nicht zu (vgl E v 14.12.04, V35/04). Da weder §2 noch eine andere Bestimmung der SNT-VO 2003 Tarife für das Netzzutrittsentgelt enthalten, bleibt die Bestimmung des §25 Abs1 ElWOG, wonach eine Pauschalierung dem Netzbetreiber für jene Netzbenutzer, die an eine unter Abs5 Z6 angeführte Netzebene angeschlossen sind, anheim gestellt ist, von der SNT-VO 2003 unberührt.

Keine Gesetzwidrigkeit der Bestimmungen über das Entgelt für Messleistungen einschließlich der Zählerablesung (§9 Abs2 SNT-VO 2003).

Die Regelung, wie und in welchen Zeitabständen Messleistungen durchzuführen sind, ist von der Ermächtigung des §25 Abs1 letzter Satz ElWOG mit umfasst, zumal die Höchstpreise in der SNT-VO 2003 für jeden angefangenen Kalendermonat festgesetzt sind (vgl §22).

Keine Gesetzwidrigkeit der allgemeinen Grundsätze der Kostenermittlung und der Finanzierungskosten (§12, §13 SNT-VO 2003) (vgl E v 16.10.04, G67/04, und E v 14.12.04, V35/04).

Keine Gesetzwidrigkeit der Grundsätze der Kostenzuordnung für integrierte Unternehmen (§14 SNT-VO 2003).

§14 Abs1 enthält keine Regelung, gemäß der die Kostenrechnungen integrierter Elektrizitätsunternehmen einheitlich gestaltet sein müssen, sondern schränkt die Anerkennung von Kosten bei der Festsetzung der Systemnutzungstarife auf jene aus den Bereichen Übertragung und Verteilung ein (vgl im Übrigen E v 14.12.04, V35/04).

Die Regelungen über die Grundsätze für die Festsetzung der Systemnutzungstarife und jene über die Festsetzung der einzelnen Tarife stehen einander insofern gleichrangig gegenüber, als beide dem Gesetz entsprechen müssen und schon durch dieses hinreichend determiniert sein müssen; sie dürfen überdies einander nicht widersprechen. Der Festsetzung der Grundsätze und der Systemnutzungstarife in einem Rechtsakt stehen weder Art18 B-VG noch §25 ElWOG entgegen.

Keine Gesetzwidrigkeit der Kriterien für die Tarifbestimmungen (§16 SNT-VO 2003) (vgl E v 16.10.04, G67/04, E v 14.12.04, V35/04).

Keine Bedenken gegen die Festlegung eines "generellen Effizienzfaktors". Der Gesetzgeber stellt beim Produktivitätsabschlag in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise grundsätzlich nicht auf das einzelne Unternehmen und seine derzeitige Situation ab. Zur Einführung eines "individuellen Effizienzfaktors" - wie dieser unter dem Schlagwort "Benchmarking" während der Entstehungsphase der SNT-VO 2003 vorgesehen war und in der zunächst geplanten Fassung des §16 SNT-VO 2003 zum Ausdruck kam - ist die Energie-Control Kommission zwar grundsätzlich berechtigt, nicht aber verpflichtet.

Zu den Bedenken gegen §18 Abs1 Z4 (Netzbereitstellungsentgelt), §19 Abs1 Z2 lita, Z3 litc, Z4 litd, Z5 litd, Z6 litd und Z7 litd (Netznutzungsentgelt) und §20 Z1 und Z5 SNT-VO 2003 (Netzverlustentgelt):

Im Hinblick darauf, dass die Energie-Control Kommission die Systemnutzungstarife auf Grund des Ergebnisses des von der Energie-Control GmbH durchgeführten Ermittlungsverfahrens festzusetzen hat, führt die Tatsache, dass die Energie-Control GmbH das Ermittlungsverfahren "im Auftrag der Energie-Control Kommission" geführt hat, nicht zur Gesetzwidrigkeit der SNT-VO 2003. Eine - wie die antragstellende Gesellschaft behauptet - unzulässige Vermengung der "beiden Instanzen" Energie-Control GmbH und Energie-Control Kommission liegt nicht vor.

Werden die Tarife - wie im vorliegenden Fall - durch Verordnung festgesetzt, so sind die Bestimmungen des AVG über das Ermittlungsverfahren nicht anzuwenden (vgl E v 17.03.05, V120/03).

Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, entsprechende Sachverständigengutachten einzuholen oder die fachlichen Stellungnahmen im Detail fachlich nachzuprüfen oder sie gegeneinander abzuwägen. Eine Gesetzwidrigkeit der SNT-VO 2003 ergäbe sich nur dann, wenn die Entscheidungsgrundlagen so mangelhaft sind, dass eine Aussage darüber, ob die Verordnung den vom Gesetz vorgegebenen Zielen entspricht, nicht möglich erscheint (vgl E v 17.03.05, V120/03).

Die Überprüfung der Verordnungsakten durch den Verfassungsgerichtshof zeigte, dass sich die Energie-Control Kommission den für die Systemnutzungstarife erforderlichen Sachverstand beschafft hat, dass sie sich ausreichend mit den von der antragstellenden Gesellschaft vorgebrachten Argumenten, insbesondere mit den Argumenten 1. die Personalkosten seien ungerechtfertigt gekürzt worden, 2. die Finanzierungskosten seien zu niedrig angenommen worden, 3. die Zusatzkosten aus der Liberalisierung seien nicht berücksichtigt worden, 4. die Kosten für Netzverluste seien zu niedrig angenommen worden und 5. der lineare Senkungsprozentsatz (Produktivitätsfaktor) finde im Gesetz keine Deckung, auseinander gesetzt hat und die Grundlagen ihrer Entscheidung ausreichend dokumentiert hat. Sie ist dabei zu einem rechtlich nicht zu beanstandenden Ergebnis gelangt. Die Entscheidungsgrundlagen sind für die Aussage darüber, ob die Verordnung den vom Gesetz vorgegebenen Zielen entspricht, ausreichend.

Keine Bedenken gegen §25 Abs1, Abs2 und Abs7 sowie §66a Abs6 ElWOG (vgl E v 16.10.04, G67/04).

Ebenso: V12/04, E v 15.12.05: Teils Zurückweisung, teils Abweisung der Anträge der Burgenländischen Elektrizitätswirtschafts-AG; ausreichende Auseinandersetzung auch mit dem vorgebrachten Argument, die herangezogene Regulierungsformel sei in mathematisch-logischer Hinsicht unrichtig.

Siehe weiters V17/04, E v 15.12.05: Teils Zurück-, teils Abweisung der Anträge der Energie Ried GmbH; kein Widerspruch zwischen § 12 Abs 2 und Abs 3 SNT-VO 2003 und § 25 Abs 2 ElWOG; keine Unsachlichkeit der Produktivitätsabschläge wegen bereits vorgenommener Rationalisierungsmaßnahmen; hinreichende Determinierung der in § 15 SNT-VO 2003 enthaltenen Regelung betr Kostenwälzung (bzw Umlageschlüssel) durch § 25 Abs 13 ElWOG.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Energierecht, Elektrizitätswesen, Preisrecht, Verordnungserlassung, Verwaltungsverfahren, Anwendbarkeit AVG, Determinierungsgebot, VfGH / Antrag, Eventualantrag, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Bedenken, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:V133.2003

Dokumentnummer

JFR_09948989_03V00133_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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