RS Vfgh 2005/10/13 G39/05 ua, V25/05 ua

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Veröffentlicht am 13.10.2005
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs5 / Fristsetzung
IESG §12 Abs6, Abs7 idF BudgetbegleitG 2000, BGBl I 26/2000. und 2001, BGBl I 142/2000
Ven über die Festsetzung des Zuschlags zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag, BGBl II 366/1997. 386/1998. 511/1999. 410/2000. 452/2001. 454/2002. 560/2003 und 503/2004

Leitsatz

Verstoß der Regelungen des IESG betreffend die Anordnung zur Überweisung von Mitteln des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger bzw die SVA der gewerblichen Wirtschaft gegen den Gleichheitssatz mangels eines persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zwischen den Versicherungsgemeinschaften; Gesetzwidrigkeit der Verordnungen über die Festsetzung des Zuschlags zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag der Jahre 1999 bis 2004 mangels Herabsetzung des Zuschlagssatzes bei Außerachtlasssung der verfassungswidrigen Sonderzahlungen

Rechtssatz

Aufhebung der Absätze 6 und 7 des §12 Insolvenz-EntgeltsicherungsG (IESG) idF der Budgetbegleitgesetze 2000, BGBl I 26, und 2001, BGBl I 142/2000.

Die Anordnung, die in §12 Abs6 und Abs7 IESG genannten Summen dem Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger bzw der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu überweisen, ist gleichheitswidrig.

Es ist unzulässig, Beitragseinnahmen einer Versichertengemeinschaft an eine andere Versichertengemeinschaft zu übertragen, sofern zwischen diesen Versichertengemeinschaften kein persönlicher und sachlicher Zusammenhang besteht (vgl E v 13.03.04, G279/02 ua). Im Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger sind aber nicht nur Pensionsversicherungsanstalten von Arbeitnehmern zusammengefasst, für die der Arbeitgeber auch Zuschläge zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag zahlt, vielmehr sind auch die Sozialversicherungsanstalten der Selbständigen mit einbezogen (und Empfänger von Zahlungen). Es fehlt also sowohl der persönliche als auch der sachliche Zusammenhang.

Die Überweisung nach §12 Abs7 IESG soll einen wie immer entstandenen Abgang der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft decken (helfen). Es gibt aber keinen Grund, dass gerade und nur, aber auch alle Arbeitgeber nach Maßgabe der Zahl der von ihnen Beschäftigten zum Aufwand für alle versicherten gewerblich Selbständigen beitragen soll. Der Personenkreis der in der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft pensionsversicherten Selbständigen, der auch jene mit einschließt, die keine Arbeitnehmer beschäftigen, ist vom Kreis der zuschlagszahlenden Arbeitgeber, der wiederum in hohem Maße auch - nicht pensionsversicherte - juristische Personen umfasst, zu verschieden.

Aufhebung der Verordnungen der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales bzw des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Festsetzung des Zuschlags zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag, BGBl II 511/1999, 410/2000, 452/2001, 454/2002, 560/2003 und 503/2004; keine Aufhebung der Verordnungen BGBl II 366/1997 und 386/1998.

Legt man die vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit in den Verordnungsprüfungsverfahren vorgelegten Zahlen über die tatsächlichen Ausgaben und Einnahmen ohne die verfassungswidrigen Überweisungen zugrunde, so ist klar, dass - nach Abdecken von Fehlbeträgen aus früheren Jahren durch den inzwischen eingetretenen Einnahmenüberhang - im Jahr 2000 bereits ein 20 % des durchschnittlichen Leistungserfordernisses deutlich übersteigender Überschuss zu erwarten war (und auch erzielt wurde). Es hätte daher gemäß §12 Abs2 Z2 IESG schon der im Dezember 1999 kundgemachte Zuschlagssatz niedriger ausfallen müssen. Ab diesem Zeitpunkt war daher die Beibehaltung des Zuschlagsatzes von 0,7 % gesetzwidrig. Bis dahin erweisen sich die Verordnungen aus 1997 und 1998 hingegen als gesetzmäßig.

Die Aufhebung der Verordnungen ist notwendig überschießend, weil der Zuschlag nicht zur Gänze, sondern nur soweit gesetzwidrig ist, als die gebotene Absenkung unterlassen wurde. Es sind daher jedenfalls gesetzliche Vorkehrungen erforderlich. Um einen nahtlosen Übergang zur Neuregelung zu ermöglichen, ist gemäß Art139 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten die Frist von einem Jahr zu bestimmen.

(Anlassfälle: B205/04, E v 13.10.05, B727/04, B607/05, beide E v 28.11.05, Aufhebung der angefochtenen Bescheide; Quasi-Anlassfälle:

B206/04, B207/04, uva, alle E v 28.11.05, sowie B898/04, B1003/04, uva, alle E v 27.02.06; she aber auch B844/05, E v 15.10.05:

Abweisung der Beschwerde; keine Anlassfallwirkung bei Antragstellung im Verwaltungsverfahren nach Bekanntmachung des Prüfungsbeschlusses; Ablehnung der Beschwerdebehandlung unter Hinweis auf B844/05: zB B1659/05 ua, B v 05.12.05).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Arbeitsrecht, Entgeltfortzahlung, Insolvenzentgeltsicherung, Sozialversicherung, Pensionsversicherung, VfGH / Fristsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:G39.2005

Dokumentnummer

JFR_09948987_05G00039_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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